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Frau (Staatsdienst)
ten Gruppen von F. auf Grund besonderer Ge-
rechtigkeiten des älteren Rechts zustehen, so z. B.
das der Inhaberin eines mit Patronatsrecht aus-
gestatteten Grundbesitzes zustehende Recht der
Besetzung der Patronatspfarre oder das Pfarr-
wahlrecht der Konventualinnen von Damen-
stiftern oder Klöstern und deren Präsentations-
recht für Küster-- und Organistenstellen.
§4-Bet iligung der Fran an der öffentlichen
Verwaltung. Unsere Gesetzgebung geht, entspre-
chend der früheren Gesellschaftsordnung von dem
Grundsatze aus, daß nur Männer als Träger
öffentlicher Aemter in Betracht kommen. Dieser
Grundsatz kann jedoch, mangels besonderer Be-
stimmung des positiven Rechts, nicht als ein Rechts-
satz angesehen werden. Man wird vielmehr an-
nehmen müssen, daß, wo die Voraussetzungen der
Besetzung eines öffentlichen Amtes gesetzlich nicht
anders geregelt sind, die mit der Besetzung des
Amtes betraute Instanz im Zweifel auch zur An-
stellung von F. befugt ist. Aber auch wo diese Be-
fugnis gegeben ist, kann daraus selbstverständlich
ein subjektives Recht der F. auf Anstellung nicht
abgeleitet werden. Die durch die Erfüllung der
gesetzlichen Voraussetzung entstehende Fähigkeit
zur Anstellung im öffentlichen Dienst ist rechtlich
lediglich eine passive Qualifikation. Das gilt
vom Berufsamt sowohl wie vom Ehrenamt.
I. Die Frau im Staatsdienst.
Wann die F. die Fähigkeit zur Anstellung im
öffentlichen Dienst besitzt, dafür hat man versucht
eine allgemeine Regel abzuleiten (Ostrogorski
131 ff) aus dem Gedanken, daß die Fähigkeit,
Organträger des staatlichen Willens zu sein, nur
denjenigen Personen zustehen könne, die auch die
Fähigkeit haben (durch Wahl zur Volksvertretung)
an der Bildung des Staatswillens mitzuwirken,
daß also die F. überall da, wo sie kein Stimmrecht
haben, zu jedem Staatsdienst, der als Ausübung
von imperium oder jurisdictio erscheint, nicht
fähig sind. Diese Regel beruht auf einer politisch
vielleicht recht gesunden Empfindungslogik. Recht-
lich wird sich m. E. ein allgemeiner Grundsatz, der
über die Fähigkeit der F. zum öffentlichen Dienst
entscheidet, nicht nachweisen lassen. Es kann viel-
mehr immer nur darauf ankommen, ob das posi-
tive Recht für die einzelne Gattung von öffent-
lichem Dienst die Fähigkeit der F. mittelbar oder
unmittelbar ausgeschlossen hat. Regelmäßig ist
dies allerdings geschehen, insbesondere im höheren
Justiz= und Verwaltungsdienst schon dadurch, daß
die F. nicht zu den die Voraussetzung der An-
stellung bildenden Staatsprüfungen zugelassen
werden. Die wichtigsten staatlichen Stellungen,
zu denen F. zugelassen werden, sind diejenigen
als Lehrerin an staatlichen Studienanstalten,
Lyceen, Mädchenschulen und Gefängnissen, als
Oberin und Schwester an staatlichen Krankenan-
stalten, in der Gewerbeaufsicht I als Buchhalterin
als Gewerbeinspektorin oder als Hilfskraft, als
Polizeiassistentin oder Fürsorgedame im Dienste
der Sittenpolizei. In subalternen und niedern
Stellungen werden F. angestellt im Eisenbahn-
dienst im Fahrkartenausgabedienst, Telegraphen-
und Fernsprechdiens, Güterabsertigungsdienst,
Bureau-, Kanzleidienst und dergl., zum Schran-
kendienst als Frauen von Bahnbeamten; im Post-
und Telegraphendienst als Telegraphen= (beson=
ders Fernsprech-) und Postgehilfin, Markenver-
käuferin, Postagentin, Hilfspelleninhaberin (in
den beiden letzten Stellen im Reichspostdienst nur
subsidiär, wenn geeignete Männer nicht vorhan-
den sind) und dergl. )); im Justizdienst usw. als
Aufseherin und Oberaufseherin in Gefängnissen
und Strafanstalten.
Gesetzliche Bestimmungen über weibliche Be-
amte [Beamte #„ 3 am Ende, oben S 362.
II. Die Frau im Kommunal-
diensts). Für die Fähigkeit der F. zur Anstellung
im Berufsdienste der Gemeinde kommt der oben
aufgestellte Satz in Anwendung, daß im Zweifel
die für die Anstellung zuständige Instanz — so-
weit das Gesetz die Kommunalverwaltungen nicht
beschränkt hat — zur Anstellung von F. befugt ist.
Wie weit die Kommunalverwaltungen von dieser
tatsächlich recht beschränkten Befugnis Gebrauch
machen (z. B. Lehrerinnen, Schulärztinnen, Po-
lizeiassistentinnen, Berufsbeamte der Armen-
pflege, Wohnungsinspektion, Trinkerfürsorge und
dergl., Kanzleibeamtinnen usw.) ist nicht mehr
eine Frage des Rechts und gehört daher nicht in
diese Darstellung. Rechtlich bedeutungsvoll hin-
gegen ist die Frage nach der Fähigkeit der F. zur
Bekleidung kommunaler Ehrenämter. Sie ist
grundsätzlich nicht gewährt, doch werden sich bei
genauerer Betrachtung der Rechtslage Beson-
derheiten ergeben, die hier natürlich nur an-
gedeutet werden können. In welcher Weise die Ge-
meinde den hoheitlichen Willen, dessen Ausübung
ihr übertragen ist, zu bilden hat, bestimmt das
Gesetz. Diese Willensbildung geschieht in der
Gemeindegesetzgebung, bei der direkt oder indirekt
die vollberechtigten Gemeindebürger mitzuwirken
haben (indirekt auch die F., soweit ihnen ein
Stimmrecht zusteht, oben #§ 3 II). Sie geschieht
weiterhin in der Gemeindeverwaltung inner-
halb des durch staatliche und Gemeindegesetz-
gebung aufgestellten Rahmens. Die Organe der
Verwaltung sind daher im allgemeinen ebenfalls
durch das Gesetz bestimmt. Soweit diese Or-
gane in Ehrenämtern liegen, hat die Gesetzge-
bung in politisch konsequenter Durchführung
des Grundgedankens der Selbstverwaltung regel-
mäßig die Fähigkeit zur Bekleidung kommunaler
Aemter als die Fähigkeit zur Bildung und Aus-
übung hoheitlichen Willens auf die politisch be-
rechtigten Gemeindebürger beschränkt: die Fähig-
1) Ende 1910 überstieg die Zahl der im Reichspost= und
Telegraphendienst beschäftigten weiblichen Personen 20000;
darunter waren 5444 in etatsmäßigen Stellen. Seit 1906
bestehen bereits Vereine der Post= und Telegraphengehilfin-
nen oder „Beamtinnen, ebenso der Eisenbahnbeamtinnen;
über deren Ausdehnung val. Statistik der Frauenorganisa-
tionen im beutschen Reich 1909 S. 11°, 20, 40. 7!r
2) Mitte 1910 waren in mehr als 200 deutschen Städten
Frauen als Armen- und Waisenpflegerinnen tätig (nach dem
„Kommunalen Jahrbuch“ 1910 S. 702):
Armenpflege Waisenpflege
Orte Frauen Orte Frauen
in Preußen 120 2400 124 4200 (bes.geg.80)
„ Bayern 7 100 22 830
„ Sachsen 4 49 10 330
„ Württemberg 4 2 2 440
„ Baden 10 250 4 27 (besoldet 6)
. Hessen 5 60 3 154
Elsaß-Lothringen 517) 529 4 21 (besoldet 3)
(Herausgeber.)