Frau (Kommunaldienst)
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keit zur Bekleidung kommunaler Ehrenämter
erscheint geradezu als das Wesen der politischen
Vollberechtigung des Gemeindebürgers (z. B.
St O f. d. östl. Prov. § 5, LGO f. d. östl. Prov.
#640). Diese politische Vollberechtigung fehlt prin-
zipiell den F., auch wo ihnen das Stimmrecht
übertragen ist (anders z. B. LO f. Westfalen
5§ 17, 80). Die F. sind daher im allgemeinen von
der Fähigkeit zur Bekleidung von Ehrenämtern
im Bereiche der Selbstverwaltung im juristischen
Sinne ausgeschlossen und nur in besonders vor-
gesehenen Ausnahmefällen zugelassen. Nun be-
steht aber die politische Selbstverwaltung der Ge-
meinde nicht nur aus der Selbstverwaltung im
juristischen Sinne d. h. Ausübung überlassenen
staatlichen Imperiums, sondern sie hat einen weit
größeren Umfang, zu dem vor allem außer dem
von obrigkeitlicher Tätigkeit freien Teile der wirt-
schaftlichen Betätigung der Gemeinde ihre ge-
samte Wohlfahrtspflege gehört. Hier (vgl. unter d)
wird man die Zulassung der F. zu Ehrenämtern
allein der Gemeindegesetzgebung und, wo eine
solche nicht vorhanden ist, als dem freien Ermessen
der betreffenden Verwaltungsinstanzen überlassen
ansehen müssen [IX Ehrenamt; Fölsche, das Ehren-
amt 1911 101.
a) Eine allgemein geartete Teil-
nahme an der Gemeindever wal-
tung ist in Baden vorgesehen, indem den F.
in den Städten (§ 19a St O) und ähnlich in den
Landgemeinden die Fähigkeit verliehen ist zur
Mitgliedschaft in den für einzelne Verwaltungs-
zweige zur Unterstützung des Stadtrats zu bilden-
den Kommissionen für das Armenwesen, für Un-
terrichts= und Erziehungsangelegenheiten, für
das öffentliche Gesundheitswesen und für son-
stige Aufgaben, bei denen nach Art des Gegen-
standes die Mitwirkung von F. wünschenswert
erscheint. Bei der Reform der Städteordnung
ist neuerdings die Zuziehung von F. zu diesen
Kommissionen zu einer notwendigen gemacht
worden. IX Gemeindeorganisation, Baden.)
b) Schulverwaltung. Von vereinzel-
ten Ausnahmen abgesehen war bis 1906 eine Be-
teiligung der F. an der Schulverwaltung nicht
zugelassen. Erst seit diesem Jahre ist sie in einzel-
nen Staaten ermöglicht worden. In der Mehr-
zahl der Staaten fehlen jedoch noch gesetzliche Be-
stimmungen über die Zulassung von F. zu irgend
einem Zweige der Schulverwaltung. — In
Preußen ist durch das Schulunterhaltungs G
v. 28. 7. 06 (I§ 44, 45) die Zulassung von Lehrer-
innen zu den Schuldeputationen und die Zuzichung
von F. zu den Schulkommissionen gestattet. Ferner
können Lehrerinnen und F. auf Grund ortsstatu-
tarischer Regelung in die Kuratorien der städti-
schen höheren Mädchenschulen gewählt werden
(vgl. z. B. St O für die östl. Prov. § 59). — In
Bayern findet eine Beteiligung von F. an der
Schulverwaltung nicht weiter statt, als daß sie in
gewissem Umfange zu den Prüfungen der Kandi-
datinnen des Volksschuldienstes zugezogen wer-
den (Minntschl. v. 9. 12. 08) und in München
wissenschaftliche Lehrerinnen beratend an den
Sitzungen der Kreis= und Landesschulkommissio-
nen teilnehmen. — In Sachsen ist 1910 die
Wahl zweier wissenschaftlich gebildeter weiblicher
Gemeindemitglieder in die Schulkommission der
höheren Mädchenbildungsanstalten gestattet wor-
den. — In Württemberg können F. zu
Mitgliedern des Ortsschulrats gewählt werden
a) als ständige Lehrerinnen sieben= und mehr-
klassiger Schulen, b) als Vertreter der Schul-
gemeinde (Volksschul G v. 17. 8. 09 a 58—60).
Auch können F. in die für die höheren Mädchen-
schulen gebildeten Ortsschulräte (Mädchenschul-
räte) gewählt werden. — In Baden ist die
Möglichkeit einer Teilnahme der F. an der Schul-
verwaltung in den oben (lit. a) erwähnten städti-
schen Kommissionen gegeben. — In Sachsen-
Meiningen können die F. in den Schulvor-
stand gewählt werden (G v. 3. 1. 08 a 78), des-
gleichen in Oldenburg (G v. 4. 2. 10). —
In Hamburg können F. bei Mädchenschulen
zu dem für jede Volksschule zu bildenden Vor-
stand herangezogen werden (G v. 11. 11. 70 # 26).
— In Elsaß-Lothringen muüssen Leh-
rerinnen wie die Lehrer zu dem unter Vorsitz des
Bürgermeisters stehenden Ortsschulvorstand be-
rufen werden. Die ebenfalls hierzu zu berufenden
Einwohner können F. sein (G v. 24. 2. 08 1 2
Ziff. 2, Min Bfig v. 2. 3. 08 Ziff. 3).
c) Armenpflege: Gesetzliche Vorschriften
über die Zulässigkeit der Heranziehung der F
zur kommunalen Armenpflege sind nur in ein-
zelnen Bundesstaaten zu finden. Sie sind meist
in den Ausführungsgesetzen zum R# über den
Unterstützungswohnsitz und zwar regelmäßig nur
implizite enthalten, indem die Fähigkeit zur Teil-
nahme an der öffentlichen Armenpflege allen
Ortseinwohnern oder Gemeindeangehörigen zu-
gesprochen worden ist. So z. B. in Preußen (A#
v. 8. 3. 71 N 3 und Min E v. 10. 4. 71), wo die F.
auch Mitglieder der Armendeputation werden
können, in Anhalt (A# v. 24. 3. 10) und in Elsaß-
Lothringen (AG v. 8. 11. 09 § 3, § 7 Abs 1).
Eine ausdrückliche gesetzliche Zulassung der F. zur
Armenpflege ist nur in den Hansestädten ge-
schehen (Bremen G v. 25. 4. 00 5+ 17, Hamburg
Gv. 11. 9. 07 #511, Lübeck, Armen O #5). Für
Bayern sind in dem MinE v. 9. 8. 09 folgende
Rechtsgrundsätze ausgesprochen worden: „Nach
dem geltenden Rechte sind die Gemeinden und
Armenpfleger nicht gehindert, F. zur geordneten
Mitwirkung bei der öffentlichen Armenpflege
heranzuziehen. Insbesondere besteht die Möglich-
keit, je nach den örtlichen Verhältnissen für die
ganze Gemeinde oder einzelne Gemeindebezirke
Hilfsarmenpflegerinnen mit einem näher zu be-
stimmenden Wirkungskreise, zunächst ohne die
amtliche Eigenschaft . . . aufzustellen, und solche
auch zu den Sitzungen des Armenpflegschaftsrats
als Zuhörerinnen oder mit beratender Stimme
beizuziehen.“ Diese Grundsätze wird man überall
da anwenden können, wo zwar gesetzliche Vor-
schriften über die Zulässigkeit der Verwendung
der F. in der öffentlichen Armenpflege nicht be-
stehen, das Gesetz aber direkt oder indirekt den
Grundsatz enthält, daß nur Männer Armenämter
oder überhaupt kommunale Ehrenämter beklei-
den können, [ Armenwesen, oben S. 2121
d) Bei der Waisenpflege ist eine
Mitwirkung der F. in dreierlei Weise möglich:
1. als gerichtlich bestellte Vormünderin, Pflegerin,
Beistand. Diese Materie gehört ausschließlich dem
bürgerlichen Recht an. 2. Als Fürsorgerin
(z. B. Preußen G v. 2. 7. 00 511, Bayern G v.
10. 5. 02 a 7 Abs 3, Württemberg (Gv. 22. 12. 99