Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Agrargesetzgebung (Baden) 
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der landwirtschaftlichen Konsumgenossenschaften 
zur Erleichterung ihrer gemeinwirtschaftlichen Tä- 
tigkeit aus den in der staatlichen Schuldentilgungs- 
kasse angesammelten Geldern darlehnsweise nicht 
unerhebliche Mittel zu einem Zinsfuß, der wesent- 
lich unter dem landesüblichen bleibt, zur Verfü- 
gung gestellt wurden. Aus der reichen gesetzgebe- 
rischen Tätigkeit dieser letzten Periode sind be- 
sonders hervorzuheben: die Erlassung neuer Vor- 
schriften über die Feldbereinigung (1886, 1902), 
über den gewerbsmäßigen Handel mit Grund- 
stücken (1895), über die geschlossenen Hof- 
güter (1888 und 1898), über die Beschränkungen 
der Parzellenteilung (1900) und über die wasser- 
rechtlichen Verhältnisse (1899); die weitere Aus- 
gestaltung der gesetzlichen und Verordnungs- 
bestimmungen über die Körung der männ- 
lichen Zuchttiere und über die den Gemeinden 
zu ihrer Haltung obliegenden Pflichten (1880, 
1890, 1896 und 1897), über die Abwehr von 
Viehseuchen und das Abdeckereiwesen (1895, 
1899, 1900); die Erlassung einer Anzahl von 
landwirtschaftspolizeilichen 
kämpfung der flanzenkrankheiten; 
die gesetzliche Einführung einer auf der Beitritts- 
pflicht beruhenden Rindviehversicherung 
(1890) und die Erleichterung der freiwilligen 
Hagelversicherung durch reiche auf ge- 
setzlicher Grundlage gewährte Staatshilfe (1900); 
endlich die gesetzliche Ordnung der landwirtschaft- 
lichen Berufsvertretung durch Errich- 
tung einer Landwirtschaftskammer (1906). 
B. Das geltende Recht 
# 3. Recht der landwirtschaftlichen Besitz- 
verhältnisse. 1. Vermarkung, Ver- 
messung und Aufzeichnung der 
landwirtschaftlichen Grundstücke. 
Eine für die Sicherung der landwirtschaftlichen 
Besitzverhältnisse sehr wichtige Maßnahme ist die 
auf Grund der G v. 26. 3. 52 und 20. 4. 54 ein- 
geleitete und im Jahr 1908 nahezu vollständig 
zu Ende geführte Katasterverme ssung 
und die sich daran anschließende Instandhaltung 
des Vermessungswerks und der Lagerbücher. 
Nach diesen Gesetzen und den dazu erlassenen Voll- 
zugsverordnungen waren unter Leitung einer 
technischen Zentralmittelbehörde (seit 1877 der 
  
Oberdirektion des Wasser= und Straßenbaus) zu- 
nächst sämtliche Grenzen der Gemarkungen, Ge- 
wanne und Grundstücke an Ort und Stelle durch 
die Steinsetzer mittels amtlicher Marken zu be- 
zeichnen und sodann unter Einreihung in das fest- 
gestellte Dreiecknetz zu vermessen. Das Ergebnis 
der VBermessung war in den Gemarkungsplan 
und in die Verzeichnisse der einzelnen Grund- 
stücke (Güterverzeichnis) einzutragen; endlich war 
für jede Gemarkung ein Lagerbuch aufzustellen, 
das auf Grund der Vermessung in topographisch 
geordneter Nummernfolge sämtliche Grundstücke 
nach Lage, Flächeninhalt und Begrenzung be- 
schreibt. Während die Katastervermessung durch 
die Katastergeometer ausgeführt wurde, sind mit 
der Aufstellung der Lagerbücher und der Fort- 
führung der Vermessungsarbeiten besondere, der 
Oberdirektion dienstlich unterstellte Beamte, die 
Bezirksgeometer, betraut. Für die Interessen 
  
  
orschriften zur Be- 
  
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und Lagerbuch-Aufstellung namentlich insofern 
große Bedeutung, als dadurch den früher so häufi- 
gen Irrungen über Grenzen, Maß und Bestand 
der Grundstücke und den sich daran knüpfenden 
Streitigkeiten ein Ende gemacht und als im Lager- 
buch= und Grundstücksverzeichnis eine Grundlage 
geschaffen wurde, auf der ein den Realkredit si- 
cherndes Hypothekenwesen bei Einführung des 
Bo aufsgebaut werden konnte. Durch die 
Grundbuchsausf B v. 13. 12. 1900, deren 88 1—60 
an die Stelle der früheren Lagerbuch O v. 11. 9. 83 
getreten sind, ist dem Lagerbuch die Bedeutung 
des amtlichen Verzeichnisses beigelegt, nach wel- 
chem die Bezeichnung der Grundstücke in den 
Grundbüchern erfolgt. Gleichzeitig wurden die 
Vorschriften über die Fortführung und Erneuerung 
des Vermessungswerks durch V des Min Inn v. 
4. 5. 01 neu geordnet. 
2. Vorschriften über Teilung, Ver- 
erbung, Uebertragung des land- 
wirtschaftlichen Besitzes. a) Teil- 
barkeitin Parzellen. Die nach früherem 
Recht der Markgrasschaft Baden und andrer mit dem 
Großherzogtum vereinigter Gebietsteile in Kraft 
gewesenen Beschränkungen der Parzellenteilung 
waren mit der Einführung des Bad. Landrechts 
seit 1810 aufgehoben worden; die Erfahrung, daß 
die alsdann in manchen Landesteilen eingetretene 
weitgehende Zerstückelung des Grundbesitzes der 
zweckmäßigen Bodenbearbeitung nachteilig sei 
und den Reinertrag schmälere, führte zur Erlassung 
des Gv. 6. 4. 54, die gesetzliche Unteilbarkeit von 
Liegenschaften betr., dessen Bestimmungen mit 
den durch das neue B. R. bedingten Aenderungen 
nach Gv. 16. 8. 1900 in die a 25“ bis 25 des 
badischen A## z. BGB v. 17. 6. 99 und & 19 des 
A v. 19. 6. 99 zur Grundbuch O aufgenom- 
men worden sind. Hiernach ist es als verboten und 
nichtig erklärt, Reutfeld und Weiden in Stücke 
unter 360 a, Ackerfeld und Wiesen in Stücke unter 
9 a zu teilen, ausgenommen wenn dies zur Ver- 
einigung der unter dem Mindestmaß befindlichen 
Teilstücke mit andern Grundstücken geschieht oder 
wenn die Verwaltungsbehörde nach pflichtge- 
mäßem Ermessen im Einzelfalle Nachsicht erteilt. 
—b) Gemeinheitsteilungund Feld- 
bereinigung.: (. hierüber die beiden darauf 
bezüglichen Artikel. — c) Geschlossene 
Hofgüter und Anerbenrecht. Das 
namentlich in den gebirgigen Landesgegenden 
bestehende Gewohnheitsrecht, demzufolge bäuer- 
liche Anwesen unter Lebenden unteilbar waren. 
und von Todeswegen zu einer mäßigen Schätzung 
(dem „kindlichen Anschlag“) auf den durch Testa- 
ment oder Vereinbarung bestimmten Nachfolger 
und mangels solcher Bestimmungen auf den 
jüngsten Sohn oder die älteste noch unversorgte 
Tochter ungeteilt übergehen, ist bei der Einfüh- 
rung des im übrigen vom Grundsatz der Natural- 
teilung der hinterlassenen Güter ausgehenden 
badischen Landrechts durch ein landesherrliches 
Edikt v. 23. 3. 1808 aufrecht erhalten worden. Da 
es im Lauf der Zeit vielfach ungewiß geworden 
war, welche bäuerlichen Anwesen als „geschlossene" 
im Sinne dieser Vorschriften zu behandeln seien, 
wurde durch ein G v. 23. 5. 88 bestinmmt, daß die 
Unteilbarkeit nur für diejenigen eine zusammen- 
hängende Fläche bildenden landwirtschaftlichen 
der Landwirtschaft hatte die Katastervermessung Anwesen gelte, welche seit Erlassung des Edikts 
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch, 2. Aufl. I. 6
	        
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