Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Agrargesetzgebung (Baden) 
  
zwei Landwirten bestehenden Farrenschau- 
kommission fortlaufend zu überwachen. 
Auf Grund der bei Durchführung dieser Vor- 
schriften gemachten Erfahrungen wurde durch 
Gv. 20. 2. 90 für die Verwendung von Stieren 
zur Paarung mit Kühen, die nicht dem Stier- 
besitzer gehören, ähnlich wie bei der Pferdezucht 
eine Körpflicht eingeführt (der Freischein 
wird in der Regel von der Farrenschaukommission 
erteilt) und durch eine neue V v. 26. 3. 90 die 
Aufsicht über die Haltung der Zuchtstiere (Farren), 
auch der in Privatbesitz befindlichen, weiter aus- 
gestaltet, namentlich auch Fürsorge dafür getrof- 
feen, daß die einmal gewählte, den Verhältnissen 
der Gemeinde entsprechende Rasse des Zucht- 
stiers nicht unnötig gewechselt und daß im Falle 
der Verpachtung der Farrenhaltung die Zucht- 
interessen gegenüber den Privatvorteilen des 
Stierhalters gewahrt bleiben. Nachdem die Rind- 
viehzucht unter der Herrschaft dieser Vorschriften 
große Fortschritte gemacht hatte, ist über die Hal- 
tung der Zuchttiere ein zusammenfassendes, die 
seitherigen Erfahrungen ausnutzendes G v. 12. 
5. 96 mit V v. 29. 1. 97 und 4. 6. 98 erlassen 
worden. Insbesondere wurde zur Verhütung der 
Mißstände, die bei der nicht durch Selbstverwal- 
tung der Gemeinde ausgeübten Stierhal- 
tung aufgetreten waren, gesetzlich bestimmt, 
daß die dem Stierhalter zu gewährende Vergü- 
tung einen die gute Verpflegung des Stiers 
sichernden Betrag erreichen, die Stierhaltung nicht 
an den Wenigstnehmenden versteigert und dem 
Stierhalter, im Falle der Stier verkauft wird, 
ein Anspruch auf den Mehrerlös (Vorwachs) 
nicht eingeräumt werden darf. Ferner wurde in 
diesem Gesetz die Körpflicht auch auf die zur Zucht 
verwendeten Eber ausgedehnt und die schon 
im G v. 1837 vorgesehene Pflicht der Gemeinde 
zur Eberhaltung näher geregelt, so daß in der 
Regel auf je 30—40 weibliche Schweine ein 
Zuchteber zu halten ist. Endlich wurde das Mi- 
nisterium gesetzlich ermächtigt, für Gemeinden, in 
denen die Ziegenzucht von erheblicher Be- 
deutung ist, die Pflicht zur Bockhaltung (auf 60 
Ziegen ein Zuchtbock) einzuführen. Nach der 
Verordnung sind alljährlich die gekörten Farren, 
Eber und Böcke von der Farrenschankommission 
auf ihre Zuchttauglichkeit zu prüfen (Schau); 
sämtliche Kosten der Körungen und Schauen 
werden von der Staatskasse getragen. Durch 
diese Verwaltungsmaßnahmen, ferner durch die 
Bildung einer großen Zahl von Zuchtgenossen- 
schaften, die sich wieder für die Rindviehzucht in 
5 Verbänden zusammengeschlossen haben, durch 
Gewährung erheblicher Zuschüsse an die Genossen- 
schaften, durch Verwendung reichlicher Staats- 
mittel für die Prämiierung der den Zuchtzielen 
hervorragend entsprechenden Tiere, durch staat- 
liche Unterstützung der Viehweiden, durch Er- 
richtung staatlicher Stamm= und Aufzuchtstationen 
u. a. ist die Tierzucht des Landes in den letzten 
Jahrzehnten auf einen hohen Stand gebracht 
worden. Von besonderer Bedeutung war es 
dabei, daß die staatlichen Bezirkstier- 
ärzte, deren Vorbildung und Dienstverhält- 
nisse durch die V v. 17. u. 18. 5. 1900 geregelt 
worden sind, nicht bloß für die Abwehr und Un- 
terdrückung der Viehseuchen, sondern ganz be- 
sonders auch bei den auf die Förderung der Tier- 
  
haltung und Tierzucht abzielenden Maßnahmen 
begutachtend, leitend und beaufsichtigend mitzu- 
wirken haben. Außer den 57 etatmäßigen Be- 
zirkstierärzten sind noch drei aus diesem Berufe 
hervorgegangene Zuchtinspektoren speziell mit 
der Beratung der Zuchtgenossenschaften und ihrer 
Verbände betraut. 
c) Die Schafhaltung. Nachdem der 
Rechtsbestand der in einzelnen Landesteilen kraft 
alten Herkommens oder nach Gemeindebeschluß 
auf den landwirtschaftlichen Grundstücken der Ge- 
markung ausgeübten „gemeinen Schaf- 
weiden“" durch das G v. 31. 7. 48 über die 
Ablösung der Weiderechte, dessen a 42 solche nicht 
auf Dienstbarkeit beruhenden Gemeinweiden von 
der Zustimmung sämtlicher beteiligter Grund- 
besitzer abhängig machte, unsicher geworden war, 
wurden durch das G v. 17. 4. 84 und die V v. 
30. 6. 84 im Interesse der Schafhaltung und der 
Gemeindefinanzen die Rechtsverhältnisse dieser 
gemeinen Weiden neu geregelt. Auch ohne die 
ausdrückliche Zustimmung sämtlicher Beteiligten 
kann hiernach mit Genehmigung des Staatsmini- 
steriums für die landwirtschaftlichen Grundstücke 
einer Gemarkung oder für einen zusammenhängen- 
den Teil derselben eine gemeine Schafweide ein- 
geführt werden, wenn sie nach den örtlichen Ver- 
hältnissen einen erheblichen landwirtschaftlichen 
Nutzen bietet und mindestens 34 der beteiligten 
Grundeigentümer, nach der Kopfzahl und nach 
Steuerkapital der Grundstücke berechnet, zustimmt. 
Gewisse Grundstücke, für die eine solche Bewei- 
dung überwiegend nachteilig wäre, sind von der 
gemeinen Weide ausgeschlossen; auch darf auf den 
einbezogenen Grundstücken die landwirtschaftliche 
Benutzung, z. B. hinsichtlich der Fruchtfolge, des 
Anbaues der Brache, der Erntezeit, durch die 
Weide nicht beschränkt werden. Sie soll nicht auf 
länger als 9 Jahre beschlossen werden; ihre Aus- 
übung ist durch eine orts-- oder bezirkspolizciliche 
Weideordnung zu regeln. Die Erträgnisse fließen, 
mangels anderweiten Beschlusses, in die Ge- 
meindekasse. 
2. Verhütung und Bekämpfung 
der Viehseuchen (l Viehseuchen fj. 
Das Verwaltungsrecht der Viehseuchen ist im 
wesentlichen durch reichsgesetzliche Be- 
stimmungen, insbesondere das Viehseuchen G v. 
23. 6. 80 und 1. 5. 94 und das für die Viehbeför- 
derungen auf Eisenbahnen maßgebende Gv. 
25. 2. 76, geregelt. Zum Reichsviehseuchengesetz 
ist die ausführliche badische V v. 19. 12. 95 er- 
lassen worden, die eine Reihe ergänzender 
Vorschriften enthält, namentlich über die 
im Falle der Seuchengefahr zur Kontrolle des 
Viehverkehrs zu treffenden Anordnungen, wie 
die bei der Beförderung von Schaf= und Schweine- 
herden und bei der durch Viehhändler in ihrem 
Gewerbebetrieb erfolgenden Verbringung von 
Rindvieh aus einer Gemarkung in die andere 
erforderlichen tierärztlichen Gesundheitszeugnisse, 
die fünftägige Quarantäne bezüglich der zum 
Zwecke des Verkaufs aufgestellten Rindviehstücke 
und Schweine, sowie die tierärztliche Ueberwa- 
chung des Viehmarktverkehrs. Auch sind durch 
die Landes V v. 21. 6. 95, 29. 7. 98 und 28. 5. 03 
besondere Vorschriften über die Bekämpfung der 
Schweineseuche, der Schweinepest, des Rotlaufs 
der Schweine, der Geflügelcholera und der Hüh-
	        
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