Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Agrargesetzgebung (Baden) 85 
  
nerpest erlassen worden. Der beim Handel kommt, nur dann, wenn die Tiere in den letzten 
mit 
besonders zu besorgenden Seuchenverbreitung 
wird dadurch entgegengetreten, daß auf Grund 
des 1 56 b GewO während des Auftretens be- 
stimmter ansteckender Krankheiten der Hausier- 
handel mit Klauenvieh für bestimmte Zeit und 
mit Schweinen und Geflügel auf die Dauer durch 
Min V untersagt wird. Auch ist insbesondere zur 
Bekämpfung der Seuchengefahr und zum Zwecke 
der raschen Ermittelung der Aufenthaltsorte seu- 
chenverdächtiger Tiere durch V v. 22. 5. 02 auf 
Grund der § 35, 38 GewO den mit Pferden 
oder Rindvieh gewerbsmäßighandeln- 
den Personen die Pflicht auferlegt, ihre 
Erwerbs= und Veräußerungsgeschäfte unter ge- 
nauer Bezeichnung der einzelnen Tiere sofort in 
ein den Polizeibehörden zur Einsichtnahme offen 
stehendes Verzeichnis einzutragen. — Für die 
Durchführung der seuchenpolizeilichen Vorschrif- 
ten, namentlich für die rechtzeitige Erfüllung der 
den Besitzern erkrankter Tiere obliegenden An- 
zeigepflicht ist es von besonderer Bedeutung, daß 
für die nach erfolgter Anzeige umgestandenen 
oder getöteten Tiere den Besitzern eine Ent- 
schädigung gewährt wird. Zum Vollzug 
der über diese Entschädigungen in dem Reichs- 
seuchen G v. 23. 6. 80 enthaltenen Bestimmungen 
ist unter Aufhebung der früher ergangenen Aus- 
führungsvorschriften das Landes G v. 13. 3. 94 
erlassen worden, das die Voraussetzungen, unter 
denen eine Entschädigung zu gewähren ist, über 
das reichsgesetzliche Maß hinaus erweitert hat. 
Hiernach wird aus der Staatskasse eine Entschädi- 
gung nicht bloß dann gewährt, wenn auf Grund 
der reichsgesetzlichen Vorschriften aus Anlaß der 
Seuche ein Tier auf polizeiliche Anordnung ge- 
tötet oder nach der Anordnung der Tötung an der 
Seuche gefallen ist, sondern auch ohne solche vor- 
ausgegangene Anordnungen dann, wenn mit 
Milzbrand oder Rauschbrand behaftete Rindvieh- 
stücke, Pferde, Esel, Maulesel und Maultiere an 
dieser Seuche gefallen oder auf Anordnung des 
Besitzers, ohne daß er die Seuche als Milzbrand 
  
oder Rotlauf erkannte, getötet worden sind. Als 
Entschädigung wird im allgemeinen der gemeine 
Wert des Tieres ohne Rücksicht auf den durch die 
Seuche herbeigeführten Minderwert, bei den mit 
Milzbrand, Rauschbrand oder Tollwut behafteten 
Tieren des Rindvieh= oder Pferdegeschlechts aber 
nur ½ des Werts ersetzt. Der Entschädigungs- 
aufwand, den die Staatskasse bei Tieren des 
Pferdegeschlechts für Milzbrand, Rauschbrand, 
Rotz oder Tollwut, beim Rindvieh für Milzbrand, 
Rauschbrand, Lungenseuche oder Tollwut zu ma- 
chen hat, ist durch Beiträge der Besitzer 
einerseits der Pferde, anderseits des Rindviehs 
zu ersetzen. — Zur Verhütung und Bekämpfung 
ewisser Tierseuchen (insbesondere Rauschbrand, 
otlauf der Schweine, Rotz) hat sich neuerdings 
die Anwendung gewisser Impfstoffe als wirksam 
erwiesen; mit der Prüfung, Herstellung und Ab- 
gabe dieser Impfstoffe ist das seit 1893 in Freiburg 
errichtete tterh ygienische Institut be- 
traut. Um die Beteiligten zu den erfahrungs- 
gemäß beim Rauschbrand besonders erfolgreichen 
Schutzimpfungen zu veranlassen, ist in § 8 des 
Gv. 13. 3. 94 bestimmt, daß für Rindviehstücke 
in Gemeinden, in denen diese Seuche häufig vor- 
  
Tieren im umherziehen ganz 12 Monaten durch einen beamteten Tierarzt der 
Schutzimpfung unterworfen worden sind, 
im Falle der Tötung oder des Verendens an 
Rauschbrand die volle Entschädigung, sonst nur 
29 des gemeinen Werts gewährt werde. — Den 
Gefahren, die sich hinsichtlich der Seuchenver- 
breitung aus der Handhabung der Bestimmungen 
der V v. 17. 8. 65 über die Beseitigung gefallener 
und auf polizeiliche Anordnung getöteter Tiere, 
insbesondere aus der Freigebung des Bestattungs- 
platzes, ergaben, wurden durch das G v. 3. 6. 99 
über das Abdeckereiwesen entgegenge- 
treten. Darnach sind die Besitzer von Tierkadavern 
verpflichtet, sie an eine den polizeilichen Anfor- 
derungen entsprechende Abdeckerei zu überweisen. 
Die Gemeinden eines Amtsbezirks haben eine 
dem Bedürfnis entsprechende Anzahl von Ab- 
deckereien zu errichten und bilden zu diesem 
Zweck einen oder mehrere körperschaftlich organi- 
sierte Verbände. Auch kann mit Ministerial-Ge- 
nehmigung durch einen körperschaftlichen Ver- 
band der Gemeinden größerer Landesteile eine 
Anstalt zur Vernichtung und Verwertung der 
Kadaver errichtet werden, wenn zwei Drittel der 
Gemeinden, die zusammen mehr als die Hälfte 
der Kosten aufbringen, dem Vorhaben durch die 
Gemeinderäte zustimmen. Im Gesetze ist die 
Gewährung von Vorschüssen und Unterstützungen 
für solche Verbände aus der Staatskasse vorge- 
sehen (JAbdeckere i-l. 
6# 6. Landwirtschaftliches Bersicherungswesen. 
Eine Art Zwangsversicherung gegen Viehverluste 
ist schon durch die oben erwähnte bei der Tötung 
und dem Verenden durch Seuchen aus der Staats- 
kasse zu gewährende und auf sämtliche Tierbesitzer 
umzulegende Entschädigung eingeführt. Im übri- 
gen ist es der freien Entschließung der Landwirte 
überlassen, sich bei den zugelassenen Anstalten und 
Gesellschaften gegen die ihren Gebäuden, Fahr- 
nissen, Tieren und pflanzlichen Erzeugnissen 
drohenden Schäden zu versichern. Doch bestehen 
landesgesetzlich dreierlei von diesem Grundsatz 
abweichende Einrichtungen. 
1. Feuerversicherung der Ge- 
bäude. Wie alle sonstigen Gebäude, so sind 
auch die für landwirtschaftliche Zwecke dienenden 
Gebäude, deren Wert mindestens 100 M. beträgt, 
kraft öffentlichen Rechts und unter Ausschluß von 
Privatversicherungsunternehmen nach G v. 29. 
3. 52, geändert durch Gv. 3. 8. 02 bei der staat- 
lichen Gebäudeversicherungsanstalt, einer öffent- 
lichen Körperschaft, gegen Feuerschaden 
zu versichern, und zwar nach dem für die Land- 
wirte besonders günstigen Fürsorgegrundsatz, daß 
die Versicherungsbeiträge ohne Rücksicht auf die 
Höhe der Feuersgefährlichkeit lediglich nach dem 
Gebäudewert umgelegt werden. 
2. Rindviehversicherung. Durch G 
v. 26. 6. 90, geändert am 12. 7. 98 und 22. 7. 04, 
ist die Möglichkeit gegeben, für die einzelnen Ge- 
meinden eine Zwangsversicherung des Rindviehs 
einzuführen. Das Nähere [(I Viehversiche- 
rungl. 
3. Hagelver sicherung. Für die Ber- 
sicherung der Feldfrüchte gegen Hagelschaden ist 
weder der Versicherungszwang eingeführt noch 
von Staats wegen eine Versicherungsanstalt er- 
richtet LU Hagelversicherungll.
	        
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