Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Württemberg — Baden 89 
  
gemeindeversammlung) zu. In jeder TeilGem, 
welche nicht Sitz des Ortsvorstehers ist, muß ein 
Teilgemeindevorsteher — Anwalt — aufgestellt 
werden. Die näheren Verhältnisse der zusammen- 
gesetzten Gem und der TeilGem sind in einer von 
der Kreisregierung zu genehmigenden Satzung 
zu regeln. Die zusammengesetzten Gem, welche 
die Gem Verwaltung mannigfach verwickeln, sind 
häufig; nach dem Stand von 1911 gibt es bei 
1905 Gem 605 zusammengesetzte Gem mit 2623 
Teil Gem. 
Literatur; Michel, Gemeinde= und Bezirks- 
ordnung, 1909; v. 65z, Staatsrecht des Kgr. Württem- 
berg, 1908 S 271 ff; Bazille, Gem Angehörigkeitsgesetz 
1910; Springer, Berfassungs= und Verw Organisation 
der Städte (Schriften des Bereins für Sozlalpolitik Bd. 120 
2. Heft, Württemberg) 1905. 
Zeitschriften: Württ. Gemeindezeitung; Boschers Zeit- 
schrift für freiwillige Gerichtsbarkeit und Gemeindeverwal- 
lung; Württ. Zeitschrift für Rechispflege und Verwaltung. 
Oofsatder. 
E. Baden 
#5ö 1. Borbemerkung. 1 2. Arten, Zusammensetzung und 
Berufung der Gemeindeorgane. 1 3. Zuständigkeit der un- 
mittelbaren Organe und Berhältnis zu einander. 3 4. Rechts- 
stellung der mittelbaren Gemeindeorgane. 1 5. Disziplinar- 
gewalt über die Gemeindeorgane. 
5 1. Borbemerkung. Die rechtliche Grundlage 
der heutigen Gem Organisation in Baden bilden 
die aus der alten GemO v. 31. 12. 31 hervor- 
gegangenen und nunmehr als zwei selbständige 
Gesetze behandelten Gem Ordnung und Städte- 
ordnung, die beide zu wiederholten Malen, zu- 
letzt durch die Novelle v. 19. 11. 06 und 26. 9. 10 
einer umfassenden Revision unterzogen wur- 
den; die Gem Ordnung findet eine gewisse Er- 
gänzung durch das ebenfalls unterm 31. 12. 31 
erlassene Bürgerrechtsgesetz. Die St erstreckt sich 
kraft Gesetzes auf die Städte Karlsruhe, Mann- 
heim, Freiburg, Pforzheim, Heidelberg, Baden 
und Konstanz; andere Städte mit mehr als 3000 
Einwohnern können sich der St O freiwillig unter- 
stellen (Gv. 24. 6. 74 à 3) (dies haben die Städte 
Bruchsal, Lahr und Offenburg getan). Trotz 
der sormellen Verschiedenheit der Gesetzesgrund- 
lage zeigen alle Gem doch in materieller Hinsicht 
heute wieder wie im Jahre 1831 im wesentlichen 
einen einheitlichen Charakter, nur ist an die Stelle 
der in der alten Gem Ordnung angenommenen 
geschlossenen Bürger Gem, soweit es sich um die 
Geltendmachung politischer Rechte handelt, die 
Einwohner Gem getreten. In den St Otädten 
ist die alte Ortsbürgergemeinschaft vollständig 
aufgehoben, alle in der Gem aktiv berechtigten 
Mitglieder werden hier unter der Bezeichnung 
„Stadtbürger“ zusammengefaßt. In den übrigen 
Gem besteht der Kreis der Ortsbürger als beson- 
dere Gemeinschaft mit gewissen Aufenthalts- und 
wirtschaftlichen Berechtigungen (Allmendnutzung 
u. a.) noch weiter, daneben erscheinen aber hier 
und zwar seit der Novelle v. 11. 7. 96 in sämtlichen 
Gem, auch alle diejenigen Personen als aktivberech- 
tigt, welche die für die Erlangung des Stadt- 
  
derungen erfüllen, die sogen. wahlberechtigten 
Einwohner (GemO 5 10). Wegen des Inhaltes. 
dieser Anforderungen im einzelnen vgl. den Art 
Gemeindemitgliedschaft; hier sei nur nochmals. 
darauf hingewiesen, daß zur Erlangung der poli- 
tischen Rechte in der Gem zwar keine Geldleistung 
verlangt wird, aber Zurücklegung des 25. Lebens- 
jahres, zweijähriger Aufenthalt in selbständiger 
Lebensstellung, Verpflichtung zur Zahlung einer 
Umlage in den Gem, in denen solche erhoben wer- 
den und Erfüllung der der Gem gegenüber be- 
stehenden Abgabenverpflichtungen. Der Erwerb 
des badischen Staatsbürgerrechts wird für Reichs- 
angehörige nicht gefordert (Gem O #10, St O # 7). 
§ 2. Arten, Zusammensetzung und Berufung 
der Gemeindeorgane. Als unmittelbare 
Organe, deren Träger ihre Stellung nicht aus der 
Amtsgewalt eines anderen Organes, sondern 
allein aus der Gemeindeverfassung ableiten, be- 
sitzen die badischen Gem den Gemeinderat 
(in den St OStädten „Stadtrat“ genannt), den 
Bürgermeeister (in den StOtädten als. 
„Oberbürgermeister“ bezeichnet) und den Bür- 
gerausschuß, an dessen Stelle in Gem mit 
weniger als 500 Einwohnern die aus den Gem- 
Bürgern und wahlberechtigten Einwohnern ge- 
bildete Gemeindeversammlung tritt. 
In den nicht der St O unterstellten Gem wird der 
Bürgerausschuß auch in größeren Orten, wenn 
es sich um Fragen des Bürgernutzens oder um 
Gemeinheitsteilungen handelt, durch die Ver- 
sammlung der stimmfähigen Gemeindebür- 
ger vertreten (Gem O ##8, 9, 39, 57, St O 5 W 15, 
16 und 57). 
Als mittelbare Gemprgane kennen die 
badischen Gesetze die tändigen Kommis- 
sionen, die zur Unterstützung des Gemeinde- 
(Stadt--)Rates in einzelnen Verw Zweigen dienen, 
und die berufsmäßig tätigen Beamten im 
eigentlichen Sinne. Die Einrichtung 
ständiger Kommissionen ist nach der St O in weit- 
gehendem Umfange zugelassen und für gewisse 
Fälle (für die Verwaltung des Volksschul-, des 
Armenwesens, der öffentlichen Gesundheitspflege 
und zur Ueberwachung des Kassen= und Rech- 
nungswesens) gesetzlich vorgeschrieben; in den 
übrigen Gem ist deren Bildung gestattet, wenn 
die Gem mindestens 2000 Einwohner zählt 
(Gem O 128; StO s 27 und 28). Die Beomten 
im eigentlichen Sinne werden nnterschieden in 
„Gemeindebeamte“ und „Gemeindebedienstete", 
die in der St O beide wieder unter der Bezeich- 
nung der „städtischen"“ Beamten zusammengesaßt 
werden. Notwendige Beamte sind der Ratschrei- 
ber und der Gemeinde-(Stadt-Rechner. 
2. Der Gemeinderat besteht außer dem 
Bürgermeister aus 3 bis 18 Mitgliedern, deren 
Zahl durch Gem Beschluß mit Staatsgenehmigung 
festgesetzt wird; der Stadtrat wird zusammen- 
gesetzt aus dem Oberbürgermeister, einem oder 
mehreren Bürgermeistern (Beigeordneten) und 
der durch das Ortsstatut bestimmten Zahl von 
Stadträten. In den Städten, die sich freiwillig 
der St O unterworfen haben, kann von der Wahl 
von Bürgermeistern Umgang genommen, anderer- 
seits kann in Gemeinden von mehr als 4000 Ein- 
wohnern neben dem Bürgermeister noch ein zwei- 
ter Bürgermeister berufen werden (§§ 14, 15, 24 
bürgerrechts in der St O vorausgesetzten Ansor-= GemO; # 17, 13 St O und a 3 des Gv. 24. 6. 74).
	        
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