Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Baden 
ner; in beiden Arten von Gem nach einem durch 
die Höhe der direkten GemSteuerleistung be- 
stimmten Dreiklassensystem und in geheimer Wahl. 
Seit dem Inkrafttreten der Novelle vom 26. 9. 10 
umfaßt in allen Gem die erste Klasse das die höch- 
sten Steuern bezahlende Sechstel, die zweite die 
nächsten beiden und die dritte die übrigen drei 
Sechstel. Jede Klasse wählt ein Drittel der zu 
berusenden Mitglieder, ohne bei der Wahl an die 
Mitglieder der eigenen Klasse gebunden zu sein. 
Bahlkreise werden nicht gebildet. Die Wahl er- 
folgt auf 6 Jahre mit hälftiger Erneuerung alle 
drei Jahre, und zwar in allen Gem mit mindestens 
2000 Einwohnern nach den Grundsätzen der 
Verhältniswahl mittels gebundener Li- 
ssen (Abänderungen der Listen machen einen 
Stimmzettel ungültig). Die Entscheidung über 
die Gültigkeit angefochtener Wahlen liegt allein 
in der Hand der Staatsbehörden (GemO u. StO 
Im 43 ff; Gem WahlO V v. 27. 2. 11). Die Mit- 
glieder der ständigen Kommissionen werden, ab- 
gesehen von dem einen in die Kommission für das 
Kassen= und Rechnungswesen in den St O Städten 
zu berufenden Stadtverordneten sämtlich von dem 
Gemeinde--(Stadtrat) ernannt. Die Berufung aller 
Gemeindebeamten und Gemeindebediensteten mit 
Ausnahme des Gemechners, den auf Vorschlag 
des Gemeinde-(Stadt-)Rates der Bürgerausschuß 
oder die Gem Versammlung zu ernennen hat, ist 
Sachen des Gemeinde-(Stadt-)Rates. (GemO 
##18, 19, 58, 162; St O-5 27, 34, 136). Die Gem- 
Vertretung hat nur dann mitzusprechen, wenn ein 
Beamter auf länger als 12 Jahre angestellt werden 
soll (Gem O #62; StO #s 60) oder wenn ein Beam- 
ter an Stelle des Oberbürgermeisters oder Bürger- 
meisters als GemRichter oder Schiedsmann ange- 
stellt werden soll (G v. 21. 7. 08 a I und II). 
#3. Zuständigkeit der unmittelbaren Organe 
und Verhältnis zu einander. 
1. Im Mittelpunkte des Gem Lebens steht der 
Gemeindce= oder Stadtrat, der als 
Gem Vorstand über alle Angelegenheiten der Gem 
beratschlagt und beschließt; „ihm ist die Verwaltung 
der Gem anvertraut“; für seine Zuständigkeit 
spricht die Vermutung, auch was die V.rteetung 
der Gem nach außen angeht. Er verwaltet das 
Gem Vermögen, entscheidet in den nicht der StO 
unterstellten Gem über die Bürgeraufnahmen und 
den Antritt des Bürgerrechts, er verwaltet ins- 
besondere das örtliche Schulvermögen und führt 
die Aufsicht über die Volksschulen, soweit für diese 
Ausgabe nicht durch das Schul G v. 10. 7. 10 be- 
sondere Behörden bestellt sind, er verwaltet end- 
lich die örtliche Armenpflege. Bei den in das letzte 
Gebiet einschlagenden Beschlüssen haben jedoch, 
wo nicht eine besondere Armenkommission cinge- 
richtet ist, die Ortspfarrer, der Armenarzt und 
eventuell der Bezirksarzt sowie der staatliche Poli- 
zeibeamte im Gemat Sitz und Stimme (GemO 
*58; St O # 28). Ebenso hat in den nicht der StO 
unterstehenden Gem, wenn es sich um wichtigere, 
besonders für die Bemessung der Umlage bedeu- 
tungsvolle Beschlüsse handelt, jeder Steuerpflich- 
tige, der mindestens den fünften Teil des umlage- 
pflichtigen Gem Steuerkapitals besitzt, das eventuell 
durch Stellvertreter auszuübende Recht an der Be- 
schlußfassung teilzunehmen (Gem- O 8. 113, 114). 
2. Der Bürgermeister oder Oberbürger- 
meister ist zunächst nur der Vorsitzende des Gem- 
  
1 
1 
91 
vorstandes, der sich ebenso wie der Bürgeraus- 
schuß nur auf seinen Ruf versammeln kann, und 
innerhalb dessen er als primus inter pares, wenn, 
seine Stimme miteingerechnet, Stimmengleich- 
heit entsteht, den Ausschlag gibt. Er hat die Be- 
schlüsse des Stadtrates vorzubereiten und zu voll- 
ziehen; ein Recht zur Boeanstandung derselben 
kommt ihm nicht zu; wohl aber kann er im Falle 
einer Meinungsverschiedenheit die Ansicht des 
Bürgerausschusses einholen (GemO u. StO 
#§ 54, 52). Außerdem ist dem Bürgermeister oder 
Oberbürgermeister für seine Person allein eine 
Reihe von Zuständigkeiten zugewiesen; er sorgt 
für die Verkündung der staatlichen Gesetze; er ver- 
mittelt den Verkehr der Gem mit den Staatsbe- 
hörden und mit dritten Personen; er führt die 
Aufsicht über das Gem Vermögen und leitet dessen 
Verwaltung wie die öffentlichen Arbeiten der 
Gemz; er ist jederzeit befugt, den Sitzungen der 
ständigen Kommissionen anzuwohnen und kann 
in denselben vorübergehend den Vorsitz überneh- 
men; er ist befugt, gegen Gem Bedienstete und 
städtische Beamte Ordnungsstrafen bis zu 30 (40) 
Mark auszusprechen; er ist Standesbeamter, 
Gemichter (Gewerberichter) und Schiedsmann, 
ist in gewissem Umfange zur Vornahme von Be- 
glaubigungen befugt und führt die Ortspolizei, 
soweit diese nicht von einer in der Gem errichteten 
staatlichen Polizeistelle verwaltet wird (GemO 
§&l 28, 57, 67; StO 55 27, 55, 67; R v. 6. 2. 75, 
Gv. 3. 3. 79, 16. 4. 86 bezw. 21. 7.08; Gew##e## 
#76; RPolE# # 42) [U Polizeibehörden . 
3. Die Zuständigkeit der Gemeindever- 
tretung, des Bürgerausschusses oder der Gem- 
versammlung erstreckt sich immer nur auf einzelne 
im Gesetze genau bestimmte Fälle. Die Gem Ver- 
tretung hat wie bereits erwähnt, unter gewissen 
Voraussetzungen als Wahlkörper tätig zu werden, 
sie hat bei allen Akten der Gem Autonomie, ebenso 
bei wichtigeren Handlungen besonders auf dem 
Gebiete der Finanzverwaltung mitzuwirken, und 
sie ist endlich dazu berufen, wenn Ursachen vor- 
liegen, welche „die Dienstführung der Gem Ver- 
waltung sehr erschweren oder vereiteln“, gegen 
den Gem Vorstand oder einzelne seiner Mitglieder 
als Ankläger aufzutreten (GemO ##8 36, 56 Ziff. 3, 
62, 115, 149, 156 ff; StO g8 40, 51 Ziff. 3, 60, 
111, 123, 130 ff). Ueber die Verw Führung im 
einzelnen kommt der Gem Vertretung ein Kon- 
trollrecht nur insoweit zu, als es sich um die Durch- 
führung der mit ihrer Zustimmung gefaßten Be- 
schlüsse handelt. Dies Kontrollrecht ist besonders 
in den St OStädten näher ausgebildet; hier sind 
auch bei Erteilung des Rechnungsbescheides dic 
Stadtverordneten allein zur Abstimmung be- 
rufen (StO §§ 61, 142). In den nicht der StO 
unterstellten Gem sind bei der Beschlußfassung 
über die wichtigeren, finanziellen Angelegen- 
heiten auch die im Gem Rat stimmberechtigten 
Höchstbesteuerten beizuziehen; ferner sind, wenn 
eine Umlage beschlossen werden soll, zu der Bera- 
tung des Gem Voranschlags die Verwalter des 
Domänenfiskus, der Standes= und Grundherren 
sowie der über einen oder mehrere Bezirke sich 
erstreckenden Stiftungen und diejenigen, die ein 
bestimmtes zu bestenerndes Vermögen oder Ein- 
kommen besitzen, (100 000 Mk.) miteinzuladen, um 
etwaige Einwendungen vortragen zu können 
(Is 113, 114 Gemp). 
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.