98 Gemeinde (III. Organisation)
Beigeordneten, die beide vom Staat ernannt
werden; die großen Gem haben Vorschlagsrecht;
kann auch dem zweiten Vorschlag nicht stattge-
geben werden, so kann das Ministerium die einst-
weilige Verwaltung der Stelle durch einen von ihm
zu ernennenden Beamten anordnen (6# 9—11).
Bürgermeister und Beigeordnete müssen minde-
stens 25 Jahre alt sein und die bürgerlichen Ehren-
rechte besitzen; weitere Erfordernisse sind nicht ge-
stellt. Jedoch bestehen sogenannte Inkompati-
bilitäten: Bürgermeister (Beigeordneter) dürfen
gleichzeitig gewisse Aemter nicht bekleiden (5§ 12).
Sie können nicht Beamte und Mitglieder der Gem-
Aufsichtsbehörden, Gem Beamte, Mitglieder der
ordentlichen Gerichte und der Staatsanwaltschaft
mit Ausnahme der Handelsrichter, Beamte der
Forstverwaltung und Rentmeister, Beamte der
Reichseisenbahnverwaltung, Religionsdiener, Leh-
rer an öffentlichen Elementarschulen, Pol Beamte
und Gendarmen sein. Endlich können Vater und
Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, Brü-
der nicht gleichzeitig Bürgermeister und Beige-
ordnete sein. Die Ernennung erfolgt in großen
Gemeinden durch Kaiserliche vom Statthalter zu
vollziehende Verordnung, in kleinen Gemeinden
durch den Bezirkspräsidenten auf die Dauer von
sechs Jahren; besoldete Bürgermeister (Beigeord-
nete) können auch auf längere Zeit ernannt wer-
den. Ihr Dienstverhältnis ist in Anlehnung an
das staatliche Beamtenrecht geregelt. Vor Ueber-
nahme des Amtes müssen sie, sofern sie nicht be-
reits als Beamte oder Mitglieder einer politischen
Körperschaft vereidigt sind, den Eid leisten: „Ich
schwöre Gehorsam der Verfassung und Treue dem
Kaiser“ (F 13). Die besoldeten Bürgermeister und
Beigeordneten dürfen kein Nebenamt oderkkeine
Nebenbeschäftigung, mit der eine fortlaufende
Vergütung verbunden ist, übernehmen, ein Ge-
werbe betreiben, in den Vorstand, Verwaltungs-
oder Aufsichtsrat einer auf Erwerb gerichteten
Gesellschaft eintreten, ohne die Genehmigung der
Aufsichtsbehörde zu haben (&3 22). Die disziplina-
rischen Folgen von Pflichtverletzungen bestehen
nur in Dienstenthebung und -Entlassung; Ord-
nungsstrafen können nicht verhängt werden. Die
Dienstenthebung mit Innebehaltung der Hälfte
des Diensteinkommens erfolgt durch den Bezirks-
präsidenten, die Dienstentlassung der Bürger-
meister (Beigeordneter) großer Gem durch Kai-
serliche vom Statthalter zu vollziehende Verord-
nung, kleiner Gem durch die Ernennungsbe-
hörde (§ 23).
Der Bürgermeister — ihm steht in ieder Be-
ziehung der Beigeordnete gleich — bekleidet eine
Doppelstellung: er ist Organ der allgemeinen
Landesverwaltung und hat als solcher zahlreiche
und wichtige Befugnisse, und er ist Organ
der Gemeinde als Selbstverwaltungskör-
per. In der letzteren Eigenschaft führt er die Ver-
waltung der Gem Angelegenheiten selbständig, so-
weit hierbei der Gemeinderat nicht mitzuwirken
hat. Allerdings ist für die wichtigsten Angelegen-
heiten dem Gemeinderat die Mitwirkung zuge-
sichert; in diesen Fällen muß er ausführen, was
der Gemeinderat beschlossen hat, vorausgesetzt,
daß er seine Zuständigkeit nicht überschreitet (&5 17).
Im einzelnen ist zu erwähnen, daß er den Ge-
meinderat zu Sitzungen einzuberufen, seine Sitzun-
gen zu leiten und seine Beschlüsse auszuführen
hat (s§ 47, 50); er vertritt die Gemeinde im or-
dentlichen und Verw Streitverfahren; er leitet die
öffentlichen Versteigerungen der Gem (7* 21).
Als Organ der Landesverwaltung
liegt ihm namentlich die örtliche Pol Berwaltung
ob (§F 16). In Straßburg, Metz und Mühlhau-
sen sind ein Teil seiner Pol Befugnisse einer staat-
lichen Pol Behörde (Pol Präsident, Direktor) über-
tragen. Als Polizeibeamter erläßt der Bürger-
meister Pol Verordnungen und Pol Verfügungen
mit Strafandrohungen aus dem delegierenden
Gesetze oder mit der allgemeinen Strafandrohung
aus dem Code Pénal a 471 Ziff. 15 (Strafe:
80 Pfennig bis 4 Mark).
# 3. Gemeindebeamte. Die Gem hat keine
Begriffsbestimmung der Gem Beamten gegeben,
es kann jedoch keinem Zweifel unterliegen, daß
alle Personen Gem Beamte sind, die auf Grund
eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zur
Führung eines bestimmten Kreises von Gem Ge-
schäften verpflichtet sind. Es gibt besoldete und
unbesoldete, ständige und nichtständige Gem-
Beamte, wobei unter ständigen Gem Beamten
solche verstanden werden, die ein durch Beschluß
des Gemeinderats errichtetes Gem Amt bekleiden,
im Besitz einer Anstellungsurkunde und weder auf
Kündigung noch auf Widerruf angestellt sind (§27).
Keine Gem Beamten sind die Gemeinderatsmit-
glieder, die Fronenpflichtigen, die nur in Erfül-
lung einer allgemeinen Bürgerpflicht, nicht eines
besonderen Vertrags Dienste leisten und diejeni-
gen, die auf Grund eines privatrechtlichen Dienst-
vertrags ihre Dienste der Gemeinde widmen.
Das Recht der Anstellung der Gem Beamten
steht dem Bürgermeister zu; er bedarf nur dann
der Genehmigung des Gemeinderats, wenn der
Beamte eine Besoldung erhalten soll oder wenn
er ihn zum ständigen Beamten ernennen will und
ein ständiges Gem Amt noch nicht besteht. Der
Bürgermeister ernennt nicht die Gem Beamten, die
staatlichen Behörden unmittelbar unterstellt sind
(* 25). Zu ihnen gehören die von'dem Bezirksprä-
sidenten zu ernennenden Gem Förster und Heg-
meister, die Lehrer und Lehrerinnen an öffent-
lichen Elementarschulen, der Rentmeister, der das
Amt des Gemechners solange kraft Gesetzes
versieht, bis nicht der Gemeinderat von der ihm.
verlichenen Befugnis Gebrauch macht, einen be-
sonderen GemRechner zu bestellen. Die Ernen-
nung der Oktroicinnehmer und Oktroidirektoren,
der Bannwarte, von denen jede Gem mindestens
einen haben muß (Dekret v. 20. Messidor III) und
der besonderen Gemechner ist in den kleinen
Gem von der Bestätigung des Kreisdirektors ab-
hängig. Wird die Bestätigung versagt, so kann
der Kreisdirektor die Stellen auf Kosten der Gem
verwalten lassen. Nur Reichsangehörige können
zu Gem Beamten ernannt werden. Die Ableistung
eines Diensteides ist für die Uebernahme des
Amtes nicht notwendig; bloß die Gem Beamten,
denen eine Amtsgewalt zusteht, sind zu vereidigen
(§ 28 Abs 2). Eine Amtsgewalt besitzen die Be-
amten, denen durch ihr Amt das Recht und die
Pflicht übertragen ist, die Gesetze und amtlichen
Anordnungen gegenüber der Bevölkerung selb-
ständig zur Ausführung zu bringen. Hierunter
fallen nicht nur dic polizeilichen Exekutivorgane,
sondern auch die Vorsteher der verschiedenen
Dienstzweige mit selbständigen Besugnissen gegen-