Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gemeinde (IV. Verwaltung) 
101 
  
Räte der öffentlichen Pfandhäuser (5 58) u. a. m. 
Er hat endlich über verschiedene Angelegenheiten 
sein Gutachten abzugeben (s 59). Die GemRäte 
von Straßburg und Metz fungieren überdies noch 
als Kreisvertretungen (G v. 24. 1. 73 52 Abf 1) 
und haben somit eine erweiterte Zuständigkeit. 
Eine Auflösung des Gemeinderats kann 
nur durch Kaiserliche vom Statthalter zu voll- 
ziehende Verordnung erfolgen. In diesem Falle 
hat der Bezirkspräsident die Befugnis, entweder 
einen Ausschuß zur Ausübung der Rechte und 
Pflichten des Gemeinderats zu ernennen oder 
ihre Ausübung dem Bürgermeister zu übertra- 
gen. Binnen drei Jahren vom Tage der Auf- 
lösungsverordnung an sind Neuwahlen anzuord- 
nen und vorzunehmen ( 63). 
5 5. Staatsaufsicht. Die Aufsicht über die 
Verwaltung der Gem Angelegenheiten im enge- 
ren Sinne übt der Staat in Gem von 25 000 und 
mehr Einwohnern sowie in den gleichgestellten 
Gem durch die Bezirkspräsidenten, in den übrigen 
Gem durch die Kreisdirektoren aus (§ 71). Gegen- 
die Entscheidung des Bürgermeisters ist formlose 
und gewöhnlich auch fristlose (Ausnahme #1127 
Abs 4) Beschwerde an den Kreisdirektor oder an 
den Bezirkspräsidenten, gegen dessen Entscheidung 
Beschwerde an das Min zulässig (§ 71 Abs 2). 
Die Beschwerde durchläuft also in kleinen Gem 
drei, in großen Gem zwei Instanzen. In Ange- 
legenheiten, die der Bürgermeister als Organ der 
Landes-Bezirks= und Kreisverwaltung besorgt, 
ist Beschwerde in allen Gem an den Kreisdirektor 
und weiter an den Bezirkspräsidenten und das 
Min zulässig; gegen die Entscheidung des Bürger- 
meisters von Straßburg und Metz geht auch in 
diesen Fällen die Beschwerde an den Bezirks- 
präsidenten und an das Ministerium. Dadurch, 
daß in allen Fällen das Ministerium die letzte 
Instanz bildet, wird die Einheitlichkeit der Gem- 
Verwaltung gewährleistet. Der positive In- 
halt des staatlichen Aufsichtsrechtes (& 72) besteht in 
  
1909. 
der Sorge dafür, daß die Gem Verwaltung den 
gesetzlichen Bestimmungen gemäß geführt und stets 
in geordnetem Gange erhalten wird. Die Auf- 
sichtsbehörde kann in allen Fällen Auskunft von der 
Gem Verwaltung fordern, die Einsendung der 
Akten verlangen und Prüfungen der einzelnen 
Verw Zweige vornehmen; besonders eingehend 
ist die Kontrolle der Gem Finanzen. Sie kann 
weiterhin eine Amtshandlung, die sich der Bürger- 
meister weigert vorzunehmen, selbst vornehmen 
oder vornehmen lassen, wobei unter „Amtshand- 
lungen" nur die „actes administratifs“, nicht das 
„Pouvoir réglementaire“ 
mithin kann die Aufsichtsbehörde an Stelle des 
  
verstanden werden; 
Bürgermeisters keine Pol Verordnungen erlassen. 
Die Aufsichtsbehörde ernennt ferner die Bürger- 
meister und Beigeordneten und übt Disziplinar- 
befugnisse über sie aus. Sie hat — und darin 
liegt vielleicht die intensivste Betätigung des Auf- 
sichtsrechtes — eine große Reihe von Gemeinde- 
ratsbeschlüssen zu genehmigen. Die Genehmigung 
erfolgt in den wichtigsten Fällen durch Kaiserliche 
vom Statthalter zu vollziehende Verordnung 
(5§ 74); minder wichtige Beschlüsse bedürfen der 
Genehmigung des Bezirkspräsidenten (5 75 Abs 1); 
eine dritte Gruppe unterliegt der Genehmigung 
durch die Aufsichtsbehörde (F 75 Abs 2). Endlich 
sind in kleinen Gem außerdem noch zahlreiche 
  
Beschlüsse von der Genehmigung des Kreisdirek- 
tors abhängig (§ 76). Die Aussichtsbefugnisse 
des Staates gehen aber nicht so weit, daß die 
Gemeinderatsbeschlüsse abgeändert, ergänzt oder 
sogar Entscheidungen getroffen werden können, 
die noch gar nicht der Beschlußfassung des Ge- 
meinderats unterlegen haben. In dieser Bezie- 
hung bilden nur die Zwangsetatisierung (§ 73), 
die zwangsweise Auferlegung von Fronen (Ge- 
setz v. 21. 5. 36 à 5) und die Bezeichnung von der 
Gem gehörigen Vermögensgegenständen, in die 
die Zwangsvollstreckung vollzogen werden kann 
(* 73), Ausnahmen. Negativ äußert sich das 
Aussichtsrecht darin, daß die Aufsichtsbehörde 
darüber zu wachen hat, ob der Gemeinderat keine 
Beschlüsse faßt, die seine Befugnisse überschreiten 
oder die Gesetze verletzen. Gegebenenfalls hat sie 
den Bürgermeister zu beauftragen, entweder den 
Gemeinderat aufmerksam zu machen, daß seine 
Beschlußfassung gesetzwidrig war, oder ihre Ent- 
scheidung einzuholen, falls der Gemeinderat bei 
seinem Entschluß beharrt (§72 Abs 3). Abweichend 
von diesen Grundsätzen ist die Aufsicht über die 
Ortspolizei geordnet. Ihre Ausübung be- 
aufsichtigen in allen Gemeinden, ausgenommen 
Straßburg und Metz, die Kreisdirektoren und die 
ihnen vorgesetzten Behörden; die Außerkraft- 
setzung der von dem Bürgermeister erlassenen 
Pol Verordnungen steht aber der Aufsichtsbehörde 
zu (F72 Abs 3 Nr. 2). In Straßburg, Metz und 
Mülhausen ist die Aufsicht über die Polizei dem 
Bezirkspräsidenten in erster und dem Ministerium 
in zweiter und letzter Instanz anvertraut IJ Po- 
lizeibehörden)]. 
Küteratur: Bruck, Verfassungs- und Verwzecht 
von Elsaß-Lothringen 1, 248 ff. Kommentare zur Gem- 
Lrdnung von Halley (1896), Nelken (1896), Bruck 
(1905). Ritzheim, Die rechtliche Natur der Bürger- 
meister. Stellung in Elsaß--Lothringen, Diss., Straßburg, 
Bruck. 
H. Schutzgebiete 
Selbstverwaltung in den Kolonien 
IV. Gemeindeverwaltung 
A. Ueberblich 
8 1. Allgemeines. 1 2. Gemeindestatuten. 1 3. Die Ge- 
meinden und die Crtspolizci. # 4. Die Staatsaussicht über 
die Gemeindeverwaltung. 
8 1. Allgemeines. Nach dem heute in Deutsch- 
land geltenden Recht besitzen die Gem einmal als 
rechts= und geschäftsfähige Personen die Befugnis, 
ihr Vermögen, soweit nicht besondere Anord- 
nungen des Gesetzes entgegenstehen, selbständig 
zu verwalten; sic sind aber auch weiter dazu beru- 
fen, sich an der öffentlichen Verwaltung 
zu beteiligen. 
Ihrem Umfange nach erstreckt sich diese Be- 
rufung auf fast alle Seiten des öffentlichen Le- 
bens. In erster Linie sind es die Aufgaben, die in 
das Gebiet der inneren Verwaltung einschlagen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.