Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gemeinde 
  
bei welchen den Gem eine Mitwirkung zukommt; 
ihre Zuständigkeit umfaßt indessen auch einzelne 
Seiten der Finanzverwaltung sowie der Verwal- 
tung des Militärwesens, und sie greift endlich auch 
hinüber in das Gebiet der freiwilligen Gerichtsbar- 
leit und der streitigen Rechtspflege [N Gemeinde- 
gerichtel. Die rechtliche Grundlage die- 
ser Berufung ist in allen Fällen der Wille des 
Staates, der die Gem als Gehilfin bei der Lösung 
öffentlicher Aufgaben seinem Bau eingegliedert hat. 
Gegenstand der gemeindlichen Verwaltung 
sind in erster Linie diejenigen Angelegenheiten, 
welche die Interessen des Gem Verbandes be- 
rühren, von den Gesetzgebungen einfach die 
„Gemeindeangelegenheiten“ genannt. Soweit sie 
in Frage kommen, spricht für die Zuständigkeit der 
Gem Verwaltung die Vermutung. Die Gem 
können hier jede ihnen geeignet erscheinende Maß- 
regel ergreifen, soweit nicht ein ausdrückliches oder 
stillschweigend verfügtes Verbot eines speziellen 
Gesetzes ihnen entgegensteht, und sie können zur 
Durchführung dieser Maßregeln überall in Deutsch- 
land auch von dem Rechte der Besteuerung Ge- 
brauch machen. 
Ein stillschweigend ausgesprochenes Verbot ist 
immer da anzunehmen, wo der Staat eine ge- 
wisse Verw ätigkeit zu der seinigen gemacht hat, 
auch wenn es sich dabei um Wahrung örtlicher 
Interessen handelt. Dies ist in weitem Umfange 
auch bezüglich der die Interessen der Gem un- 
mittelbar berührenden Ortspolizei geschehen; 
ebenso hat der Staat in höherem oder geringerem 
Maße die Aufstellung von Rechtsnormen, welche 
die Ausgestaltung der Gem Verfassung und das 
Verhältnis zwischen der Gem und ihren Angehö- 
rigen betreffen, als seine Aufgabe erklärt. 
Der Staat hat sich aber mit der Anerkennung 
einer gewissen freien Verwerechtigung der 
Gem nicht begnügt, er hat den letzteren außerdem 
die Lösung ciner Reihe von öffentlichen Aufgaben 
lokaler Art unmittelbar zur Pflicht gemacht, 
und er hat endlich in zahlreichen Fällen, sei es die 
Gem im ganzen, sei es einzelne Organe derselben 
zu Verwürbeiten mit herangezogen, die über den 
Bereich der einzelnen Gemarkung hinausgehen, 
und deren Durchführung der Staat als seine eigene 
Sache ansieht. Die Gem erscheinen hier noch, 
wie dies vor Einführung der Steinschen StO im 
Norden und bis zu dem Inkrafttreten der neueren 
Gem Gesetze noch lange Zeit darnach im Süden 
für ihr gesamtes Zuständigkeitsgebiet der Fall war, 
als die untersten staatlichen Verwezirke, 
und deren Organe sind hier in ihren Entschließun- 
gen an die Weisungen der „vorgesetzten“ Staats- 
behörden gebunden. Wohl in Erinnerung an die 
erwähnte frühere Zeit haben denn auch in fast alle 
Gem Gesetze Bestimmungen Aufnahme gefunden, 
die den Vorsteher der Gem schlechtweg als unter- 
stes staatliches Vollzugsorgan bezeichnen. Daraus 
darf aber nicht gefolgert werden, daß die Staats- 
verwaltung den genannten Vorsteher oder die 
Gem auch heute noch überall zur lokalen Durch- 
führung staatlicher Aufgaben mitheranziehen und 
die Gem entsprechend mit neuen Arbeiten oder 
Kosten belasten könne. Vielmehr bedarf es hierzu 
im Hinblick auf die den Gem gewährleistete Selb- 
ständigkeit immer einer speziellen gesetzlichen Er- 
mächtigung. Mit besonderer Schärfe ist dieser 
Satz in der bayr. Gemp rechtsrh. in a 156 Abs 5 
  
und Pfälz. GemO a 88 ausgesprochen. Aller- 
dings ist (wie Seydel StK 2, 28 ff ausführt), 
für Bayern diese Ermächtigung auf dem Gebiet 
der inneren Verwaltung dadurch in einer sehr 
umfassenden Weise erteilt worden, daß man hier 
den Begriff der Pol Verwaltung, zu deren Füh- 
rung innerhalb der Gemarkung die Gem speziell 
verpflichtet werden, in einem wissenschaftlich ver- 
alteten Sinne auffaßte und dem der inneren 
Verwaltung gleichstellte; dasselbe trifft für das 
badische Recht im Hinblick auf § 65 GemO (StpO) 
zu, ebenso für Sachsen, wo im 1 74 LGO der 
Polizei in gleicher Weise eine über den gemein- 
rechtlichen Begriff hinausgehende Auslegung ge- 
geben wird. Eine besondere gesetzliche Ueber- 
tragung von staatlicher Verwaltung an die Gem 
in weitgehendstem Umfange hat in Bayern be- 
üglich der sogen. unmittelbaren Städte stattge- 
sußden, die für ihr Gebiet in erster Instanz alle 
Geschäfte der staatlichen Distriktsverwaltung zu 
führen haben (bayr. GemO rechtrsh. a 93, 96). 
Da die hier behandelte Zuständigkeit der Gem 
immer auf einer besonderen gesetzlichen 
Grundlage beruht, und da die Gem als selbstän- 
dige Rechtssubjekte wie andere Personen in ihrem 
Rechtskreise geschützt sind, so folgt, daß die ihnen 
übertragene Kompetenz auch nicht durch einfache 
Verwhandlung seitens der Staatsregierung ge- 
schmälert werden kann, es sei denn, daß in dem 
Ermächtigungsgesetze hierwegen ein ausdrücklicher 
Vorbehalt gemacht ist. Solche Vorbehalte finden 
sich, wie später darzulegen sein wird, vor allem 
auf dem Gebiete der Polizei; sie sind in Bayern 
auch hinsichtlich der Distriktsverwaltung der un- 
mittelbaren Städte vorgesehen (vgl. für München 
Gemo rechtsrh. a 97, für die übrigen unmittel- 
baren Städte a 98). 
In eine Erörterung der zahlreichen Fälle ein- 
zutreten, in denen sich die Verwaltung der Gem 
nach besonderen staatlichen Gesetzesvorschriften 
bestimmt, ist hier unmöglich; auch eine bloße Auf- 
führung all der hier in Betracht kommenden Ein- 
zelgesetze erscheint als untunlich. Erinnert sei hier 
nur, was die Verwaltung des Innern 
angeht (abgesehen von der Ortspolizei unten im 
# 3) an die Tätigkeit auf dem Gebiete des 
Armenwesens, des Unterrichtswesens, der sozi- 
alen Fürsorge, des Straßenwesens, der Fürsorge 
in sanitärer Hinsicht, der Mitarbeit bei Durch- 
führung der politischen Wahlen für Reich und 
Staat. Besonders hervorgehoben wird in einer 
Reihe von Gem Ordnungen die den Gem oblie- 
gende Verwaltung des Stiftungs vermö- 
gens. Diese Vorschriften enthalten zum Teil nichts 
anderes als besondere Anweisungen für die Ver- 
waltung derjenigen Bestandteile des Gem Ver- 
mögens, die den Gem mit der Auflage einer 
dauernden Zweckbestimmung zugewiesen wurden 
(Stiftungen im uneigentlichen Sinn); sie treffen 
aber auch Anordnungen über die Stellung der 
Gem gegenüber den in ihrer Gemarkung domizi- 
lierten selbständigen (Orts-) Stiftungen. Hier gilt 
in größeren Teilen Deutschlands der Grundsatz, 
daß im Zweifelsfall, mangels anderweiter Be- 
stimmungen des Stifters, bei Ortsstiftungen 
weltlichen Charakters die Gem Organc zur Verw- 
führung berufen seien. Mit besonderer Sorgfalt 
sind die bezüglichen Vorschriften in Baden durch- 
geführt, wo ein unterm 5. 5. 70 erlassenes Stif- 
 
	        
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