Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
IV. Gemeindeverwaltung 
tungsgesetz den Anordnungen des Stifters dem 
Berwzechte der Gem gegenüber nur unter be- 
sonderen Voraussetzungen Anerkennung ver- 
leiht (/ Stiftungen)j. 
An der staatlichen Verwaltung des Militär- 
wesens haben die Gem mitzuwirken bei der 
Vorbereitung des Ersatzgeschäftes (Führung der 
Stammorollen usw.) sowie bei der Kontrolle der 
Wehrpflichtigen, sie haben die Gewährung der 
gesezlichen Naturalleistungen zu vermitteln und 
die vorgeschriebenen Kriegsleistungen zu gewäh- 
ren. Für Zwecke der staatlichen Finanz- 
verwaltung werden die Organe der Gem 
teils bei der Schaffung der Grundlagen für die 
Veranlagung zu den direkten Steuern, teils auch 
bei deren Erhebung mit herangezogen. Auf dem 
Gebiete der Rechtspflege sind die Gem Organe 
nicht nur im Bereiche der freiwilligen Gerichts- 
barkeit zu mannigfacher Arbeit berufen, so bei der 
Standesbeamtung, in Vormundschafts= und Erb- 
schaftsangelegenheiten, bei Ausstellung von Be- 
glaubigungen, Schätzungen usw.; sie haben auch 
bei der Ausübung der Strafrechtspflege mitzu- 
wirken (Aufstellung der Schöffen= und Geschwo- 
renenliste, Besorgung amtsanwaltschaftlicher Ge- 
schäfte, Erlaß von Strafverfügungen, Tätigkeit als 
Vergleichsbehörde). In Württemberg und Baden 
werden die Grundbuchämter in den Gem geführt, 
in Baden insbesondere unter Verwendung der 
Ratschreiber als Hilfsbeamten. In Baden können 
die Gem mit mehr als 10 000 Einwohnern mit 
ministerieller Genehmigung selbständige Gem- 
Grundbuchämter errichten, die von einem Gem- 
Beamten geführt werden, und deren Einnahmen 
bis zu 25% den Gem verbleiben IXN Freiwillige 
Gerichtsbarkeit). Durch die Gesetzgebung der bei- 
den letztgenannten Staaten sind die dort seit 
langer Zeit bestehenden Gemeindegerichte (AI 
innerhalb der reichsrechtlichen Schranken beibe- 
halten worden. Erwähnt seien schließlich noch 
die als Gem Institute anzusehenden Gewerbe= und 
Kaufmannsgerichte (JI| sowie die durch das Gew- 
GerichtsG ## 76 ff vorgeschriebene richterliche 
Tätigkeit des Gem Vorstehers. 
Ueber alle diese einzelnen Seiten der Gem Ver- 
waltung wird in diesem Werke an anderen Stellen 
ausführlicher gesprochen werden, ebenso wird die 
das Hauptgebiet der Gem Verwaltung bildende 
Vermögensverwaltung der Ge- 
meinden im Anschlusse hieran in besonderen. 
Artikeln behandelt (unten S 107 ff-.#h. 
Für eine allgemeine Erörterung verbleibt da- 
her an dieser Stelle nur noch das den Gem zu- 
kommende Recht der selbständigen Ausgestaltung 
ihrer Verwaltungstätigkeit durch den Erlaß von 
Rechtsnormen, das Verhältnis der Gem zur 
Ortspolizei und die Stellung, die der Gem Ver- 
waltung gegenüber von den staatlichen Aufsichts- 
behörden eingenommen wird. 
s 2. Die Gemeindestatuten. Wie das Verw- 
Recht der Gem überhaupt, so erstreckt sich auch 
deren Recht der Selbstgesetzgebung, wenn nicht 
durch einzelne gesetzliche Vorschriften weiter- 
gehende Bestimmungen getroffen sind, nur auf 
die Angelegenheiten der Korporation selbst und 
auf die Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder, die 
diese als solche gegen die Korporation haben. 
(Urt. pr. OVG#. 16. 5.88). Der Umfang, in dem 
innerhalb dieser Schranken die Gem Autonomie 
  
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zugelassen worden, ist aber nach den Vorschriften 
der einzelnen Gem Verfassungsgesetze ein durch- 
aus verschiedener ( auch Autonomiel. 
In den Gesetzen von Preußen, Sachsen, Würt- 
temberg und Hessen ist die Autonomie der Gem 
in der Form von allgemein gehaltenen Ermäch- 
tigungen anerkannt und zwar nicht nur für die 
Fälle, in denen das Gesetz Verschiedenheiten aus- 
drücklich gestattet, sondern auch da, wo das Gesetz 
Lücken gelassen hat (östl. StO; StO Hess. Nass. 
z 11, Hann. # 1 ff; Rh. § 10; Frkft. § 3; L60 
östl. 3 6; Sächs. StO u. LGO 5 2; Württ. Gem-O 
à 8). In den Städteordnungen für die alten Pro- 
vinzen und Hessen-Nassau sowie für Frankfurt 
a. M. ist der Erlaß von statutarischen Bestimmun- 
gen außer in den oben genannten Fällen auch 
vorgesehen „über sonstige eigentümliche Ver- 
hältnisse und Einrichtungen". Für die Rhein- 
provinz und Frankfurt a. M. hat dieser Satz 
keine rechtliche Bedeutung, da hier nochmals aus- 
drücklich hervorgehoben ist, daß sich die Statuten 
mit einem bestehenden Gesetze nicht in Wider- 
spruch setzen dürfen. Für die übrigen Städteord- 
nungen, in denen diese letztere Bestimmung fehlt, 
ist, da diese weitere Ermächtigung doch nicht einfach 
als eine Wiederholung der Vollmacht zur Ausfül- 
lung der Gesetzeslücken angesehen werden kann, die 
Frage strittig, ob hier im Wege der statutarischen 
Anordnung auch solche Maßnahmen beschlossen 
werden können, die eine Abänderung bestehender 
Gesetzesvorschriften darstellen. Kinne (Die Auto- 
nomie der Selbstverwaltungskörper in Preußen 
1908 Sl0 ff) glaubt diese Frage unter Berufung 
auf die Entstehungsgeschichte der als Vorbild die- 
nenden Bestimmung in # 11 Ziff. 2 östl. StO 
entschieden verneinen zu sollen, indem er nur die 
in Ziff. 2 ausdrücklich ausgeführte Sonderbehand- 
lung der gewerblichen Genossenschaften für zu- 
lässig erklärt, wogegen Schön § 15 Abs 1 mit 
Recht sich an den klaren Wortlaut des Gesetzes hält 
und darauf verweist, daß gegen eine etwaige miß- 
bräuchliche Anwendung der Satzungsbefugnis 
das staatliche Genehmigungsrecht eine genü- 
gende Garantie biete. 
Nach der bayrischen, badischen und elsaß-lothrin- 
gischen Gesetzgebung kommen der Gem Satzungs- 
befugnisse immer nur in bestimmten einzelnen, 
durch spezielle Vorschriften bezeichneten Fällen 
zu und ausnahmslos nur innerhalb des Rahmens 
der bestehenden Gesetze. In der elsaß-lothringi- 
schen, der pfälzischen und der badischen Gem-O 
wird der Ausdruck „Ortsstatut“ überhaupt nicht 
verwendet, obwohl auch diesen Gesetzen eine 
Satzungsbefugnis der Gem der Sache nach nicht 
unbekannt ist (Bayr. Gem rechtsrh. 88 84, 130, 
147; dagegen bad. St O §13 und jetzt auch — seit 
1910 — für die Gem mit über 4000 E. bad. GEO 
–l 31). 
Die Erlassung von ortsstatutarischen Vor- 
schriften steht im allgemeinen im Ermessen der 
Gem. In den Städten von Schleswig-Holstein 
und Hannover, ebenso in den Städteordnungs- 
städten Badens ist jedoch bezüglich gewisser im 
Gesetze bezeichneter Punkte die Errichtung eines 
Ortsstatutes zwingend vorgeschrieben. Eine not- 
wendige und in ihrem Umfange sehr weitgehende 
Grundlage bildet die statutarische Satzung für 
die Verfassung und Verwaltung der Städte in 
Neuvorpommern und auf Rügen (G v. 31. ö. 53;
	        
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