Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gemeinde 
  
es gelten hier die mit Kgl Genehmigung in den 
einzelnen Städten beschlossenen Rezesse). 
Die Fälle, in denen die Befugnis zur statutari- 
schen Regelung über das oben bezeichnete engere 
Gebiet der Gem Angelegenheiten hinaus zuge- 
standen ist, liegen vor allem aus dem Gebiete des 
Gewerberechtes einschließlich der Sozialgesetz- 
gebung (Arbeiterversicherung, Gewerbe= und 
Kaufmannsgerichte); in Betracht kommen weiter 
der Bereich der Schulangelegenheiten und die 
Bausachen, einschließlich des Alignementsrechtes 
(im sächs. Recht wird hier die Bezeichnung „Orts- 
gesetz“ gebraucht). 
Der Erlaß einer statutarischen Vorschrift 
bedarf, wo in einer Gem zwei Kollegien an der 
Verwaltung beteiligt sind, der Zustimmung beider 
Organe; außerdem wird in der Regel als not- 
wendiges Erfordernis der Gültigkeit verlangt, 
daß zu dem Gemeschlusse die Genehmigung 
eines staatlichen Organes hinzukomme, die nach 
den meisten Gesetzen nicht von der für die Gem- 
Beaufsichtigung allgemein zuständigen Behörde, 
sondern von einer höheren Stelle erteilt zu werden 
pflegt. Für die in Bayern auf Grund der 
dortigen Gem erlassenen Statuten ist eine staat- 
liche Genehmigung nicht vorgesehen; in Würt- 
temberg (GemO a #8) erlangen die von den 
Gem Kollegien beschlossenen Statuten, wenn sie 
von der Staatsbehörde nicht innerhalb einer Frist 
von zwei Monaten nach ihrer Vorlage an dieselbe 
aus bestimmten, im Gesetze genannten Gründen 
verworfen werden, volle Rechtsgültigkeit. Gegen 
die Entschließung der staatlichen Genehmigungs- 
behörde, die das Statut nur in seinem ganzen 
Umfang genehmigen oder verwerfen, nicht aber 
abändern kann, ist in der Regel nur die Verw- 
Beschwerde zugelassen; die Württ. GemO ge- 
stattet jedoch hier, wenn die Verweigerung der 
Genchmigung unter Berufung auf die Gesetz- 
widrigkeit der Satzung erfolgte, auch das Be- 
schreiten des VerwzRechtsweges. 
GemStatuten, die dem Gesetze widersprechen, 
können, auch wenn sie formell richtig zustande 
gekommen, überall durch die Staatsbehörde für 
kraftlos erklärt werden. Dieser Satz, der sich schon 
aus dem Aussichtsrechte des Staates über die 
Gem ergibt, gilt auch da, wo eine ausdrückliche 
Bestimmung, wie sie z. B. in 5142 Abs 2 GewO für 
die gewerberechtlichen Statuten, und wie sie allge- 
mein im a 8 der W. GemO enthalten ist, nicht 
erlassen wurde. Die Frage, ob die Staatsbehörde 
auch dann mitzuwirken hat, wenn da, wo es sich 
um rein fakultative Statuten handelt, eine er- 
gangene Satzung seitens der Gem einfach zurück- 
genommen werden soll, ist bestritten. Für die 
Bejahung haben sich das preußische Min Inn 
und das Kammergericht (vgl. Pr. Verw Bl 17, 164), 
ebenso das württembergische Min Inn (Reger XXA, 
296) sowie die Mehrzahl der Schriftsteller ausge- 
sprochen, alle von dem wohl auch richtigen Ge- 
danken ausgehend, daß der Staat bei der ihm zu- 
stehenden freien Prüfung des Statutenentwurfes 
an dem Erlaß der Vorschrift auch in materieller 
Hinsicht mitwirkt, und daß eine durch einen be- 
stimmten Formalakt zustande gekommene Rechts- 
norm nur durch einen die gleichen Formen er- 
füllenden Akt wieder ausgehoben werden kann. 
Meinungsverschiedenheiten sind auch über die 
Fragen hervorgetreten, ob ein Gemntatut zu 
  
seiner Gültigkeit der Veröffentlichung bedürfe 
oder nicht. Allgemein zwingende Vorschriften 
über die Publikation der Statuten bestehen nicht, 
wohl aber ist für eine Reihe von statutarischen An- 
ordnungen, besonders für die Steuerordnungen 
und die auf Spezialgesetzen beruhenden Satzungen, 
eine Veröffentlichung ausdrücklich angeordnet, 
die dann im Zweifelsfall als Bedingung der Gül- 
tigkeit anzusehen ist. Eine Zusammenstellung der 
auf das preußische Recht bezüglichen neueren 
Entscheidungen des Röa, und des O gibt 
Kinne 155 ff. 
Die auf dem Gebiete der Polizeiver- 
waltung von den GemOrganen erlassenen Rechts- 
vorschriften können als Ausflüsse der Gem Auto- 
nomie nur da angesehen werden, wo die Hand- 
gabung der Ortspolizei den Gem als ein eigenes 
echt zusteht (unten § 3). Aber auch hier bestehen 
für ihren Erlaß besondere Grundsätze, und der 
Sprachgebrauch rechnet sie nicht zu den Orts- 
statuten ( Polizeiverordnungl. 
3. Die Gemeinden und die Ortspolizei. 
Nach dem heute geltenden Rechte liegt, wie er- 
wähnt, der Schwerpunkt der Gem Verwaltung auf 
dem Gebiete, das als dasjenige des Inneren be- 
zeichnet wird. Aber gerade auf diesem Gebiete 
sind die Gem in der Handhabung des zur Führung 
ihrer Verwaltung wichtigsten Machtmittels ganz 
wesentlich beschränkt. 
In den Land Gem Preußens ist die Verwaltung 
der Ortspolizei den Gem so gut wie ganz entzogen 
und auf den Amtsvorsteher, in der Rheinprovinz 
auf den Bürgermeistereiverwalter, in Westfalen 
auf den Amtmann, in Posen auf den Distrikts- 
kommissar, in Hannover auf den Landrat über- 
tragen. In der zuletzt genannten Provinz kommen 
indessen dem Gem Vorsteher „als Organ des 
Landrates für die Pol Verwaltung" mehr Be- 
fugnisse zu wie den Gem Vorstehern der übrigen 
Provinzen. Nur in Hessen-Nassau und Hohen- 
zollern liegt die Verwaltung der Ortspolizei auch 
in den Land Gem grundsätzlich in der Hand der 
Gem Vorsteher (KrO für die östl. Prov. 5 59; 
Schlesw.-Holst. § 51; Rhein-Prov. & 28; Westf. 
#29; Posen KabO v. 10. 12. 36; Hannov. §# 24, 
35; Hess.-Nass. #§ 27 ff und LGO # 63f; Hohenz. 
GemO # 71). 
Nach #&2 des Gv. 11. 3. 50, dessen Bestimmun- 
gen in der StO für Schleswig-Holstein (§ 89) 
Aufnahme gefunden haben, kann in den älteren 
Provinzen in Gem, wo sich eine Bezirksregierung 
oder ein Landgericht befindet, sowie in Festungen 
und in Gem von mehr als 10 000 Einwohnern 
die örtliche Pol Verwaltung durch Beschl des 
Min Inn besonderen Staatsbeamten übertragen 
werden, in anderen Gem kann dasselbe aus 
dringenden Gründen zeitweise geschehen (vgl. 5 2 
V v. 20. 9. 67, Hann. St O # 78). Auch, wo die 
Pol Verwaltung den Gem belassen ist, bedarf die 
Ernennung der von den Gem zu bestellenden 
Pol Beamten der staatlichen Bestätigung, denn 
nach der Auffassung des preußischen Rechtes sind 
die Gem dann nur mit der eigentlich dem Staate 
zukommenden PolGewalt beliehen. Die Aus- 
übung dieser Gewalt geschieht ausdrücklich im 
Namen des Königs. Vor dem Inkrafttreten des 
Gv. 1. 8. 09 war daher auch für ein Versehen des 
Bürgermeisters als Pol Verwalter nicht die Gem, 
sondern der Staat als haftbar anzusehen. KRö
	        
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