Vermögensverwaltung (Gemeindevermögen)
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steuer den vollen Satz der Staatssteuer überschrei-
ten (KommAbgG 5 55). Die gleiche Vorschrift
gilt auch für Elsaß-Lothringen (Gem O##75 Ziff. 4).
Allgemein als genehmigungsbedürftig werden,
abgesehen von dem Erlaß der statutarischen Vor-
schriften, die Gemarkungsänderungen, die Ver-
äußerung von Liegenschaften und die Anlehens-
aufnahmen bezeichnet, ferner die wichtigeren
Maßnahmen in der Verwaltung der Gemgorste,
wenn die Gem nicht in größerem Umfang unter
staatliche Beförsterung gestellt sind. Auch die Er-
nennung gewisser Gem Beamten unterlicgt der
staatlichen Gutheißung, ebenso allgemein mit Aus-
nahme Badens die Berufung zum Gem Vorsteher-
amt. Am weitesten geht das Genehmigungsrecht
der Aufsichtsbehörden in Elsaß-Lothringen, wo
vor der Einführung der neuen GemO von 1895
die Genehmigung geradezu die Regel bildete, und
wo der Gem Vorsteher noch heute von der Regie-
rung ernannt wird, in den Gem über 25 000 E.
allerdings auf Grund eines Vorschlages des Gem-
Rates (GemO 1##8 10, 11).
Im übrigen hat die Ausfsichtstätigkeit des
Staates, worauf sie von den bayrischen, den ihr
nachgebildeten badischen und nunmehr auch von
den württembergischen Gesetzesbestimmungen aus-
drücklich beschränkt wird, sich jedenfalls darauf
zu erstrecken, daß die Gem ihre Befugnisse nicht
überschreiten, daß sie ihre gesetzlichen Verpflich-
tungen erfüllen, und daß sie die Vorschriften über
die Geschäftsführung beobachten (bayr. Gem-O
rechtsrh. a 157, pfälz. a 89; bad. GemO # 181,
StO & 157; württ. Gem O a 186). Auf dem glei-
chen Standpunkte steht der Sache nach die Gesetz-
gebung in Sachsen (StO 8 134, LGO 8 96) und
in Hessen (StO a 117 ff, LGO a 92 ff). Nach
preußischem Rechte kann der Gem Vorsteher oder
der Gem Vorstand zur Beanstandung eines Be-
schlusses des Gem Vorstandes oder der Gem Ver-
tretung zwar nur dann angehalten werden, wenn
der Beschluß die Befugnisse des betreffenden Or-
gans überschreitet oder gegen eine Gesetzesvor-
schrift verstößt (Zust G #§ 15 u. 29, St O Hess.Nass.
#88), in der Praxis aber wird gestützt auf die
Bestimmungen des 139 rev. St O v. 17. 3. 31,
114 Rhein. GemO v. 23. 7. 45 sowie in analoger
Anwendung des & 117a Kr O und des & 115 Provr O
für die Aussichtsbehörde das Recht in Anspruch
genommen, dafür zu sorgen, daß die Geschäfts-
führung der Gem Behörden fortwährend in ge-
ordnetem Gang bleibt, ohne daß es jedoch der Auf-
sichtsbehörde gestattet wäre, in eine weitere ma-
terielle Prüfung der einzelnen, dem freien Er-
messen der Gem überlassenen VerwHandlungen
einzutreten. Nach der Hannov. StO (7 119) ist
die Aufsicht darauf zu richten, daß das Gem Ver-
mögen erhalten, bei Anordnung und Umlegung
von Abgaben angemessene Grundsätze befolgt, und
begründete Beschwerden über die Gem Verwaltung
beseitigt werden. Eine mit der preußischen Praxis
übereinstimmende Vorschrift gilt für Elsaß-Loth-
ringen (GemO # 72).
Die von der Staatsbehörde zur Durchführung
ihrer Aufsicht im einzelnen anzuwendenden Maß-
regeln sind: Beanstandung und Aufhebung der
gesetzwidrigen Verwhandlungen, disziplinäres
Einschreiten gegen die einzelnen Gem Organe
(vgl. die Art. über Gem Organisation), endlich, wo
s sich um die Erfüllung der den Gem obliegenden.
gesetzlichen Pflichten handelt, die Zwangsetatisie-
rung und der Ersatzvollzug [# Gemeinde-
haushalt] (Preußen: Zuste 55P 19, 35; bayr.
Gemy rechtsrh. a 157, pfälz. a 89; Sächs. St-O
z 134, LGO l 9P96; Württ. Gem O a 188; Bad.
GemO #D181, St O 8157; Hessen: St O a 85, LGO
à 73; Elsaß-Lothringen: Gem O §## 72, 73). Zur
Unterstützung der Aufsichtsbehörden ist in den ver-
schiedenen Gesetzen einem jeden Beteiligten, der
sich durch eine Handlung der Gem Verwaltung als
beeinträchtigt ansieht, das Recht der Beschwerde
bei den Staatsbehörden eingeräumt, ohne daß
damit aber die allgemeine Zuständigkeit der Auf-
sichtsbehörden über ihre oben bezeichneten Grenzen
hinaus ausgedehnt worden wäre.
Gegen die Entscheidung der Aufsichtsbehörde,
durch die ein Gem Beschluß wegen Unrechtmäßig-
keit aufgehoben wird, können in Preußen (Zust G
§I 15, 29), Bayern (G v. 8. 8. 78 àa 10); Württem-
berg (GemO a 195 Ziff. 4) und Baden (G v.
14. 6. 84 4 4) auch die Verw erichte angerufen
werden.
Kiteratur: Val. die Angaben bei dem Art. Gemeinde
(Allgemeines); außerdem Schriften des Vereins für Sozial-
politik Bd. 120; Adickes, Die sozialen Aufgaben der
deutschen Städte, 1903: Wittmayer, Eigenwirtschaft
der Gem und Individualrechte der Steuerzahler, 1910.
Walz.
B. Vermögensverwaltung
I. Gemeinde-Vermögen
I. Grundlagen. J1 1. Ergebnis der pgeschichtlichen
Entwicklung. #1 2. Vermögensfähigkeit der Gemeinde.
#5*3. Arten des Gemeinde-Vermögens. 1 4. Erhaltung und
Sicherstellung des GV.
II. Berwaltung. 1 b.
Sinne. # 6. Verwaltung im engeren Sinne.
liche Verfügungen. 1 8. Verwendung.
III. Gemeindeglieder (Bürger-) vermögen,
Interessentenvermögen und Stiftungen.
9. Abgren zung. 1 10. Gemeindegliedervermögen. # 11. Inu-
teressentenvermögen und Stiftungen.
IV. Statistisches. 1 12.
Verwaltung im weiteren
# 7. Recht-
lGmd — Gemeinde; GV. — Gemeinde-Vermögen
G#ß — Geneindegliedervermögen!
I. Allgemeine Grundlagen
## 1. Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung.
Die Umbildung der Gmd aus einer Rechts= und
Interessengenossenschaft in eine staatsähnliche
Korporation mit öffentlich-rechtlich geordnetem
Aufgabenkreise prägt sich auch in den rechtlichen
Gestaltungen des GV aus. Jene Rechts= und
Interessengemeinschaft, wie sie die frühere Ge-
meinde darstellte, hatte ihre Grundlage in der
ursprünglichen Eigentums= bezw. Nutzungsge-
meinschaft der Mark= oder Gmd Genossen, eines
Gemeinschaftsverhältnisses, dessen Ueberleitung in
in dividuelles Eigentum sich zwar in den
Städten verhältnismäßig zeitig und vollständig
vollzog, das sich jedoch in den Landgemein-
den zugleich mit der Agrarverfassung, mit der es
in engster Wechselbeziehung stand, noch lange be-