Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gemeindeabgaben (Beiträge) 
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müssen erhoben werden, wenn die Veran- 
staltung einzelnen Gem Angehörigen oder einzel- 
nen Klassen von solchen vorzugsweise zum Vor- 
teil gereicht und keine Ausgleichung in sonstiger 
Weise (Beiträge, steuerliche Mehr= oder Minder- 
belastung) erfolgt. Bei einer Zwangspflicht 
zur Benutzung von Gem Veranstaltungen ist Er- 
mäßigung der Gebühren oder Gebührenfreilas- 
sung gestattet. Für allgemeine Unterrichts- und 
Bildungsanstalten — ausgenommen höhere Schu- 
len —, für Chausseen, Wege, Brücken und Pfla- 
sterungen, ferner für Krankenhäuser, Heil- und 
Pflegeanstalten, sowie für die vorzugsweise den 
Bedürfnissen der unbemittelten Volksklassen die- 
nenden Veranstaltungen besteht eine Pflicht für 
die Gem zur Gebührenerhebung nicht. 
Der soziale Zug in der preußischen StGesetz- 
gebung, der hierin zutage tritt, zeigt sich weiter 
darin, daß die Höhe der Gebühr nach „sozialen 
Momenten"“ d. h. „nach der Leistungsfähigkeit und 
bis zur gänzlichen Freilassung“ abgestuft werden 
kann (G v. 24. 6. 06) 
Die ausgesprochene Absicht der Mlquelschen Kommunal= 
steucrresorm in Preußen, die Einnahmen der Gem durch 
VBermehrung der Gebühreneinnahmen zu heben, ist übri- 
gens nur unvollkommen erreicht worden, immerhin nicht 
ganz ohne Erfolg geblieben, namentlich in den städtischen 
Gemeinwesen. Während 1895/96 in diesen nur 19 610 062 
Mark oder 10,5% des GemzFinanzbedarfs aus Gebühren 
flossen, waren es 1905: 51 762 000 Mark oder 13,7% des 
Finan zbedarss. 
II. In Bayern enthalten die Gem O von 1869 
in a 39 bezw. 30 nur ganz allgemein die Vor- 
schrift, daß St erhoben werden, soweit für die 
Gem Bedürfnisse die eigenen Einkünfte, Staats- 
zuschüsse usw., sowie die der Gem Kasse gesetzlich 
zugewiesenen Gebühren und Strasfgelder, die 
für Benützung von Gem Anstalten festgesetzten 
Gebühren nicht ausreichen. 
Bemerkenswert ist ferner das Prinzip der 
bayerischen Gesetzgebung, das für die Regelung der 
für Benutzung der Gem Anstalten zu erhebenden 
Gebühren die Genehmigung der vorgesetzten Verw- 
Behörde dann vorbehält, wenn diese Benutzung 
den Beteiligten zur Zwangspflicht gemacht 
ist (wie beispielsweise der Regel nach die Be- 
nutzung der Leichenhäuser), wogegen bezüglich 
der Anstalten, deren Benutzung eine frei- 
willige ist, die Autonomie der Gem Organe 
in Bezug auf die Höhe der Gebührensätze keiner 
Schranke unterliegt. GemO für die Landesteile 
diesseits des Rheins a 159 Abs 6 und a 91 für 
die Pfalz. 
III. In Sachsen enthält die rev. StO und LGO 
von 1873 keine ausdrücklichen Bestimmungen über 
Gebühren, wenn man diese nicht etwa unter den 
Begriff „indirekte Abgaben“ im Sinne des §5 19 
stellen will, in welchem Falle ihre Zulässigkeit 
mit ministerieller Genehmigung vorgesehen ist. 
Soweit es sich um Benutzung des Gem Vermögens 
handelt, kommt § 12 in Betracht, welcher die Ver- 
waltung desselben der Gem übelläßt. 
IV. Für Württemberg regelt die Gebühren- 
frage a 3 des G betr. die Besteuerungsrechte der 
Gem und Amtskörperschaften v. 8. 8. 03. 
V. In Baden wird die Gebührenerhebung in 
ö 70 ff der Gem-O v. 1906 geregelt. Ein Zwang 
zur Gebührenerhebung (oder Beiträgeerhebung) 
  
tritt nach § 71 ein, wenn die Bestreitung des Auf- 
wands der betr. Veranstaltung andernfalls eine 
so erhebliche Umlageerhöhung zur Folge haben 
würde, daß einzelne Gruppen der Umlagepflich- 
tigen im Verhältnis zu dem Vorteile übermäßig 
belastet werden würden. Gebühren dürfen 
nicht erhoben werden, wenn die Kosten der An- 
stalt durch Beiträge gedeckt werden, oder wenn 
die Darbietungen und Leistungen der Einrichtung 
wesentlich wirtschaftlicher Art sind und die Gem 
hierfür schon ein privatrechtlich festgestelltes Ent- 
gelt in Anspruch nehmen. 
VI. In den hessischen GemO v. 13. 6. und 
15. 6. 74 wird die „Einführung und Erhöhung 
von Gebühren oder Aufschlägen für die Benutzung 
gemeinheitlicher Anstalten" nur als genehmigungs- 
pflichtig erwähnt (a 95 bezw. 83). 
VII. Für Elsaß-Lothringen schreibt 8 75 
Abs 2 Ziff. 1 der Gem O v. 6. 6. 95 Genehmigung 
der Aufsichtsbehörde zu Beschlüssen über Benut- 
zungsgebühren vor, wenn die Benützung zur 
Zwangspflicht gemacht wird. Ferner sind ge- 
wisse Gebühren besondern Genehmigungsvor- 
schriften unterworfen (GemO v. 1895 § 76 Nr. 10 
und 11, § 76 Nr. 10). Zum Teil ist das Recht 
der Gem zur Gebührenerhebung durch einzelne 
Spezialgesetze geregelt, z. B. Schulgeld G v. 
29. 3. 89 § 5. Kirchhofgebühren O v. 6. 12. 43 
a 3 usw. 
5. Gemeindebeiträge. Der Begriff der Bei- 
träge hat in der Wissenschaft und Li- 
teratur eine hinreichend scharfe und feste 
Umgrenzung noch nicht erhalten [J Gebühren 
l a. E.]), während er neuerdings in einigen 
Gesetzgebungen schärfer umgrenzt ist (z. B. 
Pr. Komm AbgG # 9, Bad. G v. 19. 10. 06 569). 
Am einfachsten und folgerichtig erscheint es, das 
Anwendungsgebiet auf diejenigen Veranstaltun- 
gen der Gem zu beschränken, welche den Besitzern 
der in der Nähe belegenen Grundstücke oder Ge- 
werbetreibenden wirtschaftliche Vorteile bringen; 
sie stellen daher eine Gattung von Abg dar, welche 
nur je von einer bestimmten Kategorie von Gem- 
Einwohnern erhoben und welche häufig nach den 
Graden des Interesses in verschieden abgestuften 
Beträgen entrichtet werden. Hiernach werden 
unter Beiträgen solche Abg verstanden, durch 
welche die Einzelnen sich an dem durch die 
Einrichtung und Unterhaltung 
öffentlicher Gemeindcanlagen er- 
wachsenden Kostenaufwande im 
Hinblick auf den ihnen erwachsen- 
den wirtschaftlichen Vorteil und 
nach dessen Maßgabe beteiligen. 
Dieser Begriffsabgrenzung entsprechend liegt das 
Hauptgebiet der Anwendung in denjenigen Zwei- 
gen der Gem Verwaltung, welche sich auf die 
Errichtung und Unterhaltung der öffentlichen 
Verkehrswege — Straßen, Plätze, Kais, Kanäle, 
ferner Ent= und Bewässerungs-, sowie Beleuch- 
tungsanlagen, Feuerlöschwesen u. a. — beziehen. 
Hieraus folgt, daß, soweit die Beiträge im Fi- 
nanzwesen der Gem eine erheblichere Bedeu- 
tung erlangt haben, dies fast ausschließlich in 
dem der größeren Städte der Fall gewesen ist. 
Ein berechtigter Zug der Entwickelung geht da- 
hin, ihnen eine immer weitere Ausgestaltung und 
damit ein immer umfassenderes Gebiet der An- 
wendung zu geben.
	        
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