118
Gemeinde (IV. Vermögensverwaltung)
Namentlich hatte die Miquelsche Kommunal=
steuerreform die Absicht, die Erträge der Gem
aus Beiträgen wesentlich zu steigern (§#§# 9 u. 10
— Anliegerbeiträge —). Doch wurde hier — be-
sonders wegen der Umständlichkeit des Verfahrens
— die Absicht noch in wesentlich geringerem Maße
erreicht, als bei den Gebühren. Während 1895/96
die Beiträge (einschl. Anliegerbeiträge) in den
Stadtgemeinden Preußens 2 842 000 Mk.
1,5% des Finanzbedarfs ausmachten, stieg ihr
Betrag bis 1905 allerdings auf 6 788 000 Mk.,
vermochte aber auch dann nur 1,8% des ge-
samten Finanzbedarfs zu decken.
Für Preußen wurden zuerst die sog. „Anliegerbei-
träge“" (G v. 2. 7. 75 betr. Anlage und Beränderung von
Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften)
gesetzlich fixiert. Eine generelle Regelung des Begriffs und
Anwendungsgebietes, sowie des formalen Berfahrens traf
sodann 1 9 des KommAbg G. Danach können Gemeinden
behufs Deckung der Kosten der Herstellung und Unterhaltung
von Beranstaltungen, welche durch das öffentliche Interesse
erfordert werden, von denjenigen Grundeigentümern und
Gewerbetreibenden, denen hierdurch besondere wirtschaft-
liche Borteile erwachsen, Beiträge zu den Kosten der
Veranstaltungen erheben. Die Beiträge sind nach den Bor-
teilen zu erheben. Ihre Erhebung muß erfolgen, wenn an-
dernfalls die Kosten, einschließlich der Ausgaben für Ber-
zinsung und Tilgung des ausgewendeten Kapitals durch
Steuern aufszubringen sein würden. Plan der Veran-
staltung nebst Kostennachweis ist offenzulegen, der GemBe-
schluß bekannt zu machen. Dagegen sind Einwendungen,
sowie Beschwerden zulässig. Eine Zusammenstellung des
kurzen Inhalts der oberverwaltungsgerichtl. Entscheidungen
zu 19 s. im Preuß. BVerw. Bltt. Jahrg. XXXII S. 115.
S. neuerdings auch G v. 18. 8. 02 wegen Vorauslei=
stungen zum Wegebau.
In Bayern behandelt die GemO „Beiträge“ nicht
besonders. Man könnte sie als „börtliche Abgaben“ (a 40)
mit Genehmigung des Ministers einführen. Beiträge fünden
sich auch in den Bauordnungen (zur Herstellung der Straßen).
Für Sachsen s. unter 4 4. :
Das württembergische Gesetz betr. die Be-
steuerungsrechte der Gem und Amtskörperschaften von 1903
verweist wegen Erhebung von Beiträgen auf besonderes
Gesetz (a 2), umgrenzt im übrigen den Begriff ähnlich wie
Preußen.
Für Baden ist maßgebend der 1 69 der GemO
und St- in der durch die neue Gesetzgebung geäuderten und
vervollständigten Fassung (Bek v. 19. 10. 06, GS 534). Die
Fassung weicht mehrfach von der preußischen ab. Sie lautet
in Abs 1 u. 2 wie folgt: (Abs 1) „Wenn durch Veranstal-
tungen, welche von der Gemeinde im öffentlichen oder
gemeinwirtschaftlichen Znieresse ausgeführt, un-
terhalten oder in Betrieb genommen werden, für einzelne
Besitzer oder Unternehmer oder für abgegrenzte
Teile der Gemarkung besondere Vorteile darge-
boten oder bestimmte Nachteile abgewendet
werden, oder wenn die Nutzung von einzelnen Beteiligten
dieser Art in besonderem Maße in Anspruch
genommen wird, kann durch Gem Beschluß mit
Staatsgenehmigung bestimmt werden, daß die Beteiligten
zur gänzlichen oder teilweisen Deckung der durch die Her-
stellung, Unterhaltung oder den Betrieb erwachsenden
Kosten besondere Beiträge zu entrichten haben. (Abs 2) Die
Beiträge sind nach der Größe der gebotenen Vorteile oder
abgewendeten Nachteile oder des durch ihre besondere In-
anspruchnahme verursachten Kostenaufwands zu bemessen,
wobei auch die Leistungen, welche die betr. Per-
sonen aufs Grund ihrer allgemeinen Gemein-
desteuerpflicht oder kraft freiwilliger
Uebernahme an die Gemeinde zu machen
hoben, sowie die Borteile, die aus dem
Besitz und den Unternehmungen der Bei-
zuziehenden sonst der Gemeinde zugehen,
in billiger Weise zu berücksichtigen sind.
In den GemOrdnungen von Hessen und Elsaß-Loth-
ringen werden die Beiträge nicht besonders behandelt.
B. Gemeindestenern.
z 6. Bedeutung und Umbildung der Gemelndesteuern.
I. Allgemeines. 1 7. Begriff. Direkte und in-
direkte Steuern. 1 8. Zuschläge zu den Staatssteuern
und selbständige Steuern. 5 9. Allgemeine und Zweck-
oder Spezialsteuern, Orts-, Interessenten= und Genossen-
schaftssteuern. #& 10. Gebiet der Gemeinde-Autonomie.
Steuerregulativel-ordnungen).
II. Richt= und Grundlinien der einzel.
staatlichen Besteuerungssysteme. 1. Der
Herrschaftsbereich im Reichs= und Landesrecht.
5 11. Reichsgesetzliche Beschränkungen. 1 12. Aufgabe der
Landesgesetzgebung. 2. Die Gemeindebesteuerungs-
systeme der einzelnen Staaten. 113—16. Preu-
ßen. 4 17. Bayern. 4 18. Sachsen. 1 19. Württemberg.
z 20. Baden. 1 21. Hessen. # 22. Elsaß-Lothringen.
III. Inhalt und Umfang der Besteue-
rungsge walt. 1 23. Begriff und Subjekt. 1 24. Be-
grenzung der Steuergewalt: Grundsätzliches. 4 25. Einzel-
heiten: Preußen. ## 26. Andre Gliedstaaten. # 27. Befrel-
ungen; ermäßigte oder begrenzte Beranlagung.
IV. Die einzelnen Stadien des Besteue-
rungsverfahrens. 4 28. Veranlagung und Beru-
fung. 1 29. Einziehung und Beitreibung. §s 30. Strafen
und Nachbesteuerung.
6. Einleitung. Wachsende Bedentung und
aualitative Umbildung der Gemeindestenern.
Der Gebrauch, den in früheren Jahrhunderten
die Gem von der Besteuerung machten, war ein
eingeschränkter; nur allmählich hat derselbe wäh-
rend des 19. Jahrhunderts an Ausdehnung ge-
wonnen, bis er in den letzten Jahrzehnten zu dem
jetzigen erheblichen, noch immer wachsenden Um-
fange emporgestiegen ist. Jene geringere Be-
deutung der St für den Haushalt der Gem in
der Vergangenheit beruhte einmal darauf, daß
in der Befriedigung der administrativen Bedürf-
nisse die unmittelbare Verwendung von Gem-
Vermögen, sowie von Diensten und Natural-
leistungen der Gem Angehörigen, wie dies der
herrschenden Naturalwirtschaft entsprach,
eine vorwaltende * Stellung einnahm, sodann
aber auch darauf, daß die Bedürfnisse an
sich weniger umfangreiche waren und
der privatwirtschaftlichen Auffassun
der Gem WVirtschaft gemäß die Ausgaben na
den Einnahmen bemessen wurden. Eine Ver-
änderung erfuhr das Verhältnis zuerst in den
Städten. Das engere Zusammenwohnen
einer zahlreichen Bevölkerung und das intensiver
entwickelte Gemeinleben riefen hier eine Reihe
von Aufgaben so gebieterischer Natur hervor, daß
ihre Erfüllung von dem Maße der vorhandenen
Mittel nicht abhängig gemacht werden lonnte,
vielmehr Anlaß zu einer Erweiterung der
Mittelbeschaffung wurde. Andererseits
steigerte das Verschwinden der Naturaldienste
und Naturalleistungen, welche mit dem städ-
tischen Erwerbsleben sich nicht mehr vereinigen