Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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IV. Die einzelnen Stadien des Bestenerungs- 
verfahrens 
28. Beraulagnung und Berufung. Ver- 
anlagung ist das Verfahren zur Ermittelung 
und Feststellung der die Abmessung der indivi- 
duellen St Pflicht begründenden Tatsachen. Im 
weiteren Sinne genommen, begreift es 
auch das Berufungs= bezw. das Be- 
schwerde verfahren gegen die Feststellungen 
der in erster Linie mit der Veranlagung be- 
trauten Organe in sich. Die Veranlagung hat 
bezüglich derjenigen direkten GemSt, welche 
als SZuschlage zu den Staats St oder auf 
Grund der Verteilung dieser letzteren erho- 
ben werden, eine materielle Bedeutung 
nur ausnahmsweise in denjenigen Fällen, in 
denen, weil es sich um Heranziehung von Per- 
sonen oder Objekten, die von der Staats St be- 
freit, zur Entrichtung der Gem St aber verpflichtet 
sind, handelt, eine fingierte Einschätzung 
zur Staats St vorgenommen werden muß. Im 
übrigen beschränkt sich die im Veranlagungsver- 
fahren erfolgende Feststellung auf die Feststellung 
der Tatsache der Veranlagung zur Staats- 
steuer und ihres Betrages für den St- 
Pflichtigen. Eine selbständige materielle Bedeu- 
tung hat dagegen die Veranlagung bei den 
namentlich in Preußen und Sachsen zugelassenen 
selbständigen Gemt, insoweit sie auf 
Grundlagen, die von der Verteilung der Staats St 
unabhängig sind, erhoben werden, sei es, daß bei 
dieser Veranlagung die Ergebnisse der Veranla- 
eug zur Staats St benutzt, sei es, daß ihnen völlig 
elbständige Ermittelungen zugrunde gelegt wer- 
den. Die Benutzung der Ergebnisse der Staats- 
steneweranlagung ist in der Regel nicht nur ge- 
stattet, sondern wird auch begünstigt (s. z. B. 36 
Pr. KAG). In Sachsen wird die Benutzung der 
staatlichen Einkommensteuerkataster zur Veranla- 
gung der Kommunalabgaben unter der Voraus- 
setzung gestattet, daß solche geheim gehalten wer- 
den und die Feststellung der St bereits erfolgt ist 
(s. v. d. Mosel, Gem Anlagen). 
Die zuständige Instanz für die Veranlagung 
ist in der Regel die Gem Verw Behörde, doch ist 
in den Staaten, die eine selbständige Kommunal= 
besteuerung haben, die Bildung einer besonderen 
Kommission für jenes Geschäft, deren Mitglieder 
alsdann sämtlich oder zum großen Teil von der 
Gem Vertretung oder Gem Versammlung zu wäh- 
len sind, entweder vorgeschrieben oder zulässig. 
Stellenweise werden auch besondere St Ausschüsse 
gebildet. 
Die Berufung gegen die Entscheidungen 
des örtlichen Veranlagungsorgans folgt in der 
Regel dem für die Beschwerden gegen Verfü- 
gungen der Gem Behörden vorgeschriebenen In- 
stanzenzuge, soweit das bezügliche Verfahren 
nicht — so in Preußen KommAbg s§ 69 ff — 
durch das verwaltungsgerichtliche ersetzt worden 
ist, das zunächst mit einem Einspruche bei 
der veranlagenden Behäörde selbst beginnt, gegen 
deren Beschluß Klage im Verwaltungsstreitverfah- 
ren gegeben ist. Aber auch da, wo im Prinzip die Er- 
ledigung im administrativen Instanzenzuge 
vorbehalten ist, pflegt die Entscheidung der vorwie- 
gend rechtlicher Beurteilung unterliegenden 
  
  
  
  
Gemeinde (IV. Vermögensverwaltung) 
Fragen dem verwaltungs-= bezw. zivilgerichtlichen 
Verzahren vorbehalten zu sein. So in Bayern, 
wo zwar Beschwerden gegen die Beschlüsse der 
Gem Verwaltungen und -Versammlungen wegen 
der Umlage= Erhebung durch die vorge- 
setzten Verw Instanzen zu erledigen sind, dagegen 
Streitigkeiten über die Verpflichtung zur 
Teilnahme an den Gemumlagen dem verwal- 
tungsgerichtlichen Verfahren unterliegen, privat- 
rechtliche Ansprüche auf Umlagefreiheit aber von 
den Gerichten auszutragen sind (Gem-O für das 
rechtsrh. Bayern a 163; G, den Verwerichtshof 
betr., v. 8. 3. 78 a 8 Ziff. 30; Krais HB d. inn. 
Verwaltung“ 1898 3, 392). 
29. Einziehung und Beitreibung. Die 
Einziehung von Gemt steht im allgemei- 
nen unter dem Einfluß der für die Kassen- 
führung der Gem maßgebenden Vorschriften 
und erfolgt unter Leitung derjenigen Organe, 
die mit der Kassenführung betraut sind. Die Be- 
sorgung dieses Geschäfts durch Staatsbe- 
amte kommt daher regelmäßig nur insoweit 
vor, als diesen zugleich die Kassenverwaltung der 
Gem obliegt. Bemerkenswert ist, daß namentlich 
in neuerer Zeit, im Interesse der Vereinfachung 
des Geschäftsgangs, der Kostenersparnis, aber 
auch im Interesse der St Pflichtigen vielfach die 
Gem= und Staats St gemeinsam erhoben werden 
Steuerverwaltung, direkteil. 
Die Beitreibung erfolgt überall im 
administrativen Vollstreckungsverfahren, 
wie solches für die auf öffentlich-rechtlicher Ver- 
dlüichtung beruhenden Leistungen im allgemeinen 
durch Vollstreckungsordnungen oder sonstige be- 
sondere Gesetze geordnet zu sein pflegt, welche die 
verschiedenen Stadien des Verfahrens, sowie nach 
Maßgabe der Vollstreckungsobjekte einzuhalten- 
den besonderen Formen und Modalitäten regeln. 
Der Einleitung des Verfahrens muß der Regel 
nach die Mahnung vorangehen (z. B. Bayer. 
GemO a 48 und 38, und jetzt a 33 G v. 22. 8. 
10. Bad. G v. 19. 10. O6/1. 1. 1908 §J 95.) Das 
Ergebnis des Verfahrens kann meist nur 
insoweit angefochten werden, als der Man- 
gel oder der Wegfall der Voraussetzungen für 
die Zulässigkeit des Verfahrens oder entgegen- 
stehende Privatrechte geltend gemacht werden 
können. So gestattet das preuß. G über Erwei- 
terung des Rechtswegs v. 24. 5. 61 die zivilrecht- 
liche Klage auf Erstattung des im Wege der Bei- 
treibung Gezahlten dann, wenn dieselbe auf die 
Behauptung, daß die einzelne Forderung bereits 
früher getilgt oder verjährt sei, gegründet und wenn 
sie spätestens binnen 6 Monaten nach erfolgter 
Beitreibung oder geleisteter Zahlung anhängig 
emacht wird. Die Vorschriften über Wahl und 
eihenfolge der Exekutionsmittel und Exekutions- 
objekte, wie sie in den das administrative Voll- 
streckungsverfahren regelnden Bestimmungen ent- 
halten sind, pflegen im allgemeinen auch für die 
Beitreibung der St zu gelten [J Verwaltungs- 
Zwangsverfahren!. 
#30. Steuererlaß und Stenerermäßigung. 
Den Gem steht das Recht des Erlasses und Cr- 
mäßigung sowie der Niederschlagung von St, 
wenn St lediglich als Zuschläge zu Staats t 
erhoben werden, regelmäßig nicht zu, wohl aber, 
wenn sic selbständig St erheben. Oefters wird 
ihnen aber auch für ersteren Fall das Erlaßrecht 
 
	        
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