Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gemeinde (V 
Staatsaufsicht) 155 
  
zulegen. Dem Kreisausschusse liegt die Revision 
der Gemechnungen in der Weise ob, daß solche 
alljährlich bei mehreren Gem des Kreises zu er- 
folgen hat. In der Rheinprovinz erfolgt die end- 
gültige Prüfung und Feststellung der Rechnung 
durch den Landrat. Im Königreich Sachsen 
gehört die Justifizierung der Gem Rechnung un- 
eingeschränkt zur Zuständigkeit des Gemeinderats. 
Die Gesetzgebungen der süddeutschen Staaten — 
Bayerns, Württembergs, sowie El- 
saß--Lothringens und bedingt auch 
Badens — stehen auf dem Standpunkte obrig- 
keitlicher Abhörung und Bescheidung der Rech- 
nungen. In Hessen ist das Gemzechnungs- 
wesen beim staatlichen Rechnungshof zentralisiert. 
Literatur: Zur Geschichte: L. Schönberg, 
Die Technik des Finanzhaushalts der deutschen Städte im 
Mittelalter 1910. Sodann v. Reitzenstein (olly), 
Kommunales Finanzwesen in Schönberg 2. Halb- 
band 1898; Silbergleit, Preußens Städte 1908; 
Uhland, Die Finanzgorganisation der deutschen Städte- 
verwaltungen 1906; Hövermann, Zur Reform des 
Etats-, Kassen= und Rechnungswesens 1905. S. auch die 
Literaturnachweisung in den Schriften des Vereins für 
Sozialpolitik 127 II, 262. Ueber das formelle Etats-, Kassen- 
und Rechnungswesen der Gemeinden s. auch Constan- 
tini, Das Kassen= und Rechnungswesen der Stadtgemein- 
den 1903;:; Kramer, Leitfaden für das Etats-, Rech- 
nungs- und Revisionswesen der deutschen Stadtgemeinden 
1904: Machowiz, Grunds. f. d. Etats-, Kassen-= und 
Rev. Wesen der Stadtgemeinden? 1908; Kramer, Kauf- 
männische oder kameralistische Buchjührung für Staats- und 
Gemeindebetriebe 1907; Quensel, Grundzüge des Städti- 
schen Etatswesens 1910; Buschkeil, Das Kassen= und Zah- 
lungswesen der staatlichen und kommunalen Behörden im 
Königreich Sachsen (in Münchener Volkswirtsch. Studien 
1909). Klapdor, Die kameralistische Buchführung 1910; 
Glaubach, Buchführung für die Stadt= und Gemeinde- 
verwaltung 1911; Lesser, Gemeindliches Kassenwesen 
in Bayern rechts des Rheins 1911. Ferner im Pr. Verwltt 
Jahrg. XXXII S. 194 (Kramer und die dort äfltierte Lite- 
ratur über kaufm. und kameralistische Buchführung). 
D. Schwarz (v. Reitzenstein). 
V. Staatsaufsicht 
Im allgemeinen behandelt unter „Gemeinde- 
verwaltung“" S 105, Einzelheiten in den Artikeln 
über Gemeindeorganisation S 55 ff. und Ge- 
meindevermögen z. B. S. 110, 122, 148. Eine 
besondere Darstellung erfordert noch 
Preußen 
In der räumlichen Einteilung des Staatsge- 
bietes stellt die Gem, abgesehen von den selbstän- 
digen Gutsbezirken, die unterste Einheit dar. Daß 
sie als solche teils unmittelbar, teils durch Inan- 
spruchnahme ihrer Organe im weitesten Umfange 
zur Besorgung staatlicher Geschäfte herangezogen. 
wird, ist bereits erwähnt worden. Naturgemäß 
liegt der größere Teil dieser Aufgaben auf 
dem Gebiete der Verwaltung und zwar nicht bloß 
der inneren, sondern auch der Militär-, der Steuer- 
verwaltung usw. Aber auch Justizsachen sind ihrer 
Zuständigkeit überwiesen, sei es, daß sie direkt mit 
der eigentlichen Rechtsprechung (der Gewerbe- 
und Kaufmannsgerichte), sei es, daß sie mit der 
Wahrnehmung einzelner Geschäfte der freiwilli-, 
gen Gerichtsbarkeit betraut wurde — BGB 
§l 2249, 2250; AG z. BGB a 80; preuß. G über 
die freiwillige Gerichtsbarkeit v. 21. 9. 99 a 104 
bis 127 — und an der Gesetzgebung ist die Gem 
insofern beteiligt, als sie durch den Erlaß von Orts- 
statuten und Polizeiverordnungen Rechtsnormen 
schaffen kann, die innerhalb ihres Gebietes für 
jedermann gleich einem Gesetz Geltung haben. 
Der Erlaß von Ortsstatuten gehört im wesent- 
lichen allerdings nur noch formell hierher, ma- 
teriell fällt er überwiegend bereits in den andern 
Teil des Wirkungskreises der Gem, welcher der 
Besorgung ihrer eigenen Angelegenheiten ge- 
widmet ist. Das Recht zur Selbstverwaltung die- 
ser Angelegenheiten ist der Gem in allen Gem- 
Gesetzen gewährleistet, ohne daß irgendwo gesagt 
wird, welcher Art denn nun diese eigenen Ange- 
legenheiten der Gem sind. Aus dem Mangel sol- 
cher Bestimmungen folgt aber lediglich, daß die 
Wirksamkeit der Gem als solcher grundsätzlich un- 
beschränkt und nur in räumlicher Beziehung durch 
den lokalen Charakter der Gem Aufgaben über- 
haupt begrenzt ist. Was die Wohlfahrt des Gan- 
zen, die materiellen Interessen und die sittliche 
und geistige Entwickelung des Einzelnen zu 
fördern vermag und der Gem nach Maßgabe ihrer 
Kräfte erreichbar ist, kann diese daher in den Be- 
reich ihrer Wirksamkeit ziehen, denn „die deutsche 
Gem umfaßt ihrer Entwickelung und ihrem Wesen 
nach einen allgemeinen Komplex wirtschaftlicher, 
gesellschaftlicher und politischer Zwecke, welche 
die Gesetzgebung nur durch das Staatsaufsichts- 
recht begrenzt hat“: OVG.2, 190; 12, 158; 13, 128. 
Um die Regelung ihrer Angelegenheiten mit 
der Kraft objektiver Rechtsnormen auszustatten, 
ist der Gem das Mittel des Ortsstatuts gegeben. 
Als obligatorische Zusammenfassung aller vom 
Genesetz dahin verwiesenen Punkte ist das Orts- 
statut nur den StO Ha. und S.--H. bekannt. 
Die übrigen Gem — in LG#O Ha. ist nichts ge- 
sagt, doch gilt dasselbe — sind lediglich befugt, 
über solche Angelegenheiten der Gem und solche 
Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder, hinsicht- 
lich deren das betr. Gem Gesetz Verschiedenheiten 
gestattet oder keine ausdrücklichen Bestimmungen 
enthält, sowie über sonstige eigentümliche Verhält- 
nisse und Einrichtungen statutarische Anordnungen 
zu treffen, die der Genehmigung durch den Kreis- 
bezw. Bezirksausschuß bedürfen (Zust G 8# 16, 31). 
Als Besonderheit der StO und LGO H.-N. ist 
anzumerken, daß die Entwürfe zu solchen Anord- 
nungen vor dem endgültigen Beschlusse der Gem- 
Vertretung zur öffentlichen Kenntnis in der Gem 
zu bringen sind, damit jedes Gem Mitglied in die 
Lage versetzt wird, binnen 2 Wochen bei dem Gem- 
Vorstand Einwendungen zu erheben, dic dieser 
der Gem Vertretung zur Beschlußfassung vorzu- 
legen hat. Aehnlich bestimmt der § 142 GewO, 
daß alle auf Grund dieses Gesetzes (38 23 Abs 3, 
33, 34, 105, 119 a, 120) zulässigen Ortsstatute 
erst nach Anhörung beteiligter Gewerbetreibender 
und Arbeiter erlassen werden dürfen. Außer den 
danach in Betracht kommenden Materien sind der 
Regelung durch Ortsstatut kraft besonderer gesetz- 
licher Vorschriften ferner zugänglich: die Vertei- 
lung der Quartier= und Naturalleistungen für die 
bewaffnete Macht, die Regelung des Anbaues an 
öffentlichen Straßen und die Aufbringung der 
Kosten für sie, das Sparkassenwesen, die Ein- 
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.