Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gemeinde (Staatsaufsicht) — Gemeindegerichte 
  
richtung öffentlicher Schlachthäuser, der Erlaß be- 
sonderer Gem Steuerordnungen u. a. m. 
Gesetze die Form des Ortsstatuts vorsehen, ist 
diese auch die einzige, in der der betreffende Ge- 
genstand überhaupt behandelt werden darf. Ein 
einfacher Gem Beschluß, wie er sonst genügen 
würde, ist daher in diesem Falle nicht ausreichend. 
Daß die Gem in der Erledigung staatlicher Auf- 
gaben an die Weisungen der staatlichen Behörden 
gebunden ist, versteht sich von selbst. Die Zustän- 
digkeitsverhältnisse der letzteren sind dabei ebenso 
verschieden wie der Pflichtenkreis der Gem selbst 
je nachdem diese eine Land Gem oder eine Stadt 
und als Stadt kreisfrei oder kreisangehörig ist, 
wobei im letzteren Falle noch wieder die Zahlen- 
grenze von 100000 Einwohnern eine gewisse Rolle 
spielt. Aber auch in der Besorgung ihrer eigenen 
Angelegenheiten steht die Gem der Staatsgewalt 
nicht völlig frei und selbständig gegenüber, son- 
dern muß sich eine gewiße Beaussichtigung ge- 
fallen lassen. Ausgeübt wird das staatliche Auf- 
sichtsrecht über die Land Gem in erster Instanz 
von dem Landrat — und zwar in seiner Eigenschaft 
als Vorsitzendem des Kreisausschusses, sodaß eine 
Vertretung durch den Kreissekretär dabei ausge- 
schlossen ist —, in höherer und letzter Instanz von 
dem Reg Präsidenten, über die Städte dagegen 
in erster Instanz von diesem und in höherer und 
letzter von dem Oberpräsidenten: Zust G 5# 7, 24; 
für Ho. s. Gem O 103. Sein Umfang ist, abgesehen 
von den kurzen Bemerkungen in StO Ha. 119 
und S.-H. 92, nur in der LG Rh. (114) näher 
begrenzt und zwar hier fast wörtlich gleichlautend 
mit dem §5 139 StO v. 1831, der für die Praxis 
der VerwBehörden und -Gerichte allgemein noch 
heute maßgebend ist: O## 25, 46; 27, 80; 
28, 95; 35, 118; Pr. VBl 23, 776; 24, 53. Danach 
ist die Aufsichtsbehörde berechtigt und verpflichtet 
a) sich Ueberzeugung zu verschaffen, ob in jeder 
Gem die Verwaltung nach den Gesetzen überhaupt 
und nach dem betr. Gem Verfassungsgesetz insbe- 
sondere eingerichtet sei; b) dafür zu sorgen, daß 
die Verwaltung fortwährend in dem vorgeschrie- 
benen Gange bleibt, und angezeigte Störungen 
beseitigt werden; c) die Beschwerden einzelner 
über die Verletzung der ihnen als Mitglieder der 
Gem zustehenden Rechte zu untersuchen und zu 
entscheiden; d) die Gem zur Erfüllung ihrer 
öffentlich-rechtlichen Pflichten anzuhalten und 
e) in den Fällen zu entscheiden, die im Gesetz 
dahin verwiesen sind. 
Zu dieser allgemeinen Ermächtigung treten 
dann noch zahlreiche Einzelbe fugnisse wichtigster 
Art, die teilweise den obengenannten speziellen 
Aufsichtsbehörden, zum Teil auch anderen staat- 
lichen Instanzen, den Verw Gerichten usw., zu- 
stehen. Die Bestätigung der Gem Vorstands- und 
einer Reihe anderer Beamten der Gem sowie die 
Disziplinargewalt über sie, die Genehmigung von 
Ortsstatuten, die Beanstandung von gesetzwidrigen 
Beschlüssen der Gem Kollegien im Wege der An- 
weisung an den Gem Vorstand sowie das tief ein- 
schneidende Recht der Auflösung ganzer Gem- 
Vertretungen wurde bereits erwähnt. Inwie- 
weit die Staatsaufsicht in die Finanzgebah- 
rung, zumal die Vermögensverwaltung der Gem 
eingreift Gemeindevermögen und 
über die Zwangsetatisierung [Gemeinde- 
haushalt S 148. 
  
2 
  
  
— — — — 
  
StO O. 9, 11, 50—55; W. 9, 11, 49—54; Rh. 8, 10, 
Wo die 46—51; Ha. 1—3, 119; Fr. 2, 3, 60, 61; S.-H. 17, 18, 
71—74; H.-N. 12, 13, 44—60; LG Rh. 95—99; W. 2, 
3, 58—55; O. und S.-S. 5, 6, 114, 115; H.-N. 5, 6, 78, 
79; Gem DO Ho. 5, 6, 84—86, 1083, 105. 
Markull. 
Gemeindegerichte 
1 1. Algemeines (Charalter, Geschichte, Quellen). 
5m2. Organe. 3 3. Bereich der Gemeindegerichte. #§ 4. Das 
gemeindegerichtliche Berfahren. # 5. Die Berufung auf 
den ordentlichen Rechtsweg. 1 6. Besondere Verfahrens. 
arten. 1 7. Zwangsvollstreckung. 1 8. Statistik. 
5s 1. Allgemeines (Charakter, Geschichte, 
Luellen). 
I. Das Institut der G. ruht auf dem gesetzgebe- 
rischen Bestreben, die Anrufung der ordentlichen 
Zivilgerichte dadurch eventuell zu ersparen, daß 
in hierzu geeigneten Rechtsstreitigkeiten zunächst 
ein anderes, leichter zu erreichendes, billiger, ein- 
facher und rascher arbeitendes Organ — ein be- 
sonderes Gericht oder eine Verw Behörde — für 
den Versuch einer Erledigung der betr. Rechts- 
reitigkeiten gegeben wird. Das Charakteristische 
peziell für die G. ist, daß hier Gemeindeorgane 
als solches Organ funktionieren sollen, weiter daß 
dieses Organ nicht als erstinstanzliches Rechts- 
schutzorgan (wie z. B. nach Gewerbegerichts G 
55 die Gewerbegerichte), andererseits nicht als 
bloße Vergleichsinstanz (wie die „Schiedsmänner"), 
sondern als eine Vor= oder Versuchsinstanz, als 
Rechtsschutzorgan mit versuchsweiser, weil der 
Berufung auf den ordentlichen Rechtsweg (s. u. 
#5) unterliegender Erledigung der Sache ausge- 
staltet ist. Die G. sind reichsrechtlich zugelassene 
(s. sofort) besondere Gerichte (näheres Hegler, 
Das G. Verfahren in Baden und Württemberg, 
— 
II. Geschichte. In den beiden deutschen 
Partikularstaaten, welche heute noch Gemeinde- 
gerichtsbarkeit besitzen, Baden und Württemberg, 
findet sich diese Einrichtung schon seit geraumer 
Zeit. In Württemberg wurde die von altersher 
bestehende Zivilgerichtsbarkeit der Gemeinden 
durch die Gesetzgebung von 1818 und dann von 
1868 ausgestaltet. In Baden datiert die Tätig- 
keit der Bürgermeister in bürgerlichen Rechtsstrei- 
tigkeiten seit dem II. Konstitutionsedikt v. 14. 7. 
1807 §& 4 und 5, weiter befaßt sich mit derselben 
das „Organisationsreskript“ v. 26. 11. 1809, Beil. 
B Z. 7, d, in der Folge ist zu erwähnen das G 
v. 19. 4. 56 (RegBl 140), welches speziell die Ge- 
meindegerichtsbarkeit regelte. Anläßlich der 
Reichsjustizgesetzgebung wurden nach langen 
Kämpfen die G. als vom Reichsrecht (§ 14 Z. 3 
GV0) zugelassene besondere Gerichte ausgenom- 
men (näheres Legler 5 2). 
Außer 
III. Gesetzliche Quellenry. 
1) Bal. für Württemberg: Die Neue Justiz- 
gesetzgebung im Kgr. Württemberg, Amtl. Handausgabe, 
RZo. VI, 1879 (enthält die Materialien); Schmidlin, 
n 
Die Justizgesetze des D.R. in ihrer Anwend. aus Württ. 
1879, Bd. 2 E 181 ff (enthält die Motive); Hegler, 
A., Die württemb. Gesetze zur Ausführung d. 8 PO ufsw.
	        
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