Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Die meisten deutschen Gesetzgebungen haben 
sich mit solchen Kulturmaßregeln insbesondere seit 
Beginn dieses Jahrhunderts beschäftigt, im ein- 
zelnen aber verschiedene Wege eingeschlagen, über 
welche auf die Spezialgesetzgebungen verwiesen 
werden muß. Zu ihrer Würdigung ist an die Auf- 
gabe der deutschen Agrargesetzgebung zu erinnern, 
ein volles und uneingeschränktes Grundeigentum 
zu schaffen. Diese Aufgabe wird durch die Auf- 
hebung der Dienstbarkeitsrechte und anderer 
Nutzungsgemeinschaften allein noch nicht voll- 
ständig gelöst; die gegenseitige Abhängigkeit der 
Grundbesitzer hinsichtlich der Kulturart, der Acker- 
arbeit usw. bleibt mehr oder weniger bestehen, so 
lange die vermengte Lage der Grundstücke nicht 
beseitigt ist. Aber auch die Zusammenlegung für 
sich allein, ohne vorherige oder gleichzeitige Auf- 
hebung der (Weide-)ienstbarkeitsrechte, führt 
nicht zum Ziele. Den Anforderungen einer höhe- 
ren, allen Grundbesitzern gerecht werdenden Kul- 
turentwicklung entspricht nur dasjenige System, 
welches mit der Gemeinheitsaufhebung die Zu- 
sammenlegung verbindet oder doch neben jener 
auch diese gewährleistet. — Die preußische 
Gesetzgebung über Gemeinheits- 
teilungen hat dieses Sysiem frühzeitig an- 
-hecrbt und gegenwärtig im allgemeinen durch- 
geführt. 
Die preußischen Landesteile zerfallen nach der 
Gesetzgebung über GT und Servitutablösungen 
in 3 Gruppen: I. das Geltungsgebiet des Adn, 
in dem die GTO v. 7. 6. 1821 eingeführt ist, 
d. s. die unten zu I. bezeichneten Landesteile; 
II. die Landesteile, in welchen eine der GTOrd- 
nung nachgebildete Gesetzgebung unter preußi- 
scher Herrschaft stattgefunden hat, d. s. die unten 
zu II. bezeichneten Landesteile, in denen franzö- 
sisches oder gemeines Recht gilt; III. das vor- 
malige Königreich, die jetzige Provinz Hannover, 
wo die einschlagende hannoversche Gesetzgebung 
bestehen geblieben und lediglich durch preußische 
Gesetze ergänzt ist. — Nach a 113 EG z. BGB 
sind die landesgesetzlichen Vorschriften über die 
Zusammenlegung von Grundstücken über die 
GTaufw. unberührt gebliceben. 
I. Ost= und Westpreußen, Brandenburg, pom- 
mern, (ausschließzlich Neuvorpommern und nagen), 
Schlesien, Posen, Sachsen, Westfalen und die 
andrechtlichen Kreise der Rheinprovinz 
§ 2. Rechtsgeschichte. Die Bescitigung der 
Hindernisse, die für die Hebung der Landeskultur 
aus Gemeinheiten und Servituten entspringen, 
wurde in Preußen schon zeitig, namentlich 
von Friedrich d. Gr. ins Auge gesaßt. Den V v. 
21. 11. 1769 für Preußen, die Marken, Pommern, 
Magdeburg und Halberstadt, und v. 14. 4. 1771 
für Schlesient) schloß sich dann im wesentlichen 
das AL# an, das verordnete, daß die von Dorf- 
einwohnern oder benachbarten Gutsbesitzern bis- 
her auf irgend eine Art gemeinschaftlich ausgeübte 
Benutzung der Grundstücke zum Besten der allge- 
meinen Landeskultur soviel als möglich aufge- 
  
  
  
  
1) Mylinus, N. C. C. tom. IV a pag. 6217, und Korn, 
  
Gemeinheitsteilungen (Preußen) 
Hoben werden und auch die Aufhebung und Ein- 
chränkung einseitiger und wechselseitiger Dienst- 
barkeitsrechte gegen hinlängliche Vergütung zu- 
lässig sein sollte, wenn der Zweck der besseren 
Kultur der Grundstücke mit unveränderter Beibe- 
haltung der Dienstbarkeitsrechte nicht erreichbar 
wäre (1 17 55 311 ff, 350, 351; 122 58s 46, 138 ff, 
170 f) ). Auf diesen Grundlagen beruhten die 
nach dem Tilsiter Frieden „zum Retablissement 
des Landes“ in Angriff genommenen gesetzgeberi- 
schen Vorarbeiten?), die zum Erlasse der Ge- 
meinheitsteilungsordnung v. 7. 6. 
1821 (GS 53) führten. Diese hat das in den 
Edikten v. 9. 10. 1807 und 14. 9. 1811 (GS 1807 
S 171; 1811 S 300) ausgesprochene Prinzip der 
Befreiung des Grundeigentums weiter ausgestal- 
tet, insbesondere das Provokationsrecht und den 
Gegenstand der GThden Anforderungen der neue- 
ren Landeskultur entsprechend erweitert, aber 
an der Aufhebung einer gemeinschaftlichen Be- 
nutzung des Grundeigentums als dem Ausgangs- 
punkt einer GT noch festgehalten: eine Zusam- 
menlegung (Verkoppelung) von Grundstücken, die 
einer Gemeinheit nicht unterliegen, ist nach 
dieser Ordnung nicht zugelassen. Durch die GTO 
sind in ihrem Geltungsbereiche die älteren ein- 
schlagenden Vorschriften beseitigt. Ein zweites 
Gv. 7. 6. 1821 über die Ausführung der GT. und 
Ablösungsordnungen (G 83) hat das Verfahren. 
in GTSachen den ordentlichen Gerichten entzogen 
und in die Hände besonderer Behörden (der Ge- 
neral- und Spezialkommissionen) gelegt [#Aus- 
einand= esetzungen . 
Die GTO v. 7. 6. 1821 ist, abgesehen von ein- 
zelnen Bestimmungen, noch heute geltendes 
Recht. Die zu ihr erlassene V v. 28. 7. 38 über die 
Beschränkung des Provokationsrechts, sowie die 
deklaratorischen G v. 31. 3. 41 und 26. 7. 47 ent- 
halten nur wenige abändernde Vorschriften; das 
Gv. 2.3. 50, betr. die Ergänzung und Abänderung 
der GTO, bezweckte neben der Abstellung einiger 
Mängel hauptsächlich die Ergänzung der GTO; 
erheblicher sind die Abweichungen, die hinsichtlich 
der Forsten das G über gemeinschaftliche Hol- 
zungen v. 14. 3. 81 eingeführt hat (GS 1838, 429; 
1841, 75; 1847, 327; 1881, 251). 
Der auf Grund der vorgenannten Gesetze sich 
ergebende Rechtszustand wird im folgenden 
Abschnitt 4 dargestellt. 
Durch die neueste Gesetzgebung ist aber der GL 
im Sinne der vorerwähnten Gesetze auch diejenige 
Kulturmaßregel hinzugefügt, welche im Systeme 
der früheren Gesetzgebung zu ihrem Abschlusse 
noch sehlte, nämlich die Zusammenlegung 
von Grundstücken, die einer gemeinschaftlichen 
Benutzung nicht unterliegen, nach Maßgabe 
des Gv. 2. 4. 72 (GS 329). Hiervon im Ab- 
schnitte B dieser Darstellung. 
A. Gemeinheitsteilung. 
+ 3. Geltungsbereich der Gemeinheitstei- 
lungsordnung. Die GTO v. 7. 6. 1821 ist für 
1) Auch über das Verfahren in G1T Sachen gab schon das 
corp. jur. Fridericiant Vorschriften, die dann in die Allg. 
  
Schles. Ed.-Samml. v. 1771, S 45. Val. die Reskripte v. Ger.-Ordn. (T. I Tit. 43) übergingen. 
6. 2. 1773 und 5. 2. 1774 bei Mylius, tom. V d. pag. 
53—88 N. 8. 
2) Näheres bei Lette und v. Rönne, Die Landes- 
fkultur. Gesetzgebung des preuß. Staates 3, 3 ff.
	        
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