Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gemeinheitsteilung (Württemberg) 
der Kreisregierung gebunden. In der Hauptsache 
ist die Verfügung über die althergebrachten Ge- 
meindenutzungen der Selbstverwaltung der Ge- 
meinde überlassen. Tatsächlich ist ein Bestreben 
nach Aufteilung des Gemeindebesitzes oder Be- 
freiung des letzteren von den Gemeindenutzungen 
grundsätzlich weder seitens der Gemeinden noch 
seitens des Staats verfolgt worden, man hat den 
Nachteilen des Allmandwesens den Hauptvorzug 
der Erhaltung eines gleichmäßigen Vermögens- 
standes und selbständiger kleiner Leute vorange- 
stellt. So wurde der Fortbezug von Gemeinde- 
nutzungen neben Gemeindeumlagen von jeher 
als zulässig betrachtet, eine GT im Sinne etwa 
der preußischen Gesetzgebungspolitik wurde in 
Württemberg nie gefordert oder durchgeführt. 
2. Die Ablösung der RNealgemeinderechte 
ist in Württemberg aus wesentlich anderen als 
agrarpolitischen Gründen geregelt worden. Die 
Realgemeinden erhielten sich bis zum Jahre 1900 
als Ueberbleibsel der alten Markgenossenschaften 
in 551 Gemeinden Oberschwabens und der neu- 
württembergischen Landesteile. Diese Realge- 
meinden kennzeichnet das Merkmal, daß die 
Nutzungen in eine fest bestimmte Anzahl veräußer- 
licher und vererblicher Anteile zerlegt sind, welche 
den Realgemeinderechtsbesitzern als Privatrechte 
zustehen und in der Regel, aber nicht notwendig, 
dinglich festgewurzelt sind. Den Nutzungen ent- 
sprechen regelmäßig besondere Lasten für öffent- 
liche Zwecke der verschiedensten Art (Tragung des 
gesamten Ortsaufwands, Unterhaltung der Wege, 
Brücken, Brunnen, Gemeindegebäude, Fried- 
höfe, Kirchen und Schulen). Während nun früher 
der Wert der Nutzungen höher war, als der Wert 
der Leistungen, hat sich dieses Verhältnis im Lauf 
der Zeit zum Teil umgekehrt, die Leistungen für 
öffentliche Zwecke wurden ungern und ungenü- 
gend erfüllt und so ist die Forderung nach Auf- 
lösung der Realgemeinden weniger unter dem 
Gesichtspunkt der Befreiung des Grundeigen- 
tums von Kulturhemmungen und der Förderung 
der Bodenkultur als unter dem Gesichtspunkt 
der Ablösung der Lasten der Realgemeinderechts- 
besitzer und der Sicherung der Erfüllung össent- 
licher Zwecke erhoben worden. Nach verschiedenen. 
bis 1808 zurückgehenden gesetzgeberischen An- 
sätzen ist das G v. 28. 11. 00 nebst Vollz. V'g v. 
3. 12. 01 ergangen, das erfolgreich durchge führt 
wird. 
s 3. Tie Grundzüge des Gesetzes vom 28. 
Kod über die Ablösung der Realgemeinde- 
rechte. 
a) Allgemeines. Die mit Realgemeinde- 
rechten oder ähnlichen Rechten als bleibende Last 
verknüpften privatrechtlichen Verbindlichkeiten für 
öffentliche Zwecke und die aus solchen Verhält- 
nissen herrührenden Ansprüche auf Nutzungen 
aus dem Gemeindeeigentum oder sonstigen Ver- 
mögensrechten unterliegen auf Anrufung 
des berechtigten oder verpflichteten Teils der Ab- 
lösung. Von Amts wegen kann die Ab- 
lösung behufs ordnungsmäßiger Erfüllung öffent- 
licher Leistungen von der Kreisregierung ange- 
meldet werden. Der Antrag auf Ablösung der 
Lasten gilt zugleich als Antrag auf Ablösung der 
Nutzungen. 
b) Entschädigung. Die Grundlage bil- 
det das Verhältnis des Werts der Nutzungen zu 
  
  
dem Wert der Leistungen. Nutzungen an dem 
Gemeindeeigentum werden gegen Leistungen für 
Zwecke der bürgerlichen Gemeinde aufgerechnet; 
je nachdem der Wert der Nutzungen oder Leistun- 
gen größer ist, soll eine besondere Geldentschädi- 
gung im 20fachen Betrag des Mehrwerts ge- 
währt werden. Stehen den Nutzungsreckten am 
Eigentum der bürgerlichen Gemeinde Leistungen 
für Zwecke der Kirche und Schule gegenüber, so 
erfolgt die Ablösung der Nutzungen und der Lei- 
stungen je in gesondertem Verfahren und die 
Leistungen und Nutzungen gelangen je auf dem 
Weg der Geldentschädigung zur Ablösung. Ruht 
aber die Leistungspflicht auf einem Eigentum der 
Realgemeinderechtsbesitzer, so können zunächst die 
Leistungspflichtigen nicht wie im Komplerlasten- 
gesetz [JAblösungen] ihrer Verbindlich- 
keiten durch Abtretung des belasteten Eigentums 
sich entledigen, sodann ist die Naturalabfindung 
nicht der einzige Weg der Ablösung, vielmehr fin- 
det zunächst grundsätzlich eine Ablösung der Lei- 
stungspflicht durch Geldentschädigung im 20fachen 
Betrag des reinen Jahreswerts der Leistungen 
statt, es ist jedoch eine Abtretung der belasteten 
Liegenschaften bis zum Geldwert der Leistungen. 
gestattet, nicht vorgeschrieben. Hiernach vollzieht 
sich im allgemeinen die Ablösung der Leistungen 
durch die Ablösung der Nutzungen unter einer 
etwaigen Ausgleichung des Unterschieds durch 
eine Geldentschädigung, die Ablösung von nicht 
belasteten Nutzungen durch eine reine Geldent- 
schädigung und in diesen Fällen ist das Endergeb- 
nis die Auflösung der Realgemeinde (die Gemein- 
schaftsteilung). Nur in dem Fall, wenn die Lei- 
stungspflicht auf einem Vermögensbesitz der Real- 
gemeinderechtsbesitzer ruht und durch eine reine 
Geldentschädigung abgelöst wird, hat der Vorgang 
Aehnlichkeit mit der Ablösung einer Reallast, ob- 
gleich die Verbindlichkeiten der Realgemeinde- 
rechtsbesitzer nicht oder jedenfalls nicht notwendig 
Reallasten im juristischen Sinn sind. Eine ein- 
gehende Regelung haben die auf den Realge- 
meinderechten ruhenden Psandrechte er- 
halten, wobei im allgemeinen von der Erwägung 
ausgegangen wurde, daß der Wert der Sicherheit 
von Anfang an durch die mit den Realgemeinde- 
rechten verbundenen Lasten geschmälert war, der 
Wegfall der Leistungspflicht und das übertragene 
Vermögen an ökonomischem Wert einander gleich- 
stehen, demnach dem Pfandgläubiger als Sicher- 
heit nur derienige Teil des verpfändeten Vermö- 
gens verbleibt, der bei der Ablösung belassen wird, 
die abzutretende Liegenschaft also pfandfrei über- 
geht. Ferner soll dem Vorgang andrer Ablö- 
sungsgesetze entsprechend das Ablösungskapital an 
Stelle des verpfändet gewesenen Nutzungsrechts 
treten. Das Ablösungskapital kann anstatt in Bar- 
zahlung zu 40% verzinslich in Zcitrenten nicht 
unter 50 Mk. bis zur Dauer von 20 Jahren be- 
zahlt werden. 
c) Ablösungsverfahren. Der Antrag 
auf Ablösung ist bei dem Oberamt, ausnahms- 
weise bei der Kreisregierung, zu stellen; ist die 
Anmeldung erfolgt, so soll ihre Durchführung 
nicht mehr von dem wandelbaren Ermessen der 
Partei abhängen, vieln ehr von Amts wegen er- 
folgen. Die Ablösung von Nutzungen, welche einer 
Mehrzahl von Personen in ungeteilter Gemein- 
schaft zustehen und die Ablösung von Leistungen,
	        
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