Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
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Gerichtsverfassung 
  
  
Amtsgericht als sog. auswärtige (detachierte) 
Strafkammern gebildet werden dürfen (GVG878), 
sind: a) als erkennende Gerichte zuständig für die 
Verhandlung und Entscheidung über das Rechts- 
mittel der Berufung gegen die Urteile der Schöf- 
fengerichte (§76 GV0) und für die erstrichterliche 
Entscheidung der in den ##&# 73, 74 GV aufge- 
führten Vergehen und Verbrechen; b) sie sind 
zuständig für diejenigen die Voruntersuchung und 
deren Ergebnisse betreffenden Entscheidungen, die 
nach den Vorschriften der St PO vom Gerichte zu 
erlassen sind, dann zur Entscheidung über Be- 
schwerden gegen Verfügungen des Untersuchungs- 
richters und des Amtsrichters sowie gegen Ent- 
scheidungen der Schöffengerichte; c) sice erledigen 
die in der St PO den Landgerichten zugewiese- 
nen Geschäfte (§5 72 GVO). Die Strafkammern 
sind gegenwärtig mit 5, als beschließende Kam- 
mer und bei Berufungen in Uebertretungs= und 
Privatklagesachen mit 3 Berufsrichtern besetzt 
(GVG 77). 
[Der Entwurf der neuen St PO sieht Zuziehung 
von Schöffen und Verminderung der Berufs- 
richter vor, ferner aber Schaffung besonderer Be- 
rufungskollegien bei den Landgerichten für die 
bisher unbekannte Berufung gegen landgericht- 
liche Strafurteile.) 
Für die Verhandlung und Entscheidung der 
schwersten Strafsachen (der nicht zur Zuständig- 
keit der Strafkammern oder des Reichsgerichts 
gehörenden Verbrechen) treten bei den Landge- 
richten periodisch Schwurgerichte zusam- 
men, die aus drei richterlichen Mitgliedern ein- 
schließlich des Vorsitzenden und aus zwölf zur Ent- 
scheidung der Schuldfrage berufenen Geschwore- 
nen bestehen (§85 79 ff GVG). 
3. Die kollegialisch eingerichteten Ober- 
landesgerichte sind mit einem Präsiden- 
ten und der erforderlichen Anzahl von Senats- 
präsidenten und Räten besetzt. Bei ihnen werden 
Zivil= und Strafsenate gebildet. Die Oberlandes- 
gerichte sind zuständig für die Rechtsmittel: a) der 
Berufung gegen die Endurteile der Landgerichte 
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten; b) der Revision 
gegen Urteile der Strafkammern in der Berufungs- 
instanz; c) der Revision gegen Urteile der Straf- 
kammern in erster Instanz, sofern die Revision 
ausschließlich auf die Verletzung einer in den Lan- 
desgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird; 
d) der Beschwerde gegen Entscheidungen der 
Landgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten 
und aller Beschwerden in Sachen der Rechtshülfe 
und der sitzungspolizeilichen (7)] Ordnungsstrafen 
(GVG FF 160, 183): e) der Beschwerde gegen 
strafrichterliche Entscheidungen erster Instanz, 
soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammern 
begründet ist, und gegen Entscheidungen der Straf- 
kammern in der Beschwerdeinstanz und Beru- 
fungsinstanz (GV# # 119 ff); f) der weiteren 
Beschwerde in Grundbuchsachen und Sachen der 
freiwilligen Gerichtsbarkeit (GBO s 79; FGG 
§ 28) sowie der Beschwerde gegen erstinstanzliche 
Entscheidungen der Landgerichte auf diesem Ge- 
iete. 
Die Angelegenheiten zu f) und aus b) und c) 
die landesrechtlichen Strafsachen sind jedoch auf 
Grund reichsgesetzlicher Ermächtigung in Preußen 
dem Kammergericht, in Bayern dem Obersten 
Landesgerichte zugewiesen. 
  
  
– — –—..· — – — —ffl„ —ffl — — — — — —— Ô Á — — — — — — 
— — — — — 
Als Gerichte erster Instanz sind die OLG 
außer in den oben S 201 bezeichneten Angelegen- 
heiten landesrechtlich zustündig als Fideikommiß- 
behörden und Lehnshöfe, soweit nicht Ausnahmen 
bestehen, und als Stiftungsgerichte, ferner als 
Disziplinargericht. 
4. Das Reichsgericht ist mit einem Prä- 
sidenten und der erforderlichen Anzahl von Se- 
natspräsidenten und Räten besetzt. Bei ihm wer- 
den Zivil- und Strassenate gebildet. Das Reichs- 
gericht ist zuständig in bürgerlichen Rechts- 
streitigkeiten für die Verhandlung und 
Entscheidung über die Revision gegen die End- 
urteile der Oberlandesgerichte, jedoch mit Aus- 
nahme der in Arrestsachen und einstweiligen Verfü- 
gungen ergehenden Urteile. In vermögensrecht- 
lichen Angelegenheiten ist — mit gewissen Ausnah- 
men — die Revision von einer 4000 Mk. über- 
steigenden Revisionssumme abhängig (Z PO #5#546; 
Nov. v. 22. 5. 10). Die Zuständigkeit für Be- 
schwerden in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten 
ist durch die bezeichnete Novelle beseitigt 
bis auf einen anscheinend übersehenen Fall 
(Rechtshilfe, GVG. § 160). Berufungs- 
instanz ist das Reichsgericht für Entscheidungen 
der Konsulargerichte und für Entscheidungen des 
Patentamts wegen Vernichtung oder Zurück- 
nahme eines Patents ( 14 des Kons#; Pa- 
tent G § 33). In Strafsachen ist das Reichs- 
gericht zuständig: a) für die Untersuchung und 
Entscheidung in erster und letzter Instanz in den 
Fällen des Hochverrats und des Landesverrats 
gegen Kaiser und Reich; b) für das Rechtsmittel 
der Revision gegen Urteile der Strafkammern 
in erster Instanz, insoweit nicht die Zuständigkeit 
der Oberlandesgerichte begründet ist und gegen 
Urteile der Schwurgerichte (§§ 1256 ff GVGj. 
In der freiwilligen Gerichtsbarkeit und in 
Grundbuchsachen ist das Reichsgericht zuständig 
zur Entscheidung der weiteren Beschwerden (oder 
Beschwerden), die ihm gemäß FGG z8 28, 143, 
GBO 879) von dem OLG zur Entscheidung vor- 
gelegt werden. 
Als Revisionsgericht sür Bayern wird zum 
Teil — jetzt freilich nur noch in geringerem Um- 
fange — das Reichsgericht ersetzt durch das Oberste 
Landesgericht in Bayern. Nach §* 8 
EG GVG lann durch die Gesetzgebung eines 
Bundesstaates, in welchem mehrere Oberlandes- 
gerichte errichtet werden, die Verhandlung und 
Entscheidung der zur Zuständigkeit des Reichs- 
gerichts gehörenden Revisionen und Beschwerden 
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten einem obersten 
Landesgerichte zugewiesen werden. Diese Vor- 
schrift findet jedoch auf bürgerliche Rechtsstreitig- 
keiten, welche zur Zuständigkeit des Reichsober- 
handelsgerichts gehörten oder durch besondere 
Reichsgesetze dem Reichsgerichte zugewiesen sind 
oder werden, keine Anwendung. Einen ähnlichen 
Vorbehalt enthält 99 E GV (Fass. v. 17. 5. 98) 
für die zur Zuständigkeit der OL# gehörenden. 
Revisionen und Beschwerden in Strassachen. 
Da nur Preußen und Bayern mehrere Ober- 
landesgerichte errichtet haben, konnten die ## 8, 9 
nur in diesen beiden Staaten zur Anwendung 
kommen. Nur Bayern hat von diesem Vorbehalte 
Gebrauch gemacht (Bayr. ASG GVG à 42, Fass. 
d. a 167 Bayr. AG B#). Die meisten neueren 
Reichsgesetze, so namentlich auch das EG BGB
	        
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