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Gesandte
nicht ein; die hieran beteiligten Staaten erkannten
dies Verhältnis sämtlich an und der italienische
Staat hat dasselbe durch das Garantie G v. 13. 5.
1871 (Fleischmann, Völkerrechtsquellen 107) gleich-
falls anerkannt und unter seinen Staatsschutz ge-
stellt, indem er das päpstliche Gesandtschaftsrecht
wie sein eigenes behandelt (Ges. a 11).
2. Die Organisation des diplomatischen
Dienstes. 1. Dieselbe beruht auf den beiden
Staatsverträgen, datiert Wien 19. 3. 1815 (Wie-
ner Reglement) und Aachen 21. 11. 1818 (Aache-
ner Protokoll); diese Verträge sind allgemein
angenommen und bilden den Abschluß einer in-
teressanten historischen Entwicklung (vgl. darüber
Geffscken bei Holtzendorff 3 §& 156, Abdruck bei
Fleischmann 18). Danach besteht kein Vorrang
diplomatischer Amtsträger wegen politischer Allian-
zen, Familienverbindungen der Höfe, besonderen
Charakters der G. u. dgl. Die Mächte befolgen
hinsichtlich des Ranges ihrer Vertreter Gegen-
seitigkeit. An dem Vorrang der Nuntien des
Papstes wird nichts geändert. Dieser Vorrang
ist altes Herkommen und wird von denjenigen
Staaten, bei welchen überhaupt Nuntien beglau-
bigt sind, anerkannt, nicht aber von England,
Preußen, Rußland. Preußen unterhält zwar eine
Gesandtschaft beim Papste, hat dagegen durch
Note v. 15. 3. 36 einen päpstlichen Nuntius bei
sich zu empfangen abgelehnt, „überhaupt, für
immer, unzweideutig und mit der Entschiedenheit,
welche jeder etwaigen künftigen Erneuerung dieses
Versuches vorzubengen geeignet sei“. Eine zweite
Rangklasse päpstlicher Gesandten bilden die In-
ternuntien. Ferner ist bestimmt, daß der
Rang der G. innerhalb der nämlichen Klasse sich
richte nach dem Datum des Schreibens, durch
welches die Ankunft des G. mitgeteilt wird. Im
übrigen werden folgende Rangklassen unterschie-
den: a) die Botschafter, b) die Gesandten oder
bevollmächtigten Minister, c) die Ministerresiden-
ten, d) die Geschäftsträger. Dazu kommt das
etwaige Personal der Gesandtschaft an Räten,
Sekretären, Offizieren (Militärattachés), Drago-
mans, Geistlichen, Aerzten usw. Die Bot-
schafter repräsentieren den Monarchen selbst
(doch wechselt auch die französische Republik Bot-
schafter mit anderen Mächten). Man behauptet,
nur Staaten mit „königlichen Ehren" dürften sich
dieser Form bedienen. Die nordamerikanischen
Freistaaten entsenden keine Botschafter. Die Be-
glaubigung erfolgt von Monarch zu Monarch.
Besondere Vorrechte materieller Natur haben sie
nicht, insbesondere ist es unbegründet, ihnen das
Recht beizulegen, jederzeit unmittelbaren Zutritt
zum Monarchen zu fordern; wohl aber haben die
Botschafter ein überreich ausgebildetes Ehren-
zeremoniell, das sich bis auf die Frauen erstreckt,
dessen eingehenderc Erörterung jedoch juristisch
wertlos ist. Das Deutsche Reich wechselt Bot-
schafter mit den Großmächten, der Türkei und
Spanien. — Die zweite Rangklasse bilden die
Gesandten doder bevollmächtigten Minister,
die dritte — zu Nachen 1818 geschaffen — die
Ministerre sidentenn: beide Klassen wer-
den gleichfalls von Staatsoberhaupt zu Staats-
oberhaupt beglaubigt. Daraus wird gefolgert,
daß bei den drei oberen Rangklassen der Wechsel
eines der beiden Staatsoberhäupter eine neue
Beglaubigung zur Folge haben muß. Die vierte
Klasse bilden die Geschäftsträger, die,
wenn überhaupt als selbständige Amtsträger
fungierend, nur von Ministerium zu Ministerium
beglaubigt werden. — Die oben erwähnten un-
ständigen G., die sog. Kommissare bei
internationalen Konferenzen, sind in die diplo-
matische Rangordnung nicht eingefügt.
2. Das gesamte diplomatische Personal ressor-
tiert im Deutschen Reiche vom Auswärtigen
Amte,. an dessen Spitze ein Staatssekretär steht,
der nach Maßgabe des G v. 17. 3. 78 verantwort-
licher Stellvertreter des Reichskanzlers ist.
IX Ministerium des Auswärtigen.) Nach der
noch geltenden preuß. V v. 27. 10. 1810 ist
die Erteilung von Instruktionen an G. als dem
Kaiser selbst vorbehalten zu betrachten; wenn es
sich um Abweichung von früheren Instruktionen
handelt, muß der Kaiser selbst die neue vollziehen.
Die Beamten des Auswärtigen Amtes haben an
sich nicht die Stellung diplomatischer Personen
im Auslande. Besondere Voraussetzungen für
die Bekleidung diplomatischer Aemter stellt das
deutsche Recht nicht auf. Die Streitfrage, ob An-
gehörige eines Staates ein diplomatisches Amt
eines anderen Staates bei ihrem eigenen Staate
bekleiden können, ist nach deutschem Rechte
mangels eines entgegenstehenden Verbotes zu
bejahen. Die dem fremden Staat von diplo-
matischen Personen zu übermittelnde Urkunde,
die den Amtsauftrag enthält, ist das Beglau-
bigungsschreiben (Kreditive). Besondere
Rechtssätze hierüber bestehen nicht; die Ueberrei-
chung erfolgt bei den höheren Rangklassen unter
besonderen Feierlichkeiten. Die Annahme des Be-
glaubigungsschreibens ist der Rechtsakt, in wel-
chem die Konzession des Empfangsstaates für die
amtliche Tätigkeit des G. licgt. Anderweite
Rechtssätze über die „Papiere des Gesandten“
bestehen nicht. — Die Ernennung und Abberu-
fung aller selbständigen G. erfolgt nach deutschem
Rechte durch den Kaiser (RV a 18, Reichsbeam-
tenG 8 66). Alle Beamten des auswärtigen
Dienstes können jederzeit versetzt und mit Warte-
geld zur Disposition gestellt werden (Reichs-
beamten G § 25). Mit Ausbruch eines Krieges
hören die diplomatischen Beziehungen zwischen
den beteiligten Staaten auf. Der Empfangsstaat
kann aus triftigen Gründen einem G. die Aner-
kennung entziehen, was gewöhnlich ir der Form
der Zustellung der Pässe zur Abreise geschieht.
3. Die G. haben besondere Privilegien.
Das wichtigste ist die Exterritoriali-
tät (JI. Außerdem sind die G. nach altem
Herkommen unverletzlich (vgl. 1. 17, D. 50, 7.
I. 7, D. 48, 61); dieses „Privileg“ der Unverletz=
lichkeit ist heute gegenstandslos, da im geordneten
Staate sich alle Menschen, Inländer wie Aus-
länder, desselben erfreuen; auch die diplomati-
schen Kuriere Feldjägerkorps!) nehmen in
dieser Beziehung keine Ausnahmestellung ein.
Andererseits ist Notwehr auch gegen diplomatische
Personen statthaft. Die Beleidigung eines G.
wird nur auf Antrag, aber höher als sonst (mit
Gefängnis oder Festung bis zu einem Jahre) be-
straft (RStB §. 104); soweit die Beleidigung
eines G. eine Beleidigung seines Staates in sich
schließt, ist sie lediglich politischer, nicht juristischer
Beurteilung fähig.
#5# 3. Der diplomatische Dienst. 1. Der diplo-