Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Geschäftssprache 
  
weifacher Weise Stellung genommen und zer- 
sallen im Rechtssinne entweder in Nationalstaa- 
ten oder in national gemischte Staaten. Den 
letzteren Charakter besitzen die Staaten, welche 
bei nationaler Verschiedenheit der Untertanen- 
schaft im amtlichen Geschäftsverkehr mehrere 
nationale Sprachen grundsätzlich als gleich- 
berechtigt zulassen. Die Rechtsnatur von Na- 
tionalstaaten aber kommt den Staatswesen zu, in 
welchen nur eine bestimmte nationale Sprache 
für die Organe des Staats und der sonstigen 
Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts vorgeschric- 
ben ist. Dabei tut es jedoch, in Anbetracht des 
variablen Inhalts des Rechtsbegriffs „Staats- 
sprache“, dem Rechtsbegriff des Nationalstaats 
auch keinen Eintrag, wenn bei nationaler Ver- 
schiedenheit der Untertanenschaft eine bestimmte 
nationale Sprache auch nur im Prinzip 
als Staatssprache angeordnet worden und daneben 
ausnahmsweise ein beschränkter, nach den Um- 
ständen verschieden bemessener Gebrauch der 
Sprache einer anderen nationalen Gruppe selbst 
durch die Staatsorgane zugelassen ist. 
Nationalstaaten im Rechtssinne sind 
z. B. Spanien, Italien, Großbritannien (mit ca. 
2 Millionen Kelten in Irland, Wales, Schott- 
land) und Frankreich (mit ca. ½ Million Italiener, 
100 000 Basken und 1 Million Bretons). Na- 
tional gemischte Staaten im Rechts- 
sinne dagegen sind die Schweiz, Belgien, Oester- 
reich. Der a 116 der Bundes Verf der schweizeri- 
schen Eidgenossenschaft v. 29.5.74 sagt: „Die drei 
Hauptsprachen der Schweiz, die deutsche, fran- 
zösische und italienische, sind Nationalsprachen 
des Bundes“. Damit sind diese drei Sprachen als 
die gleichberechtigten Staatssprachen erklärt, wäh- 
rend die rhätoromanische Sprache in Graubünden 
durch die Bundesverfassung keinerlei Anerken- 
nung gefunden hat. In der belgischen Verfassung 
bestimmt a 23: L'’emploi des langues usitées en 
Belgique est facultatif; 1 ne peut etre rég16é 
due par la loi et seulement pour les actes de 
autorité publique et pour les affaires judicisires. 
Gemeint sind mit a 23 das Französische, Vlämische 
und Deutsche. Erlaubt ist nach ihm a) den Bür- 
gern, sich auch in ihren Beziehungen zum Staat 
unterschiedslos einer dieser drei Sprachen zu be- 
dienen; b) grundsätzlich aber auch den Vertretern 
der Staatsgewalt die Wahl einer der drei Spra- 
chen. Nur im besonderen gesetzlichen Wege und 
für die Akte der öffentlichen Gewalt und für die 
Gerichtsangelegenheiten kann einer Sprache der 
Vorzug gegeben werden. Die neuere belgische 
Gesetzgebung hat insbesondere dem Vlämischen 
den Gleichrang mit dem Französischen zu geben 
sich bemüht, während die Bedentung des Deut- 
schen gegen früher sich gemindert hat. In Oester- 
reich verordnet a 19 des G v. 21. 12. 67: „Alle 
Volksstämme sind gleichberechtigt, und jeder 
Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf 
Wahrung seiner Nationalität und Sprache. Die 
Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen 
in Schule, Amt und öffentlichem Leben wird vom 
Staat anerkannt.“ Im ersten Satz verspricht der 
Staat, dem Individuum, welches nach seiner Ab- 
stammung, Sitte oder seinem Bewußtsein einem 
bestimmten Volksstamm anzugehören glaubt, die 
Wahrung und Pflege der Nationalität und Spra- 
che nicht zu verwehren, ebenso sollen die kollekti- 
  
ven Aeußerungen des nationalen Zusammenhangs 
z. B. in der Geselligkeit, im Vereinsleben durch 
den Staat nicht verboten oder verkümmert wer- 
den. Die „landesüblichen“ Sprachen, deren Gleich- 
rang der zweite Satz garantiert, sind nicht iden- 
tisch mit den „Landessprachen“. „Landessprache“ 
ist die Sprache eines ein Land bewohnenden 
Volksstamms; „landesüblich“ ist dagegen diejenige 
Sprache, welche, wenn auch nicht im ganzen Lan- 
de, so doch in einzelnen Bezirken oder Orten des 
Landes, also im Lande üblich ist d. i. von irgend 
einer größeren Anzahl von Einwohnern im täg- 
lichen Umgang gesprochen wird. 
III. Auch im externen Staatenverkehr ist jeder 
Staat an sich berechtigt, seine zu Recht bestehende 
Staatssprache zu gebrauchen. Aus dem Grund- 
satz der gegenseitigen Gleichheit der völkerrechtlich 
verbundenen Staaten folgt, daß kein Staat ver- 
langen kann, daß fremde Regierungen sich ihm 
gegenüber seiner Sprache bedienen müßten. Doch 
ist es beim Gebrauch der eigenen Staatssprache 
üblich, eine Uebersetzung für den Gegenkontra- 
henten beizufügen. Die Unbequemlichkeit, die 
mit dem Gebrauch verschiedener Zungen verbun- 
den ist, hat indessen zu verschiedenen Zeiten zur 
Annahme einer neutralen, für jeden Teil gleich 
verständlichen Sprache geführt. In diesem Sinn 
hat als sogenannte „diplomatische“ Sprache in den 
verschiedenen Jahrhunderten das Loateinische, 
Spanische und Französische gewechselt. Die fran- 
zösische Sprache hat besonders seit Ludwig XIV. 
den Vorrang gewonnen. Der a 120 der selbst 
französisch abgefaßten Wiener Kongreßakte sagt 
jedoch, que l’emploi de cette largue ne tirera 
point à conséquence pour Pavenir. 
5+#2. Preußisches Recht. Als die preußische 
Monarchie nach der Katastrophe von 1806/1807 
— an Stelle des hohenzollernschen Gesamtstaats — 
zum Einheitsstaat umgewandelt wurde, erhielt 
dieser Einheitsstaat zugleich den Rechtscharakter 
eines deutschen Nationalstaats aufgeprägt. Das 
Deutsche wurde wenigstens im Prinzip als die für 
alle staatlichen Organe maßgebende Staatssprache 
eingeführt. Freilich fanden gewisse Durchbre- 
chungen des Prinzips als Ausnahmen statt. Im 
Großherzogtum PosenlPl wurde das Polnische zum 
Teil auch für den Gebrauch von Staatsorganen 
vorgeschrieben. Aber gerade den Posenschen Pro- 
vinzialständen brachte die Regierung Friedrich 
Wilhelms III. und Friedrich Wilhelms 1IV. wie- 
derholt in Erinnerung, daß die deutsche Sprache an 
sich auch für Posen, welches nur eine Provinz des 
preußischen Einheitsstaats sei, als die „allgemeine 
Geschäftssprache“ der Monarchie zu gelten habe 
(Landtags-Abschiede v. 14. 2. 32 und 30. 12. 43). 
Der Uebergang Preußens zum konstitutionellen 
System ließ die Rechtsnormen, welche vorher den 
Gebrauch der polnischen Sprache selbst im amt- 
lichen Verkehr zum Teil nachgelassen hatten, an 
sich unberührt, auch blieb den preußischen Staats- 
angehörigen polnischer Zunge an sich unverwehrt, 
in ihren gesetzmäßigen Versammlungen sich der 
polnischen Muttersprache zu bedienen, bis neuer- 
dings das Reichsvereinsgesetz hier Wandel ge- 
schaffen hat. Einen gesetzlichen Abschluß für die 
Staatssprachen-Frage brachte in Preußen das 
Gesetz, betr. die G. der Behörden, Beamten und 
politischen Körperschaften, v. 28. 8. 76 (GS 389). 
Das Leitmotiv dieses Gesetzes ist der Ausspruch
	        
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