Geschäftssprache
der Reg Begründung: „Ein Staat, welcher auf das
nationale Gepräge Gewicht legt, muß die Na-
tionalsprache als ein Wahrzcichen seiner Einheit
im gesamten öffentlichen Leben zur Anwendung
bringen.“" Demgemäß bestimmt der # 1: „Die
deutsche Sprache ist die ausschließliche G. aller
Behörden, Beamten und politischen Körper-
schaften des Staats. Der schriftliche Verkehr mit
denselben findet in deutscher Sprache statt.“ Der
&+ 1 fordert zunächst im Bereich der gesamten Mon-
archie von allen Organen staatlicher Natur im
Amtsverkehr den ausschließlichen Gebrauch der
deutschen Staatssprache. Bei der Beratung des
Gesetzes wurde auch ausdrücklich festgestellt, „daß
unter dem Ausdrucke „politische Körperschaften“
Versammlungen und Vereine nicht begriffen
seien, daß vielmehr mit diesem Ausdruck auf die
Organe und Vertretungen der unter staatlicher
Autorität stehenden Korporationen gezielt wor-
den sei, und daß die Organe und Vertretungen
der Kirchengemeinden von dem Gesetze nur in
dem Maße betroffen würden, wie alle Privaten
(StBer Abg.H. 1876 Anl. S 1144). Von allen
preußischen Staatsangehörigen verlangt aber der
Gesetzgeber die Erkenntnis, „daß sie Bürger eines
deutschen Staates seien und als solche die Ver-
pflichtung hätten, sich Kenntnis der deutschen
Sprache neben ihrer sonstigen Muttersprache zu
verschaffen". Daher gebietet der §& 1 auch dem
mit den staatlichen Organen in Verkehr tretenden
Publikum positiv den schriftlichen Verkehr in
deutscher Sprache und die Praxis hat daraus
selbst einen Rechtszwang für das Publikum, sich
im mündlichen Verkehr mit staatlichen Organen,
wenn möglich, des Deutschen zu bedienen, her-
geleitet. Nur in dringlichen Fällen erlaubt # 2
die Berücksichtigung schriftlicher, nicht deutsch ab-
gefaßter Eingaben von Privatpersonen, während
sie sonst mit dem Anheimstellen der Wiedereinrei-
chung in deutscher Sprache zurückzugeben sind.
Andererseits sehen die §§ 4—9 die Zuziehung eines
Dolmetschers vor, wenn der deutschen Sprache
nicht mächtige Personen an einer Verhandlung
vor einem Organ der Rechtsprechung oder Ver-
waltung teilnehmen. Eide leisten solche Personen
in der ihnen geläufigen Sprache!).
3. Neichsrecht. Das neue Deutsche Reich
erhielt den Charakter eines deutschen National-
staats im Rechtssinne schon dadurch aufgeprägt,
daß der Eingang der R den gewigen Bund“ der
deutschen Einzelstaaten ausdrücklich als „zur Pflege
der Wohlfahrt des deutschen Volk“ geschlossen
ausgibt. Schon hieraus ergibt sich, daß die Be-
hörden und Beamten des Reichs an sich zum Ge-
brauch des Deutschen als ihrer Amtssprache im
Verkehr nach innen und nach außen berufen sind 2).
Auch der Reichstag verhandelt in deutscher Sprache,
und den Mitgliedern des Reichstags ist das Vor-
lesen schriftlich abgefaßter Reden nur dann ge-
1) Die Kriegsartikel sind den Soldaten in ihrer Mutter-
sprache zu verlesen. Auf das Berfahren vor den Schieds-
männern findet das Gesetz keine Anwendung (121).
Bis 1886 war in räumlich und sachlich begrenztem Umsange
Polnisch, Littauisch, Dänisch und Französisch als G. zugelassen
(n##l B v. 28. 8. 76, G.2 393, v. 12. 10. 81, G. 239).
2) Das muß als gemeindeutscher Rechtsgrundsatz auch
für die Schutzgebiete (sowohl Behörden wie Selbstver-
waltungsorgane) gelten. !D. H.1
(D. ö5.1
fen, Vereine zu bilden und sich zu versammeln
211
stattet, wenn sie der deutschen Sprache nicht
mächtig sind (§5 45 GeschO).
Die Reichsgesetzgebung hat in der Folge das
Prinzip bei mehreren Gelegenheiten näher ausge-
staltet. Das GVG (15. Titel) erklärt § 186: „Die
Gerichtssprache ist die deutsche.“" Nach den Moti-
ven gilt dies Gebot „nicht bloß für den inneren Ver-
kehr der Gerichte, für die Beratung im Kollegium
und die Korrespondenz der Behörden unter einan-
der, sondern die Gerichte können auch verlangen,
in dieser Geschäftssprache angegangen zu werden,
und die Verhandlungen vor dem Gericht finden
in dieser Sprache statt“". Doch ist nach § 187,
wenn unter Beteiligung von des Deutschen nicht
mächtigen Personen verhandelt wird, ein Dol-
metscher zuzuziehen. Die Führung eines Neben-
protokolls in der fremden Sprache findet nicht
statt; jedoch sollen Aussagen und Erklärungen in
fremder Sprache, wenn und soweit der Richter
dies mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Sache
für erforderlich erachtet, auch in der fremden Spra-
che in das Protokoll oder in eine Anlage nieder-
eschrieben werden. In den dazu geeigneten Fäl-
en soll dem Protokolle eine durch den Dolmetscher
zu beglaubigende Uebersetzung beigefügt werden.
Die Zuziehung eines Dolmetschers kann unter-
bleiben, wenn die beteiligten Personen sämtlich
der fremden Sprache mächtig sind (F 187). Des
Deutschen nicht mächtige Personen leisten Eide
in der ihnen geläufigen Sprache (5 190). Nach
i 258 St PO müssen einem der Gerichtssprache
nicht mächtigen Angeklagten aus den Schlußvor-
trägen mindestens die Anträge der Staatsan-
waltschaft und des Verteidigers durch einen Dol-
metscher bekannt gemacht werden.
Auch im Bon und im R# über die freiwillige
Gerichtsbarkeit v. 17. 5. 98 ist die deutsche Staats-
sprache als die grundsätzlich zu gebrauchende lega-
lisiert. Nach § 2240 BGB „muß über die Errich-
tung des Testaments ein Protokoll in deutscher
Sprache ausgenommen werden“ und nach § 8, 9
Freiw. G.G finden auf das einschlagende Ver-
fahren die Vorschriften des GV über die Ge-
richtssprache Anwendung, mit der Einschränkung,
daß es der Zuziehung eines Dolmeétschers nicht
bedarf, wenn der Richter der Sprache, in der sich
die beteiligten Personen erklären, mächtig ist.
Andrerseits heißt es § 2244: „Erklärt der Erb-
lasser, daß er der deutschen Sprache nicht mächtig
sei, so muß bei der Errichtung des Testaments
ein vereideter Dolmetscher zugezogen werden.
Das Protokoll muß in die Sprache, in der sich der
Erblasser erklärt, übersetzt werden“ (s. auch 912245).
Aehnlich vermag nach § 179 Freiw. G.G bei der
Aufnahme gerichtlicher und notarieller Urkunden.
die Erklärung eines Beteiligten, daß er des Deut-
schen nicht mächtig sei, den Gebrauch einer nicht-
deutschen Sprache zu bewirken. In den hier in
Rede stehenden Fällen von BGB und Freiw. G.GG
hat lediglich die Berücksichtigung des ausschlag-
gebenden Privatinteresses zur erweiterten Zulas-
sung des Gebrauchs nicht-deutscher Sprachen ge-
führt. [Vgl. die Kommentare z. Freiw Gl.
Das Reichs vereins G v. 19. 4. 08, das allen
Reichsangehörigen das Recht garantiert, zu
Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlau-
(* 1), hat dennoch vom Prinzip der deutschen
Staatssprache aus zwei Einschränkungen hinzu-
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