Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Geschäftssprache — Gesetz 
  
gefügt. Zunächst müssen nach 8 3 die Satzungen so- 
wie die Aenderungen der Satzungen politischer Ver- 
eine der Polizei in deutscher Sprache eingereicht 
werden (Original kann fremdsprachig sein), vorbe- 
haltlich der Dispensgewalt der höheren VerwBe- 
hörde. Zweitens sind nach § 12 „die Verhandlun- 
gen in öffentlichen Versammlungen in deutscher 
Sprache zu führen“, gleichgültig, ob die Versamm- 
lungen politische oder nichtpolitische sind, ob sie 
unter freiem Himmel oder in geschlossenen Räu- 
men stattfinden. Ueber den Begriff der öffent- 
lichen Versammlungen und über die Ausnahmen 
vom deutschen Sprachenzwang — internationale 
Kongresse; Versammlungen von Wahlberechtigten; 
Landesteile, in denen alteingesessene Bevölke- 
rungsteile nichtdeutscher Muttersprache sechzig vom 
Hundert der Gesamtbevölkerung übersteigen, wäh- 
rend 20 Jahren nach Inkrafttreten des Reichsver- 
einsgesetzes — 7 Vereine. 
#4. Elsaß-Lothringen "). (Bevölkerung nach 
der Muttersprache im Unter-Elsaß 95,77% deutsch, 
3,61 französisch, Ober-Elsaß 93,42: 5,66%, Loth- 
ringen 71,30: 23,7800, Statist Jahrb. f. Els.- 
Lothr. 1910 Tab. 14). 
Das Verfassungs G v. 31. 5. 11 bestimmt als 
Abschluß einer längeren Entwicklung: die amt- 
liche Geschäftssprache der Behörden und öffent- 
lichen Körperschaften sowie die Unterrichtssprache 
in den Schulen des Landes ist die deutsche (§ 26). 
Auch die G. des Landtages — wie schon nach dem 
Gv. 23. 5. 81 (Rel 88) des Landesausschusses 
— ist deutsch (§ 15). 
Für die Amtshandlungen der Justiz organe 
galt die deutsche G. schon nach I 10—15 Gv. 
14. 7. 71 (Gl 165), mit verschiedenen Ausnah- 
men. Dabei blieb es auch nach 8 12 EG GVG. 
Erst mit dem G v. 12. 6. 89 (Rl 95) ist das 
GV auch in dieser Hinsicht auf Elf.-Lothr. aus- 
gedehnt worden. Für die Verwaltungs- 
behörden (schriftliche Aeußerung und Verhand- 
lung) schrieb das Gv. 31. 3. 72 (GBl 159) die 
deutsche G. vor. Jedoch war der Ober-Präsident 
ermächtigt, in den Landesteilen mit überwiegend 
französisch redender Bevölkerung den öffentlichen 
Bekanntmachungen eine französische Uebersetzung 
beifügen zu lassen, für einzelne Ortschaften und 
für bestimmte Klassen von Unterbeamten (Polizei, 
Forst-, Bau-, Steuerverwaltung) die Ausführung 
des Gesetzes aufzuschieben. Durch einen MinE 
v. 1. 3. 89 sind aber die hiernach zugelassenen Aus- 
nahmen erheblich eingeschränkt worden. Auch 
für die Gemeinden (GemO ( 83), die Kreistage 
und die Bezirkstage (Gv. 24. 1. 73 5 F 1, 4, unter 
Bozug auf das G v. 31. 3. 72) ist Deutsch die G., 
(wenngleich nach dem Wortlaute nur für den 
Schriftverkehr); wo die französische Sprache aber 
ganz oder teilweise Volkssprache ist, kann das Min 
ihren Mitgebrauch für Gemeinden und Kreistage 
gestatten: ihr Mitgebrauch für den Bezirkstag von 
Lothringen ist gestattet. Nach Ma#gabe des Gv. 
1872 können auch fernerhin in Landesteilen mit 
überwiegend französisch sprechender Bevölkerung 
Ausnahmen zugelassen werden (VerfcG# # 26 Abs2). 
Als Unterrichts sprache das Französische zu- 
zulassen, hatte §4 des Gv. 12.2.73 über das Unter- 
richtswesen den Reichskanzler (jetzt Statthalter) 
ermächtigt. Der Statthalter ist dazu nach dem 
*) Vom Herausgeber. 
  
Verf G von 1911 auch fernerhin befugt, jedoch 
ventsprechend der bisherigen Uebung“. 
Bal. „Das Deutschtum in Elsaß-Lotbringen“ 1895 S 116; 
Leoni-Mandel, Berwl# v. Els.-Lothr. 1895 S 64, 92, 99, 278; 
im allg. Zorn, Deutsche Staatssprache, Berwürch 10, 11. 
Literatur: Hubrich, Die Sprachenfreiheit in 
öffentl. Bersammlungen nach preuß. Recht, 1903, und Gru- 
chots Beiträge 48, 570 ff Gesccken im Arch Oeff 20, 
S. 1f.; O#48, 432; Stier. Somlo, Reichsvereinsgesetz 
1909; Schollenberger, Bundesstaatsrecht der Schweiz, 
1902 S268; Errera, Staatsrecht des Königr. Belgien 1909 
S 32; Ulbrich, Oesterreichisches Staatsrecht 1909 S 296; 
Holtzendorff, HB des VBR 3, 677; Bonfils- Grah, 
Völkerrecht 1904 S428; Nys, Drolt international III 1906 
S14; Ullmaonn, Völkerrecht 1908 S139. Hubrich. 
Gesetz 
* 1. Begriff. 1 2. Der Gegenstand der Gesetzgebung. 
6 3. Gesetz im sormellen und im materiellen Sinne. #4. Weg 
der Gesetzgebung. 1 5. Reichs- und Landesgesetzgebung. 
#s# 1. Der Begriff des Gesetzes. Die Antwort 
auf die Frage, was ein Gesetz ist, lautet verschie- 
den, je nachdem man das Augenmerk auf den 
Inhalt oder auf die Form der Erscheinung richtet. 
Es gibt zwei Begriffe des Gesetzes, einen materiel- 
len und einen formellen; beide sind praktisch und 
wissenschaftlich unentbehrlich und gleichberechtigt. 
I. Gesetz im materiellen Sinne. Ein 
Gesetz im materiellen Sinne ist jede Norm des 
objektiven Rechts, jeder Rechtssatz, und ge- 
setzgebende Gewalt in diesem Sinne daher gleich- 
bedeutend mit rechtssetzender Gewalt. Die hierin 
liegende Begriffsbestimmung sieht nur auf den 
Inhalt, nicht auf den Ursprung (die Quelle) und 
die Form des „Gesetzes“. Insbesondere kommt 
es für den Begriff nicht darauf an, ob das „Gesetz“ 
eine geschriebene oder ungeschriebene Norm, und 
wenn eine geschriebene, ob es das Produkt der 
Tätigkeit eines bestimmten Staatsorgans, über- 
haupt des Staates darstellt. Gesetz im materiellen 
Sinne ist jede Rechtsnorm, gleichvich von wem 
und wie sie gegeben ist, woher sie stammt, welches 
Gewand sie trägt. Rechtsnormen aber sind die 
einzelnen Sätze und Regeln, in die das obiektive 
Recht in seiner Gesamtheit sich auflösen läßt. Eine 
Rechtsnorm ist, dem Wesen des objektiven Rechts 
entsprechend, eine Vorschrift, welche die Willens- 
macht mehrerer willensfähiger Wesen (Personen) 
wechselseitig abgrenzt, vorausgesetzt, daß ihre Be- 
folgung durch sozialen Zwang gesichert ist. Gesetz 
und Recht sind hiernach, wenn man „Gesetz“ im. 
materiellen Sinne versteht, Wechselbegriffe. Das 
Gesetz im materiellen Sinne ist ein Begriff nicht 
eigentlich des Staatsrechtes, sondern der allge- 
meinen Rechtslehre. Dieser Begriff ist erhaben 
über den Wandel der Staatsformen und Staats- 
verfassungen, er ist unabhängig von dem Wechsel 
der Auffassungen über das Verhältnis des Staates 
zum Recht; Gesetze im materiellen Sinne, Recht 
hat es stets gegeben, wie immer auch jene Formen, 
diese Anschauungen beschaffen waren. Ebendaher 
zieht sich denn auch der materielle Gesetzesbegriff, 
die Gleichsetzung von „Gesetz“ und „Recht"“ durch 
alte und neue Zeiten hindurch. Diese Gleich- 
setzung spricht aus den Quellen des römischen 
Rechts (I.7 D. 1, 3: legis virtus haec est: imperare
	        
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