Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gesundheitswesen 
  
sonen, Üüber Todesursachen-, Taubstummen · ufw. Statistik, 
die Anleitung über Errichtung, Betrieb und Ueberwachung 
öffentlicher Wasserversorgungsanstalten usw. 
Trotzdem ist ein großer Teil des GW, z. B. 
Wohnungshygiene, Beseitigung der Abfallstoffe, 
Säuglingsfürsorge, Schulhygiene, Verhütung und 
Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten, 
Fürsorge für Kranke, Sieche und Gebrechliche, 
Heilquellenschutz, Badewesen, Bestattungswesen, 
Apothekenwesen usw. nach wie vor durch Lan- 
desgesetze und demzufolge in den einzelnen 
Bundesstaaten verschiedenartig geordnet; insbe- 
sondere gilt dies betreffs der Organisation der 
GesBehörden und der Verwaltung des Gesund- 
heitswesens sowie der Aufbringung der Kosten, 
was ausschließlich Sache der Einzelstaaten ist. 
Indessen läßt sich nicht verkennen, daß die Unter- 
schiede auf allen diesen nicht einheitlich für das 
ganze Reich geregelten Gebieten nicht mehr so 
stark wie früher hervortreten, indem sich die 
Bundesstaaten namentlich in den letzten Jahren 
bemüht haben, die betreffenden landesgesetzlichen 
Vorschriften möglichst gleichförmig gu gestalten. 
Ein das ganze Gebiet des GW umfassendes 
Gesetz, wie solches in einzelnen ausländischen 
Staaten (z. B. England, Ungarn, Italien usw.) 
Leteht, gibt es in keinem deutschen Bundes- 
qate. 
Der Bundesrat erläßt nur die erforderlichen 
allgemeinen Verw Vorschriften, soweit es sich um 
Reichsgesetze handelt. Die Reichsverwaltung hat 
jedoch die Pflicht und das Recht, den Vollzug die- 
ser Gesetze zuüberwachen; insbesondere hat sie 
für Herstellung und Erhaltung der Einheit in den 
andesrechtlichen Anordnungen zu sorgen und 
kann mit dieser Aufgabe, namentlich wenn es 
sich um die Gebiete mehrerer Bundesstaaten han- 
delt, besondere Kommissare beauftragen. 
Dasselbe gilt, wenn es sich um sanitäre Mißstände 
handelt, bei deren Entstehung, Verhütung und 
Beseitigung mehrere Bundesstaaten beteiligt sind, 
z. B. Flußverunreinigungen usw. 
  
I. Organisation des Gesundheitswesens und der 
Gesundheitsbehörden im allgemeinen. 
s 3. Die Aufgaben des GW sind wesentlich 
polizeilicher Natur; man spricht von einer „Ge- 
sundheitspolizei“. 
1. Demgemäß fallen auch die auf diesem Ge- 
biete tätigen Behörden in allen deutschen Bun- 
desstaaten und Provinzen fast ausnahmslos mit 
denen der allgemeinen inneren Ver- 
waltung, der Polizei, zusammen, denen 
jedoch überall noch besondere me dizinisch- 
technische Einzelbeamte oder Kol- 
legialbehörden als beratende Or- 
gane beigegeben sind. Wenn nun auch die Or- 
ganisation dieser Behörden wie ihre örtliche und 
sachliche Zuständigkeit in den Einzelstaaten eine sehr 
verschiedene ist, so beruht sie doch insofern auf 
gleichen Grundsätzen, als überall eine obere, 
leitende und aufsichtführende sowie eine untere 
ausführende Instanz besteht, zu denen in den 
größeren Staaten noch eine mittlere aufsicht- 
führende Behoörde hinzutritt. 
1. Dic obere oder Zentralinstanzz, 
der die Leitung des GW olliegt, wird in den 
einzelnen Bundesstaaten fast ausnahmslos durch 
  
eine besondere Abteilung — Medizinalab- 
teilung, Medizinaldepartement, 
Abteilung für öffentliche Gesund- 
heitspflege — eines Ministeriums oder der 
Landesregierung gebildet, die in den größeren 
Bundesstaaten dem Ministerium des In- 
nern zugeteilt ist, eine Ausnahme davon macht 
jetzt nur noch Mecklenburg-Schwerin, wo sie dem 
Justizministerium überwiesen ist1). An der Spitze 
steht ein Verw Beamter, dem ein oder mehrere 
medizinisch-technische Räte beigegeben sind, die 
in den größeren Bundesstaaten im Hauptamte 
mit Verbot oder Beschränkung der ärztlichen Pri- 
vatpraxis als vollbesoldete Beamte angestellt 
sind, während in den kleineren Staaten ihre 
Stellung gewöhnlich eine nebenamtliche ist, mit 
Ausnahme von Bremen und Hamburg. Außerdem 
ist in der Mehrzahl der Bundesstaaten der Zen- 
tralinstanz noch eine aus medizinisch-technischen, 
meist im Nebenamte angestellten Mitgliedern be- 
stehende kollegiale Fachbehörde — 
Wissenschaftliche Deputation für 
das Medizinalwesen, Obermedi- 
zinalausschuß, Landesmedizinal- 
kollegium usw. — beigegeben, die rein beraten- 
der Natur ist und nur vereinzelt, z. B. in Sach- 
sen und Württemberg, gleichzeitig ver- 
waltende und aufsichtführende Befugnisse be- 
sitzt. Den Vorsitz in dieser Fachbehörde führt 
teils ein VerwBeamter, z. B. in Preußen 
und Württemberg, teils ein Medizinal- 
beamter z. B. in Bayern und Sachsen: 
sie bildet meist auch die Prüfungsbehörde für 
die staatsärztlichen Prüfungen ( . 
später) und die oberste gutachtliche Behörde in 
gerichtlich-medizinischen Angelegenheiten, soweit 
dafür nicht besondere Kommissionen, z. B. in 
Bayern, eingerichtet sind. 
2. Mittelinstanzen, denen die eigentliche 
Aussicht über die unteren und Lokalinstanzen ob- 
liegt, gibt es nur in Preußen, Bayern, Sachsen, 
Württemberg, Hessen und Elsaß-Lothringen; auch 
hier ist, mit Ausnahme der Provinzialinstanz in 
Preußen, der Kreisregierungen in Württemberg 
und der Provinzialdirektion in Hessen, den Verw- 
Behörden ein medizinisch-technischer, im Haupt- 
amte bestellter Rat (Regierungs- und 
Medizinalrat) beigegeben, eine medizinisch- 
technische Kollegialbehörde jedoch nur der Pro- 
vinzialinstanz in Preußen und den Kreisregie- 
rungen in Bayern. 
3. Die unteren staatlichen Verwal- 
tungsbehörden (Landrat, Oberamtmann, 
Bezirksamtmann, Amtshauptmann usw.) sind auf 
dem Gebiet des GW# vielfach auch aufsichtführende 
Organe gegenüber der ausführenden Instanz, 
der Ortspolizeibehörde, soweit ihnen 
nicht selbst die Verwaltung der Ortspolizei über- 
tragen ist. Als technischer Beamter fungiert für 
sie und die Ortspolizeibehörden überall ein ihnen 
beigeordneter, aber der höheren Instanz dienstlich 
unterstellter staatlicher Gesundheits- 
  
  
1) In Preußen war das GW# bisher dem Kultus Min 
als Abteilung für Medizinalwesen zugeteilt; vom 1. 4. 11 
ab ist es aber auf das Ministerium des Innern überge- 
gangen, und nur das medizinische Ausbildungswesen, soweit 
es mit den Universitäten zusammenhängt, ist dem Kultius- 
ministerium verblicben (vol. unten #5).
	        
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