Gesundheitswesen (Medizinalbehörden)
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präsidenten ist ein technisch-medizinischer
Beamter nicht beigegeben; im Bedarfsfalle kann
er jedoch zur Bearbeitung derartiger Angelegen-
heiten den bei der Regierung seines Amtssitzes
angestellten Reg= und Medizinalrat unmittelbar
oder die Reg= und Medizinalräte an den anderen
Regierungen der Provinz durch Vermittelung des
zuständigen Reg Präsidenten heranziehen. Als
medizinisch-sachverständige und beratende Kol-
legialbehörde ist ihm das seiner Leitung unter-
stellte Provinzial = Medizinalkolle-
gium beigegeben, das in der Regel aus dem am
Sitz des Oberpräsidenten befindlichen Reg= und
Medizinalrat, drei ordentlichen im Nebenamte
angestellten Mitgliedern (Medizinalräten, darun-
ter ein Psychiater) und drei Medizinalassessoren (je
1 Arzt, Apotheker und Tierarzt) zusammengesetzt
ist. Sein Wirkungskreis beschränkt sich z. Z. nur
noch auf die Revision von gerichtsärztlichen Gut-
achten über zweifelhafte Geisteszustände, Ob-
duktionsverhandlungen und -Berichte sowie auf
die Abgabe gerichtsärztlicher Obergutachten in
Strafsachen; auf medizinal- und sanitätspolizei-
lichem Gebiete ist dagegen seine Tätigkeit äußerst
gering. Ueber die Zuziehung von Vertretern der
Aerztekammern alsaußerordentliche Mit-
glieder zu den Sitzungen des Provinzialmedizinal-
kollegiums Arzt § 15.
Der Schwerpunkt der mittleren aussichtfüh-
renden Instanz des GW liegt bei dem Regie-
rungspräsidenten, dem ein im Haupt-
amt angestellter, vollbesoldeter Regierungs-
und Medizinalrat als technischer Beirat
beigegeben ist, der nach Anweisung des Reg Prä-
sidenten alle in die Gesundheits- und Medizinal-
polizei einschlagenden Sachen zu bearbeiten, die
wichtigeren Medizinalanstalten (die Apotheken
unter Mitwirkung eines pharmazeutischen Bevoll-
mächtigten, der aus der Mitte der Apothekenbe-
sitzer vom Reg Präsidenten unter Berücksichtigung
der Vorschläge seitens der Apothekerkammer er-
nannt wird) von Zeit zu Zeit zu revidieren hat
und auch als Beirat für die übrigen Abteilungen
der Regierung (Schul-, Forst= und Domänen-
abteilung) und des Bezirksausschusses sungiert.
Aerztliche Praxis ist ihm nur insoweit gestattet,
als seine Amtsgeschäfte nicht darunter leiden.
In den größten Reg Bezirken (Königsberg i. Pr.,
Potsdam, Breslau, Oppeln, Arnsberg und Düssel-
dorf) ist dem Reg Präsidenten noch je ein Kreis-
arzt als ständiger Hilfsarbeiter überwiesen; beim
Polizeipräsidenten in Berlin sind zwei Reg= und
Medizinalräte und ein solcher Hilfsarbeiter ange-
stellt. Ueber die in einzelnen Reg Bezirken am Sitz
der Regierung befindlichen, von vollbesoldeten
Kreisärzten geleiteten Medizinal-Unter-
suchungsämter (I1) und von Kreisassistenz-
ärzten gelciteten Medizinalunteru-
chungsstellen (2) führt der Reg Präsident
die Staatsaufsicht, desgleichen über die hygie-
nischen Institute in Beuthen und Saarbrücken,
über die Quarantäncanstalten und die staat-
lichen Impfinstitute (8), deren Vor-
steher fast ausnahmslos Kreisärzte (im Neben-
amte) sind.
III. In der Kreisinstanz ist dem Landrat
(in Hohenzollern: dem Oberamtmann) auch die
verantwortliche Leitung der Medizinal- und Sa-
nitätspolizei anvertraut und ihm als technischer
Beirat der Kreisarzt beigeordnet, der indes
dienstlich dem Reg Präsidenten unmittelbar unter-
stellt ist. Er ist im Hauptamt mit Pensionsberech-
tigung angestellt und entweder vollbesoldet (z. Z.
54) und nur zu konsultativer Praxis berechtigt,
oder nicht vollbesoldet (447) und zur Ausübung
ärztlicher Tätigkeit befugt, soweit seine amtlichen.
Geschäfte nicht darunter leiden. Er ist zugleich
Gerichtsarzt seines Amtsbezirks, nur in einzelnen
größeren Städten und Bezirken sind besondere
Gerichtsärzte (18) unter den gleichen
Anstellungsbedingungen wie die nicht vollbesol-
deten Kreisärzte angestellt. In verschiedenen
Großstädten (8) sind vollbesoldete kommunale
Stadtärzte vorhanden, denen z. T. (4) die
Wahrnehmung der kreisärztlichen Obliegenheiten
widerruflich übertragen ist; in anderen Groß-
städten (10) sind dagegen die Kreisärzte neben-
amtlich mit den Geschäften des Stadtarztes von
der betreffenden Gemeinde beauftragt. Dem
Kreisarzte können ein oder mehrere staatsärztlich
geprüfte Aerzte widerruflich als Assistenten —
„Kreisassistenzärzte' —beigegeben wer-
den, die ihm dienstlich unterstellt sind und eine
Remuneration erhalten. Ihre Zahl (49, darunter
13 bei den Medizinaluntersuchungsämtern und
stellen) ist gering. Maßgebend für die Stellung
der Kreisärzte und Kreisassistenzärzte ist das Gv.
16. 9. 99, betr. die Dienststellung des Kreisarztes
und die Bildung von Gesondheitskommissionen
und die dazu erlassene ausführliche DAnw für die
Kreisärzte in der Fassung v. 1. 9. 09. Sie regelt
in mustergültiger Weise nicht nur seine amtliche
Stellung im allgemeinen (Verhältnis zu den vorge-
setzten Dienstbehörden, zu anderen Behörden und
Beamten, zu Privatpersonen und nicht beamteten
Aerzten, seine Gehaltskompetenzen usw.), sondern
auch die Art und den Umfang seiner Obliegen-
heiten auf den einzelnen Gebieten des GW. seine
Tätigkeit als Vertrauensarzt usw. Der Kreisarzt
soll sowohl den Organen der Selbstverwaltung
(Kreisausschuß und Kreistag), als namentlich
der Lokalinstanz, der Ortspolizei-
behörde — mit seinem sachverständigen Rate
zur Scite stehen und in Gemeinschaft mit dieser
die ihr obliegende Durchführung der Gescesetz-
gebung überwachen. Maßgebend für diese Auf-
gabe der Ortspolizeibehörde ist namentlich § 6 f
des Pol VerwG v. 11. 3. 50, der ihr die Sorge
für Leben und Gesundheit überträgt, sowie Teil 11
Tit 17 8 10 ALgR.
Als unterstützendes und ratgebendes Organ
für die Ortspolizeibehörden müssen nach dem
vorhin erwähnten Kreisarztgesetz (§ 10) in allen
Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern
Gesundheitskommissionen eingerich-
tet werden; auch in Orten mit weniger Einwohnern
kann ihre Bildung durch den Reg Präsidenten (in
Städten) bezw. durch den Landrat im Einver-
ständnis mit dem Kreisausschuß angeordnet wer-
den. Zusammensetzung und Obliegenheiten die-
ser Kommissionen sowie ihr Verhältnis zu den
Behörden und zum Kreisarzte, der an ihren
Sitzungen teilnehmen und jederzeit ihre Zu-
sammenberufung verlangen kann, sind durch die
Geschäftsanweisung v. 13. 3. 00 geregelt.
#s 6. Bayern. Die Organisation beruht auf der
Allerhöchsten Order v. 8. 9. 1808. Danach bildet
die Zentralbehörde das Staatsmi-
15.