Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

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ahmt (Bayern). Der Reinertrag eines Gewerbe- 
betriebs wird durch das besondere Veranlagungs- 
verfahren mittelbar aus allgemeinen äußeren 
Merkmalen abgeleitet, die wenigstens an- 
nähernd auf seine Höhe schließen lassen. Diese 
äußeren Merkmale werden den allgemeinen 
Produktionsbedingungen der Gewerbe entnom- 
men und nach ihrer Zusammengehörigkeit in 
einen ausgebildeten Klassenschematis- 
mus goebracht. Durch diesen Gewerbeklassen- 
schematismus entsteht die Form der Gewerbe- 
klassensteuer, die jedes Gewerbe nach seinem spe- 
ziellen, im Gesetze bezeichneten Merkmalen in eine 
bestimmte Klasse einreiht, cs „klassiert". Für 
diese Klassierung ist dann innerhalb der einzelnen 
Gewerbsklassen ein gewisser Spielraum gelassen. 
Die Bildung der Gewerbeklassen geschieht in drei 
Kategorien: 1. Die Ortsklassen unterschei- 
den Gewerbe, die für den lokalen Bedarf und 
solche, die für einen weiteren Absatz produzieren. 
Außerdem werden die Ortsklassen nach der Ein- 
wohnerzahl der Orte abgestuft, in denen das betr. 
Gewerbe betrieben wird. 2. Die Gewerbe- 
gattungsklassen werden gebildet nach 
der Bedeutung der Gewerbe, nach den typisch 
erforderlichen Kapitalien, nach der Eigenart der 
Betriebe usw. 3. Die Betriebsumfangs- 
klassen sind gegliedert nach dem Umfang des 
einzelnen Gewerbebetriebs der gleichen Ge- 
werbegattungsklasse (Groß-, Mittel-, Kleinbetrieb). 
Nach diesen äußeren Merkmalen wird dann jeder 
Gewerbebetrieb nach einer Mehrzahl von Grund- 
sätzen in den Gewerbekataster einge- 
reiht, der dann zur Berechnung der Gewt dient. 
2. Die Besteuerung nach dem 
Reinertrag. Die neueren Gewötesetze 
sind aber von dieser Kaguistik eines Klassenschema- 
tismus abgegangen und haben unmittelbar ver- 
sucht, den Reinertrag der Gewerbebetricbe zu er- 
fassen. Sie haben sich dazu einer dreifachen Me- 
thode bedient: 
a) Der Ertragsanschlag. Darunter ver- 
steht man den nach mehrjährigen Durchschnitten 
geschätzten Jahresertrag eines Gewerbebetriebs. 
Auf diesen wird dann ein StSatz angewendet, 
der nach der Mitwirkung der beiden Produktions- 
faktoren an der Bildung des Gewerbsertrags 
abgestuft ist. Der St atz ist ein höherer, wenn 
der Kapitalgewinn bei der Einkommensbildung 
vorherrscht, und ein niedrigerer, wenn der Ge- 
werbsertrag im wesentlichen Arbeitsverdienst ist. 
b) Die Verknüpfung des Gewerbs- 
kapitals mit dem Reinertrag. An 
die Stelle des Klassenschematismus tritt eine 
klassenweise geordnete Kombination von Rein- 
ertrag und Betriebs= und Anlagekapital in allge- 
meinen Umrissen. Für die einzelnen Stufen 
können Staffelsätze zur Ausgleichung etwaiger 
Härten gewählt werden. Durch diese alternative 
Zusammensetzung kann bei Bemessung der 
St Pflicht die subjektive Leistungsfähigkeit der 
einzelnen Gewerbebetriebe besser berücksichtigt 
werden. 
c) Die Besteuerung nach dem 
wirklichen Reinertrag. Vom gewerb- 
lichen Rohertrag dürfen hier die Produktions- und 
Versicherungskosten, Abschreibungen, Schuldzin- 
sen und Lasten abgezogen werden. Auf die so 
gewonnene Ertragsgröße wird dann cin fester oder 
  
  
Gewerbesteuer (Preußen) 
veränderlicher St Satz angewendet, der wiederum 
nach der Beteiligung von Kapital und Arbeit am 
Gewerbsertrag abgestuft sein kann. Die Gewt 
hat aber dadurch dem Wesen nach aufgehört Er- 
trags St zu sein und ist aus dicser eine spezielle 
Einkommen St geworden. Nur in der äußeren 
Form und verwaltungsrechtlich kann sie den Er- 
trags St zugezählt werden. — — 
Die Veranlagung der Gewt, besonders 
die Einklassierung der einzelnen Gewerbebetriebe, 
bedient sich der Mitwirkung von Veranlagungs- 
und Einschätzungskommissionen, die neben Ver- 
tretern der St Behörde aus Gewerbetreibenden 
und Gemeindeangehörigen zusammengesetzt sind. 
Für die Entscheidung der Beschwerden und Be- 
rufungen ist ein besonderer Instanzenzug einge- 
richtet. 
II. Von den deutschen Staaten haben Preu- 
ßen, Bayern, Württemberg, Hessen, 
beide Mecklenburg, Elsaß-Lothrin- 
gen, Anhalt, Braunschweig, Schwarz- 
burg-Rudolstadt, Lippe--Detmold, 
Schaumburg-Lippe und Waldeck be- 
sondere GewSt. Andere Staaten besteuern die 
Gewerbebetricbe ausschließlich im Rahmen der 
allgcemeinen Einkommen St [J7|: Sachsen, Ol- 
denburg, Sachsen = Weimar, Sach- 
sen = Meiningen, Sachsen-Alten- 
bu rgg Sachsen -Coburg---Gotha, 
Schwarzburg-Sondershausen, beide 
Reuß und die sreien Hanscestädte Hamburg, 
Bremen und Lübeck. 
Baden hat seit G v. 28. 9. 06 unter völliger 
Beseitigung der Ertrags St die GewSt in einen 
Teil der Vermögens St (St vom gewerblichen 
Vermögen) verwandelt. 
§ 2. Preußen. Mit der Einführung der Ge- 
werbefreiheit in der Stein-Hardenbergschen Re- 
sormepoche wurde auch eine allgemeine GewSt 
durch Gv. 2. 11. 1810 eingeführt. In ihrer Struk- 
tur war sie der französischen Patent St nachgebil- 
det, wenn sic auch in Kafuistik und Klassenschema- 
tismus nicht so weit wie diesc oder einzelne süd- 
deutsche GewSt ging. Sie knüpfte, wic das 
französische Vorbild, an die Lösung eines Ge- 
werbescheins an, traf alle Gewerbe und ähnliche 
Erwerbsarten und beruhte auf einem Gewerbe- 
gattungs-, Betriebsumfangs= und Ortsklassen- 
tarif. Mit der St Reform v. J. 1820 wurde sie 
durch Gv. 30. 5. 1820 auf einfacherer Grundlage 
neugcordnet. Die Zahl der Gewerbegattungs- 
klassen wurde auf 11 und diejenige der Orts- 
klassen auf 4 beschränkt, nach denen die St Sätze 
abgestust wurden. Für eine Anzahl von Gewer- 
ben wurden „Mittelsätze“ aufgestellt und für sie 
nach bestimmten VerwBezirken „Steuergesell- 
schaften“", dic alle St Pflichtigen der gleichen 
Gewerbegattung innerhalb des Bezirks als Ge- 
samtheit umfaßten und dann den Mittelsatz so oft 
aufzubringen hatten, als sie Mitglieder zählten. 
Die individuelle Unterverteilung der Gewt 
innerhalb von Minimal- und Maximalsätzen er- 
folgte dann nach der wirtschaftlichen Leistungs- 
sähigkeit der einzelnen Gewerbebetriebe. Im 
Laufe der folgenden 70 Jahre wurde sie nur in 
Einzelheiten, vor allem durch G v. 20. 10. 62, 
nicht aber prinzipiell abgeändert. Sic rief viele 
Klagen, namentlich auch wegen Ueberlastung der 
kleineren Betriebe hervor. Erst im Zusammen-
	        
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