Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gewerbliches Unterrichtswesen (Schularten) 
  
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hatten sich namentlich die für sie 1850 erlassenen pläne der kaufmännischen Fortb Sch und kauf- 
ministeriellen Vorschriften erwiesen, durch die 
die praktisch-fachliche Ausbildung gegenüber der 
theoretischen mehr in den Vordergrund geschoben 
worden war. Eine wenig glückliche Reform im 
Jahre 1870, die die Aufnahmebedingungen ver- 
schärfte, die Anstalten verschiedenen, schwer zu 
vereinigenden Zwecken dienstbar machen wollte 
und wieder die allgemeine Bildung zu sehr auf 
Kosten der fachlichen Ausbildung betonte, führte 
ihre Auflösung und Umwandlung teils in allge- 
meine Unterrichtsanstalten — Real= und Ober- 
real Sch —, teils in reine Fach Sch herbei. Seit- 
dem haben letztere die technische Ausbildung des 
GewStandes fast ausschließlich übernommen. 
Neuerdings macht sich, namentlich in der Preußi- 
schen Unterrichtsverwaltung, das Streben geltend, 
auch die allgemeinen Unterrichtsanstalten, beson- 
ders die Real-, Bürger= und Mittelschulen, wieder 
fachlichen Zwecken in größerem Umfange dienst- 
bar zu machen. 
2. Ziel, Einteilung und Arten der gewerb- 
lichen Schulen nach dem gegenwirtigen Stande. 
Die gewerblichen Sch sind Unterrichtsanstalten, 
in denen junge Leute beiderlei Geschlechts für einen 
gewerblichen oder kaufmännischen Beruf und für 
die technischen Beamtenstellen vorbereitet werden. 
Ihr Ziel bildet hiernach eine Ergänzung der die 
allgemeine Bildung vermittelnden Volks-, Mittel- 
und höheren Schulen, sowie der praktischen Aus- 
bildung in Werkstatt, Fabrik, Laden und Kontor. 
Wie alle Sch, so wollen auch sic gleichzeitig er- 
ziehlich wirken. Für die Mädchen erstreben sie 
außerdem das Ziel, sie für den Hausfrauenberuf 
vorzubereiten, soweit für diese Aufgabe die häus- 
liche Erziehung versagt. 
Haupteinteilung der gewerblichen Schulen: 
Die Fachschulen verfolgen die planmäßige, 
gründliche und umfassende Ausbildung in einem 
  
bestimmten Fache oder doch wenigstens in nahe 
verwandten Fächern. Sic arbeiten zu dem Zwecke 
nach einem fest umgrenzten, systematischen, tun- 
lichst alle Bedürfnisse eines Fachs oder verwandter 
Fächer berücksichtigenden Lehrplan und nehmen 
daher auch in der Regel die Zeit ihrer Zöglinge 
voll in Anspruch, ohne ihnen nebenher noch die 
männischer Fachklassen an gewerblichen Fortb Sch 
in Preußen s. MinErl v. 1. 7. 1911 (Min Bl d. 
Hand.= und Gew Verw 1911, Nr. 14). 
Besondere „Fachklassen“ und „Fach- 
abteilungen werden in größeren Fortb Sch 
gebildet, wo dies nach den besonderen Verhält- 
nissen angängig ist, wo also namentlich Zahl und 
Berufsarten der Schüler solche Gliederung ge- 
statten. Dadurch entstehen enge Berührungspunkte 
zwischen Fortb- und Fach Sch, wie sich denn 
auch nicht selten aus reich gegliederten Fortb Sch, 
insbesondere ihren Fachklassen, nach und nach 
Fach Sch ablösen und selbständig weiter entwickeln. 
Dies gilt namentlich von den sogenannten Hand- 
werker= und Kunstgewerbeschulen (s. unten 86, 13). 
Im Anschluß an die Fortb= und Fach Sch, oder 
auch unabhängig davon, werden häufig meist für 
ältere Leute bestimmte Fachkurse einge- 
richtet, die teils regelmäßig, teils nach Bedürfnis 
für Angehörige des Handels= und Gewtandes 
abgehalten werden und dazu bestimmt sind, die 
technischen und geschäftlichen Kenntnisse im allge- 
meinen oder nach bestimmten Richtungen zu er- 
gänzen und zu vertiefen. Hierher gehören die 
sogenannten Meister-- und Gesellenkurse, die ver- 
schiedenen Kurse für Kaufleute und Handwerker 
in Buchführung, Stenographie, Maschinenschreiben, 
endlich dic Zeichen= und sonstigen technischen 
Kurse an Maschinenbau-, Baugewerk-, Hand- 
werker= und anderen Schulen. 
Die wichtigsten Fachschul- Gattungen sind: 
1. für das Bau., Maschinen= und verwandte 
Gewerbe: die Baugewerk., Maschinenbauschulen, die 
Spezialch für Tischler, Schlosser, Klempner und andere 
Bau- und Metallarbeiter; 
2. für das Textil-, Bekleidungs- und Le. 
derverarbeitungsgewerbet: die Textil-, Schnei- 
der-, Schuhmacher-, Wäsche-, Näh-, Stick., Spitzen-, Hand- 
schuh-, Gerber= und ähnliche Schulen; 
3. für das Berg sach: die Beraschulen; 
4. für die Verkehrsgewerbe: die Navigations- 
und Schifferschulen, Fahr- und Chauiseurschulen: 
5. für die Kausleute: die Handels- Lehranstalten; 
6. für Kunstge werbetreibende: die Hand- 
werker= und Kunstgewerbeschulen:; 
Möglichkeit zur Ausübung eines Berufs zu lassen. 
Die Fortbildungsschulen sind hingegen 
für die breite Masse der schon im Berufsleben 
stehenden jungen Leute vom 14. bis zum 18. Le- 
bensjahre bestimmt. Ihre den verschiedensten 
gewerblichen und kaufmännischen Betrieben ent- 
stammenden Schüler werden neben ihrer beruf- 
lichen Tätigkeit während weniger Stunden des 
Sonntags und in der Woche durch einen Unter- 
richt, der sich meist auf Deutsch, Rechnen, Zeich- 
nen, Buchführung, Kalkulation und Bürgerkunde 
  
  
beschränkt, und der in der Regel ohne eingehendere 
Berücksichtigung eines bestimmten Fachs den ge- 
in das 19. Jahrhundert hinein die Sorge für den 
gewerblichen Unterricht in der Hauptsache Privat- 
personen und gemeinnützigen Vereinen überlassen 
meinsamen Berufsinteressen aller Schüler Rech- 
nung trägt, fortgebildet. Zugleich werden die 
Schüler durch Ergänzung ihrer allgemeinen Bil- 
dung, Festigung ihres Charakters, Pflege der Ge- 
selligkeit und sportliche Veranstaltungen geistig, 
sittlich und körperlich ge fördert. 
Die Mädchen- 
Fortb Sch berücksichtigen häufig in ihrem Lehr- 
plan auch Haushaltungskunde und Handarbeiten. 
Ueber die Einrichtung und Lehrpläne gewerb- 
licher Fortb Sch und die Einrichtung und Lehr- 
v. Stengel. Fleilschmann, Wörterbuch 2. Aufl. II. 
7. für die hauswirtschaftliche und ge- 
werbliche Ausbildung von Mädchen: die 
Haushaltungs- und Gewschulen. 
Einige von diesen Schulgattungen, wie die 
Maschinenbau-, Textil- und Handels Sch zerfallen 
wieder in „niederc“ und „höhere“, je nachdem sie 
das niedere oder höhere Arbeits-, Aufsichts-, Be- 
triebs= und Kontorpersonal ausbilden. Dic höchste 
technische und kommerzielle Ausbildung vermitteln 
die technischen Hochschulen, die Handelshoch- 
schulen und die Bergakademien. 
Nach dem Träger zerfallen die Fach Sch in 
öffentliche und private. Während bis 
blieb, haben sich ihrer neuerdings die öffentlichen 
Verbände und Korporationen, der Staat, die 
Provinzen, Kreise, Gemeinden, Handelskammern, 
Handwerkskammern, gewerblichen Vereine und 
Innungen angenommen und zur Verbreitung 
und Verbesserung des Fortb= und Fachschulwesens 
erhebliche, von Jahr zu Jahr steigende Opfer ge- 
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