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Haftung Dritter (Einzelheiten)
solcher Delikte in Geldstrafe genommen werden.
Unerklärt endlich auch, weshalb die Garanten H.
nicht u. U. zu kräftigeren Mitteln als bloßer
Geldstrafe greift. Vor allem aber hilft die Ga-
rantenhaftungstheorie darüber nicht hinweg, daß
Unschuldige „gestraft“ werden sollen. Aehnliche
Einwendungen sind auch gegen die Deutung der
H. als einer „kriminellen Bürgschaft“ (Binding)
geltend zu machen.
Gar keine Rolle darf in dem Streit um die Na-
tur des Instituts der Umstand spielen, daß sich das
Verfahren, in dem die H. festgestellt wird, in den
Formen des Strafprozesses abspielt (s. unten
*5), als ob damit die kriminelle Natur der H.
bewiesen wäre. Denn es gibt eben Strafpro-
zesse für (Zivilsachen und für) Verw Sachen. Das
Argument würde auch zuviel beweisen, denn da-
nach wären auch der Wertsersatz und die H. dafür,
die ja auch strafprozessual verhängt werden,
Strafen.
JP) Insoweit es sich endlich um H. für die gegen
den eigentlich Schuldigen erwachsenen Ver-
fahrenskoste nhandelt, hat man es mit einer
kostenrechtlichen, also im ordentlichen Strafprozeß
mit einer justizverwaltungsrechtlichen, im Polizei-
und sonstigen Administrativstrafverfahren mit
einer verwaltungsrechtlichen Erscheinung zu tun.
Dies auch dann, wenn die H. für die Kosten nur
aus schuldhafter Teilnahme an dem Delikt (s.
S. 310) entspringt. Man könnte hier zwar
auch daran denken, daß der Betrag, der für den
eigentlich Schuldigen durch Strafe und Kosten
gebildet wird, für den Haftbaren einheitlich seine
„Strafe“ ausmachte; und der Umstand, daß dann
der nur „Haftbarc“ höher gestraft würde, als der
eigentlich Strafbare, würde bei der Irregularität
des ganzen Instituts kein Gegenargument sein.
Näher liegt aber die Auffassung, daß die Kostenlast
ihren nichtkriminellen Charakter auch dann be-
wahrt, wenn ein Dritter, und wäre er schuldiger
Tatteilnehmer, in sie verstrickt wird, da im Kosten-
recht ja höchstens auf die Verschuldung mit Bezug
auf die Kostenverursachung, nicht aber auf die
Tatschuld abgestellt wird.
§s# 4. Folgerungen. Von der so gewonnenen
Grundlage aus ergiebt sich (das Nachstehende
meist sehr umstritten):
1. Die Haftung für Wertsersatz
oder Entschädigung ist in allen Punk-
ten nach bürgerlichem Recht zu behandeln,
so anlangend die H. juristischer Personen,
die H. bei Geschäftsunfähigkeit usw., die Frage
nach dem Erlöschen der H., der Zahlung durch
Dritte, die Frage des Regresses usw. Inwieweit
landesrechtliche, eine solche H. festsetzende Be-
stimmungen gültig sind, bemißt sich nach EcG# z.
B (namentlich a 107).
2. Die kriminelle (verschuldenvorausset-
zende) Haftung für die Geldstrafe un-
tersteht den Grundsätzen des Strafrechts.
Irrig ist zwar die Vorstellung, als ob die Haf-
tungselber eine Strafe wäre, als ob die ge-
wöhnliche Liste der Strafarten durch die weitere
Strafart „Haftung für Geldstrafen“ zu ergänzen
wäre. Die „Haftung“ ist vielmehr nur das formal-
juristische Element, die juristische Bezichung. Die
Strafe ist auch bei der „Haftung“ einfach Geld-
strafc. Ihre Eigenheit liegt nicht in ihr selbst,
sondern in der Art, wie sie mit der Tat verknüpft
ist: bei subsidiärer H. ist die Strafe nur bedingt,
nämlich unter der Bedingung des Ausfalls der
Strafe gegenüber dem Primus, angedroht (vyl.
Beling, Lehre vom Verbrechen S 70 Xll); bei
solidarischer sind 2 Geldstrafansprüche derart in-
einander verschlungen, daß die Befriedigung des
einen auf den anderen hinüberwirkt. Aber un-
beschadet der Verkoppelung mit der Tätergeld-
strafe und unbeschadet ihrer etwaigen Bedingtheit
hat auf diese Geldstrafen das Strafrecht nach den
gewöhnlichen Regeln Anwendung zu finden, so-
weit nicht Anlaß vorliegt, aus der Natur des In-
stituts Abweichungen herzuleiten.
a) Deshalb kann Landesrecht H. Gesetze
dieser Art insoweit aufstellen, als es sich um Tat-
bestände handelt, die nach EStGB §5 2 dem
Landesrecht zur Verfügung gestellt sind. (Wäre die
2 selber eine besondere Strafart, so könnte sich
zandesrecht ihrer nach EStGB K 5 u. 6 nicht
bedienen, und daran könnte auch StG B § 361°
Abss 2 nichts ändern, da er Landesgesetze voraus-
setzt, die nach EStGB ös 2 ff gültig sind, und
nicht selber die Grenze zwischen zulässigem und
unzulässigem Landesrecht normieren, sondern nur
das Verhältnis der Landeshaftungsgesetze zum
g 361 AbfsI regeln will.)
b) Das der H. zu unterstellende Verhalten —
die Teilnahme durch Ermöglichung der Begehung
des Delikts — muß, um wirklich zur H. zu führen,
die Merkmale einer „strafbaren Hand-
lung“ an sich tragen. Daher keine H. juristischer
Personen oder von Personenverbänden, die nicht
einmal juristische Persönlichkeit haben. Daher
ferner keine H., wenn das Verhalten durch einen
Unrechtsausschließungsgrund gedeckt ist (binden-
der Befehl usw). Daher keine H. von Geistes-
kranken, Kindern, sowie solchen Jugendlichen und
Taubstummen, die der durch St GB # 57, 58
geforderten „Einsicht“ ermangeln (daß Kinder pp.
auch von der Tatbegehung „wissen“ können,
worauf Havenstein Gewicht legt, ist mit Rück-
sicht auf das oben S 311 Ausgeführte unerheblich).
Daher auch keine H., soweit ein „persönlicher
Strafausschließungsgrund“ bei dem Haftbaren
vorliegt.
c) Die in den Haftungsgesctzen aufgestellten
besonderen Persönlichkeitsrequisite müssen einer-
seits, brauchen aber andererseits auch nur in dem
Zeitpunkt des Teilnahmeverhal-
tens des Haftbaren gegeben zu sein.
Ist z. B. der Ehegatte für haftbar erklärt, so ist nur
der damalige Ehegatte haftbar, dieser aber auch
dann, wenn er nachmals aufhört, Ehegatte des
eigentlich Schuldigen zu sein.
d) Der H. Anspruch ist genau so höchstper-
sönlich, wie jeder Strafanspruch. Er entsteht
nur aus eigenem schuldhaftem Verhalten des
Haftbaren, nicht aus solchem Verhalten seines
gesebliehen oder sonstigen Vertreters. Es gibt auch
eine Vertretung in der Strafduldung, das Zah-
lungsangebot eines „Vierten" wäre zurückzu-
weisen, Zahlung durch Vierte wäre in gleichem
Umfange Begünstigung, wie sonst bei Geldstrafe.
Irgend ein Rückgriff des zahlenden Haftbaren
etwa an den eigentlich Schuldigen ist ausge-
schlossen. Mit dem Tode des Haftbaren vor
Rechtskraft der die H. aussprechenden Entschei-
dung fällt die H. zu Boden (im anderen Falle
8 30 StGB).