Haftung Dritter (Einzelheiten)
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e) Eine Kumulation der Haftung
mit der durch ein normales Strafgesetz für das
haftungauslösende Verhalten gesetzten Strafe
ist im Bereiche des Reichsrechts unstatthaft,
denn sie wäre Doppelbestrafung (so auch die
frühere Praxis des Reichsgerichts; entgegengesetzt
die neuere Praxis). Ist der Haftbare Mittäter
oder nach s 48, 49 StG strafbarer Teilnehmer
an dem Delikt, so hat das H. Gesetz als das sub-
sidiäre zu weichen, die Bestrafung lediglich nach
5# 47 ff St GB zu erfolgen.
Stellt das Verhalten des Haftbaren zugleich das
delictum sui generis des 8 361° Abs 1 St GB dar,
so ist arg. § 3615 Abs 2 das H. Gesetz das primäre,
sodaß § 361° nur da zur Anwendung kommt,
wo kein H. Gesetz platzgreift.
Im Bereiche des Landesrechts finden sich öfter
Bestimmungen, die dementgegen Kumuclation
von H. und Strafe anordnen (so Preuß. Forst-
diebst G §# 11, Preuß. Feld- und ForstpolG # 5,
Preuß. Fischereis # 52, Preuß. Jagd O sf 80).
Diese Bestimmungen sind gültig, wenn man sich,
was für zutreffend zu erachten, mit der herrschen-
den Meinung auf den Standpunkt stellt, daß die
„Allgemeinen Lehren“ des Reichsstrafrechts für
das Landesrecht nicht bindend sind.
Umgekehrt ordnet Bayr. Forst G v. 28. 3. 52
à 69 III (Zusatz vom Jahre 1896) an, daß die H.
aus à 69 hinter der Strafe aus §5 361° StG.
subsidiär sein solle. Diese Bestimmung ist unzwei-
felhaft gültig, da Landesrecht die Tragweite seiner
eigenen H. Gesetze beliebig begrenzen kann.
Soweit es an landesrechtlichen Spezialbestim-
mungen fehlt, muß aber auch für die landesrecht-
lichen H. Fälle das Gleiche gelten, wie für das
Reichsrecht.
tl)sHaftet ein Haftbarer für mehrere
„eigentlich Schuldige“, so kann die H. im Effekt
nur eine sein, da sonst wiederum ein Verhal-
ten doppelt gestraft würde (abweichend die herr-
schende Meinung). Der Haftbare hat also nicht
mehr zu zahlen als die höchste der mehreren Geld-
strafen beträgt.
8) Die Haftungen Mehrerer mit bezug auf
dieselbe Geldstrafe erscheinen an sich als von
einander unabhängig. Da aber die Zahlung durch
den Einen auch den Strafanspruch, für den ge-
bastet wird, hinfällig macht, so stellt sich das Ver-
hältnis der mehreren Haftbaren unter sich als ein
Solidarhaftungsverhältnis dar. Das württ. Bier-
steuer G v. 4. 7. 00 à 54 bestimmt dies ausdrücklich
(ohne daß dies, wie in meiner Lehre vom Verbre-
chen S 71 Anm. 1 angenommen ist, eine Beson-
derheit wäre).
h) Eine Umwandlung einer nicht bei-
treiblichen Haftungsgeldstrafe in Freiheits-
strafe wird in etlichen Gesetzen (so Preuß.
Forstdiebst G # 13 IV, Preuß. Feld- und Forstpol G
§5., Preuß. Jagd O § 80 III) für unstatthaft er-
klärt. Auf die gleiche Tendenz deuten auch die
S312 Sp. 1 unten angeführten Reichsgesetze hin,
wenn sie von H. „mit dem Vermögen" sprechen.
Aber auch abgesehen von solchen ausdrücklichen
Bestimmungen wird man trotz der hier in Rede
stehenden kriminellen Natur der H. mit der herr-
schenden Meinung (gegen Kleinfeller) solche Um-
wandlung abzulehnen haben, da sowohl die Soli-
darität, wie die Subsidiarität der H. zu deutlich
den finanzpolitischen Hintergedanken der ein-
——.—
schlägigen Gesetze erkennen lassen und auch nur
bei dessen Zuhilfenahme begreiflich erscheinen.
i) Die Begnadigungl#ll (auch bedingte Be-
gnadigung) folgt auch hinsichtlich der Haftungs-
geldstrafe den gewöhnlichen Regeln. Ebenso die
VBVerjährung; die Länge der Fristen be-
stimmt sich unter Zugrundelegung der dem
eigentlich Schuldigen drohenden höchsten Geld-
strafe nach § 67, bezw. der erkannten Geldstrafe
nach #§ 70 St GB. Beginn der Frist bei subsi-
–— — —
diärer H. nicht erst mit Eintritt der Bedingung
(Unbeitreiblichkeit der Geldstrafe gegen den
eigentlich Schuldigen), da das Verfahren con-
junctim mit dem Strafprozeß gegen den eigent-
lich Schuldigen vor sich geht, s. unten §& 5 Ziff. 2.
Beginn vielmehr mit dem schuldhaften Verhalten
des Haftbaren. Lauf, Ruhen, Unterbrechung der
Verjährung unabhängig von Lauf, Ruhen und
Unterbrechung der Verjährung gegen den eigent-
lich Schuldigen.
Inwieweit eine Begnadigung des eigentlich
Schuldigen oder eine gegen ihn eintretende Ver-
jährung auf den Haftbaren hinüberwirken, ist
unten zu erörtern.
3. Die nichtkriminelle (Verschulden
nicht voraussetzende) H. für Geldstrafe
kusn den Grundsätzen des Verwaltungs-
re 8.
a) So ist hier zunächst das Landesrecht
von den Schranken der 88 2ff EStGB frei.
b) Da der Anspruch gegen die haftbare Person
als solche unangesehen ihr Verhalten
geht, so trifft die H. die Person, einerlei ob sie
irgendwie rechtswidrig sich verhalten hat oder
nicht, ob sie ein Vorwurf trifft oder nicht. Juri-
stische Personen und andere Personenverbände
haften wie physische Personen. Geisteskrankheit,
indliches ober jugendliches Alter, sowie Taub-
stummheit spielen keine Rolle.
c) Haftbar ist, wer zur Zeit der Tat
des eigentlich Schuldigen die im
Gesetz verlangten persönlichen Beziehungen zu
diesem hatte.
Gründet sich die H. auf sächliche Beziehungen
(Eigentum an dem Schiff &+2 Z 1b#)h, so haftet sie
dinglich an der Sache und richtet sich also gegen
den jeweils an der Sache Berechtigten.
d) Die publizistische Schuld des Haftbaren kann
von jedem Vierten erfüllt wer-
den, von Begünstigung ist keine Rede. Rückgriff
des zahlenden Haftbaren an den eigentlich Schul-
digen ist möglich (so ausdrücklich Elbschiff Konvention
v. 13. 4. 44 a 30“ betr. den haftbar gemachten
Schiffsführer). Der Tod des Haftbaren läßt die
Verbindlichkeit insoweit auf die Erben übergehen,
als dies bei Steuerrückständen der Fall ist.
e) Trifft den Haftbaren wegen schuldhaften
Verhaltens Strafe, so ist die H. mit dieser zu
kumulieren. ç
f) Ebenso tritt die H. selber so vielfach multipli-
ziert auf, als gegen mehrere Beteiligte Geld-
strafen in Frage stehen, für die der Dritte haftet.
)Die H. mehrerer Personen mit bezug
auf dieselbe Geldstrafe ist dagegen aus den glei-
chen Gründen wie bei krimineller H. (oben Ziff. 28)
nur eine solidarische.
h) Umwandlung unbeitreiblicher Haf-
tungsgeldbeträge in Unfreiheit ist hier natürlich
erst recht ausgeschlossen.