Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Haftung Dritter (Verfahren im allgemeinen) 
  
i) Begnadigung ist hier als Erlaß publi- 
zistischer Forderungen möglich. Verjährung 
ist ausgeschlossen. Z 
4. Die Haftung für die Prozeß- 
kosten folgt den Regeln der St PO und der sie 
ergänzenden Reichs= und Landes Gesetze über 
Kostentragung überhaupt. Dabei ist landesrecht- 
liche Normierung solcher H. auch für Kosten, deren 
Tragung sich nach dem Reichsrecht bestimmt, für 
gültig zu erachten, da die kostenrechtlichen Be- 
stimmungen des Reichsrechts dadurch keinen Ab- 
bruch erleiden. 
z 5. Allgemeine Regeln für das Verfahren in 
Hastungssachen. Als Gegenstand einer 
behördlichen Prozedur gedacht, 
in der der H. Anspruch geltend gemacht wird, ist 
die H., soweit sie Straf H. für die Geldstrafe ist, 
„Strafsache“, soweit sie H. für Wertsersatz (Ent- 
schädigung) ist, „Zivilsache“, soweit sie nicht- 
kriminelle H. für die Geldstrafe ist, „Verwaltungs- 
sache“, soweit sie endlich Kosten H. ist, straspro- 
zessuale Kostenangelegenheit. Indessen lassen 
sämtliche H. Gesetze mindestens implicite erken- 
nen, daß die Feststellung und Verwirklichung 
der H. in allen Fällen auf dem Wege des 
Strafprozesses vor sich gehen soll. Es 
wird also dadurch der Strafrechtsweg für gewisse 
„bürgerliche Rechtsstreitigkeiten" und „Verwal- 
tungssachen“ normiert; hinsichtlich der Prozeß- 
kostenhaftung besteht die Besonderheit darin, daß 
die Kostenhaftungsfrage aus der Stellung eines 
bloßen Annexes des Strafprozesses gegen den 
„eigentlich Schuldigen“ zum Range eines wahren 
Prozeßgegenstands erhoben wird. Der Grund- 
gedanke dieser Regelung ist offenbar der, daß die 
H. Frage so eng mit der Deliktsfrage zusammen- 
hängt, daß dieselbe Stelle, die diese entscheidet, 
zweckmäßigerweise auch mit jener befaßt wird. 
Alle diese Verschiebungen begegnen, soweit sie 
aus reichsrechtlicher Quelle fließen, keinem An- 
stand. Soweit sie landesrechtlichen Ursprungs 
sind, kann ein Zweifel hinsichtlich der Gültigkeit 
der landesrechtlich normierten Verschiebung höch- 
stens hinsichtlich der zivilrechtlichen H. (für Werts- 
ersatz oder Entschädigung) auftauchen. Da je- 
doch diese H. ein landesrechtlich geregeltes Rechts- 
verhältnis betrifft, Landesrecht dabei durch BGW 
a 107 gedeckt ist, und Landesrecht die Freihcit hat, 
landeszivilrechtliche Rechtsstreitigkeiten dem or- 
dentlichen Zivilrechtsweg zu entziehen, so muß 
jeder Zweifel verstummen. Daß Landesrecht 
landesverwaltungsrechtliche Angelegenhciten auf 
den (reichsrechtlich für sie ja nicht verbotenen) 
Strafrechtsweg verweisen, und strafsprozessuale 
Kostenfragen zum Gegenstande eines Strafpro- 
zesses (statt bloßer Angliederung an einen andern 
Strafprozeß) machen kann, unterliegt keinem 
Bedenken. 
Im einzelnen gelten für das H. Strafverfahren 
solgende Regeln: 
1. Das Verfahren gehört a) grundsätzlich nach 
GVG l 13 vor die ordentlichen Straf- 
gerichte und hat sich dort b) grundsätzlich in 
den Formen des ordentlichen Straf- 
prozesses abzuspielen. Indessen ergibt sich 
zu a) aus dem soeben erwähnten Konnex- 
gedanken, daß eine H., dic sich auf einen vor be- 
  
  
  
Deshalb gehört bei militärgerichtlich abzuur- 
teilenden Delikten auch die H. Frage vor die 
Militärgerichte; bei stromgerichtlich abzuurtei- 
lenden Delikten auch die H. Frage vor die betr. 
Stromgerichte (vgl. auch Preuß. G betr. die 
Rheinschiffahrts-Gerichte v. 8. 3. 79 § 13, Preuß. 
Gbetr. die Elbzollgerichte v. 9. 3. 79 8 7). 
Deshalb gehört ferner bei Straffällen, die der 
Abrügung durch die Polizei oder durch Zoll= oder 
Steuerbehörden unterliegen, auch die H.Frage 
vor diese Organe (vorbehaltlich der S 321 Ziff. 3 
zu erörternden Frage, ob die der Strafverfügung 
bezw. dem Strafbescheid reichsrechtlich gesetzten 
Grenzen etwa das administrative Strafverfahren 
hier ausschließen). Doch ist in einer Reihe von 
Steuergesetzen (Branntwein-- und Brausteuer- 
gesetze, Schaumwein-, Zigaretten-, Zuckersteuer- 
gesetz) für die Verhängung der H. ausdrücklich 
ein richterliches Erkenntnis verlangt, sodaß 
hier kein Administrativstrafprozeß platzgreift. 
Zu b. Auch der Satz, daß eine H., wenn sie vor 
ein ordentliches Strafgericht gehört, dort im ordent- 
lichen Verfahren zu traktieren ist, hat nur grund- 
sätzliche, nicht ausnahmslose Bedeutung. Ist für 
einen Straffall selber ein besonderes Verfahren 
(Strafbefehlsverfahren, Forst= oder Feldrüge- 
verfahren) vorgesehen, so ergreift dieses auch die 
daran anschließende H. Frage, soweit nicht die der 
betr. Prozedur gezogenen Grenzen etwas an- 
deres bedingen. 
2. Einerlei, vor welche Stelle der H. Prozeß ge- 
hört und welche Prozedur für ihn gilt: in allen 
Fällen muß behauptet werden, daß die Haf- 
tung mit dem Straffall (oder anders 
ausgedrückt der H. Anspruch gegen den Dritten 
mit dem Strafanspruch gegen den eigentlich 
Schuldigen) zusammen „die Strassache“ bil- 
det. Es handelt sich keineswegs um mehrere 
Strafsachen, die etwa nach den Regeln des „Zu- 
sammenhangs" im Sinne der 8/8 3, 13 pp. StpO 
zu behandeln wären. Der Zusammenhang ist 
vielmehr ein viel engerer: er bewirkt Erstreckung 
der Strassache, die an sich aus dem Strafanspruch 
gegen den eigentlich Schuldigen besteht, auf die 
H. Ansprüche als Akzessorien. Dicse bilden also 
mit jenem zusammen derart eine Einheit, daß sie 
ihm nur adhärieren, und irgend ein abgespalteter 
Sonderprozeß ihretwegen nicht stattfinden kann. 
Daß die H. keine selbständige Strafsache, sondern 
nur akzessorischer Zusatz der eigentlichen Straf- 
sache ist, ergibt sich vor allem aus der Interessen- 
lage. Einerseits nämlich ist es für die Behörden 
keinc unbillige Zumutung, die Angelegenheit ein- 
heitlich zu erledigen, vom behördlichen Stand- 
punkte aus ist ja diese einheitliche Erledigung im 
Gegenteil die praktischere. Andererseits hat der 
als haftbar in Anspruch zu Nehmende ein berech- 
tigtes Interesse daran, daß er nicht separat ver- 
solgt werde. Dazu kommt, wenigstens bei der 
fubsidiären H., eine bisher noch nicht genügend 
beachtete prozessuale Cigentümlichkeit des H. Pro- 
zesses. Da nämlich bei jener H. der Anspruch sich 
erst mit dem Unvermögen bezw. der Unbeitreib- 
lichkeit in der Person des cigentlich Schuldigen pu- 
rifiziert und bis dahin nur als ein bedingter exi- 
stiert, so müßte, da der Strasprozeß eine Klage 
auf künftige bedingte Leistung sonst nicht kennt, 
sondere Gerichte oder VerwBehörden verwiesenen 
Straffall bezieht, auch ihrerseits dorthin gehört. Eintritt der Bedingung gewartet werden, und 
allgemeinen Regeln gemäß notwendig erst auf den
	        
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