Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Hagelversicherung 
  
ren eine gewisse Bedeutung. Zunächst waren die 
Bestrebungen auf Errichtung möglichst vieler 
kleiner Gegenseitigkeitsanstalten gerichtet. Diese 
Anstalten erwiesen sich als ungenügend, sie be- 
saßen keine verlässige Schadenstatistik, verschwan- 
den bald wieder von der Bildfläche und schadeten 
der Entwicklung der H. mehr als sie nützten. 
Erst Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden die 
großen mit Kapital genügend ausgestatteten 
Aktiengesellschaften, welche neues Leben in die 
H. brachten. Freilich gingen die Aktiengesellschaf- 
ten eklektisch zu Werk, suchten ein möglichst großes 
Gebiet zu erobern und sich dort die guten Risiken 
herauszusuchen und zu sichern. Diesen Bestre- 
bungen ist ein guter Teil der Entwicklung der 
H.Technik zu danken. Bald bildeten sich aber auch 
lebensfähige Gegenseitigkeitsgesellschaften, so daß 
jetzt auf dem Gebiet der H. die Gegenseitigkeit 
überwiegt. Die Aktiengesellschaften versichern 
gegen festen Beitrag und haften für den ange- 
fallenen Jahresschaden mit ihren Einnahmen, 
Reserven und Grundkapital, die Gegenseitigkeits- 
anstalten verteilen entweder nach Umfluß der 
Schadenszeit den Jahresschaden auf ihre Mit- 
glieder oder sie erheben eine sog. Vorprämie zum 
Anfang der Hagelperiode und dann nach deren 
Schluß, wenn die Vorprämie nicht reicht, einen 
Nachschuß in wechselnder Höhe, immer aber so 
groß, daß Schaden und Verw Kosten vollständig 
gedeckt werden können. Je größer der Nachschuß 
und je kleiner die Vorprämie ist, umso mehr liegt 
es nahe, daß diese letztere dem durchschnittlichen 
Schaden nicht entspricht. Es sind deshalb die Be- 
strecbungen der Gegenseitigkeitsanstalten darauf 
gerichtet, durch Festsetzung einer annähernd aus- 
reichenden Vorprämie die Nachschüsse tunlichst 
zu vermeiden und durch Spezialreserven dafür 
Sorge zu tragen, daß die Versicherten nicht durch 
unerträglich hohe Nachschüsse überrascht werden. 
Gegenwirtig betreiben in Deutschland 5 Aktien- 
gesellschaften und 16 Gegenseitigkeitsgesellschaften 
die Hagelversicherung. 
3. Die Norddeutsche Hagelversicherungs- 
gesellschaft. Als eine sehr bemerkenswerte Er- 
scheinung ist die Norddeutsche H. Gesellschaft her- 
vorzuheben, die auf Grundlage der Gegenseitig- 
keit und mit Vorprämie und Nachschuß arbeitet. 
Sie ging hervor aus einer Vereinigung angesehe- 
ner Großgrundbesitzer, nachdem sich schon der 
Kongreß norddeutscher Landwirte im Jahre 1869 
mit der H. Frage befaßt hatte. Die Gesellschaft 
entwickelte sich rasch und brachte es in den ersten 
25 Jahren auf 75 655 Policen mit einer Ver- 
sicherungssumme von 595 798 409 Mk. Die gute 
Entwicklung der Gesellschaft hing damit zusam- 
men, daß sie ausschlie ßlich unter dem Einflusse 
gebildeter Landwirte stand und bei ihrem ganzen 
Geschäftsbetrieb nur die Interessen der Landwirt- 
schaft im Auge behielt. In den ersten 25 Jahren 
ihres Wirkens, das sich freilich auf das bezüglich 
der Hagelgefahr günstigere Gebiet von Nord-, 
Mittel= und Westdeutschland erstreckte, war die 
N. H. V. G. in der glücklichen Lage, nur einen Bei- 
trag von 92 Pf. für 100 Mk. Versicherungssumme 
erheben zu müssen. Infolge dessen sahen sich auch 
die Aktiengesellschaften genötigt, ihre Prämien 
nicht unbeträchtlich herabzumindern. 
Bei ihrer weiteren Entwicklung suchte die N. 
H. V. G. auch auf die als günstiger geltenden Be- 
  
  
zirke Süddeutschlands ihren Geschäftsbetrieb aus- 
zudehnen. Zunächst wurde mit dem württem- 
bergischen Ministerium am 3. 6. 95 eine 
Uebereinkunft abgeschlossen, um den Landwirten 
in Württemberg eine Versicherungsgelegenheit 
zn gewähren und ihnen durch Staatszuschüsse die 
achschußpflicht tunlichst abzunehmen. Den glei- 
chen Zweck verfolgte ein Uebereinkommen mit 
der badischen Regierung v. Jahre 1891, in 
dem Kreis= und Staatszuschüsse vorgesehen wur- 
den, um den Versicherten die Entrichtung der 
Nachschußprämie zu erleichtern. Ein mit der 
großh. hessischen Regierung abgeschlossener 
Vertrag wurde mit dem Jahre 1908 nach fünf- 
jährigem Bestehen nicht mehr erneuert. In 
Elsaß-Lothringen vermitteln die „Kreis- 
Hagelversicherungsvereine“ den Verkehr zwischen 
den Landwirten des Kreises und der N. H.V. G., 
sie fördern die Gemeindeversicherungen und 
sammeln Reservefonds an, um den Mitgliedern 
die Verpflichtung zur Zahlung von Nachschüssen 
tunlichst zu erleichtern. Zu den Vorprämien wer- 
den Zuschläge erhoben, welche in die Vereinskasse. 
fließen. Die Vereine haben ein gemeinsames 
Organ, den Kassenverband in Straßburg, der die 
angesammelten Gelder, insbesondere die aus 
Landesmitteln herstammenden an die Vereine 
verteilt. 
Auch auf Bayern dehnte die N. H. V.G. 
ihren Geschäftsbetrieb aus, obgleich dort die 
Staatsregierung in kein Vertragsverhältnis zu ihr 
trat und es vorzog, die H. durch Gründung einer 
Landesanstalt zu fördern und dieser entsprechende 
Subventionen zuzuwenden. Die N. H. V. G. hat 
sich jedoch in neucster Zeit aus Oberbayern und 
Niederbayern ganz zurückgezogen und die Ver- 
sicherung in den übrigen Kreisen sehr einge- 
schränkt, weil sie mit Verlust arbeitete, wohl 
der beste Beweis für die großen Schwierigkei- 
ten, mit denen die H. in Süddeutschland zu 
kämpfen hat. · 
Die N. H. V. G. befolgt den Grundsatz, daß der 
Schadenschätzer den vorgefundenen, resp. vor 
Eintritt des Hagels vorhanden gewesenen Frucht- 
stand überall als gleichwertig mit den im Ver- 
sicherungsantrag enthaltenen Sätzen ansehen und 
eine Reduktion der letzteren in keinem Falle vor- 
nehmen soll. Nur, wenn beim Eintritt des Hagels 
ein Fruchtbestand überhaupt gar nicht vorhanden 
oder als verloren gegangen anzusehen war, greift 
jener Grundsatz nicht Platz. 
é4. Die bayerische Landeshagelversicherungs- 
anstalt. 
Im Königreich Bapern sind bei einer Gesamtgrundfläche 
von 7587 000 ha ausgedehnte Flächen in landwirtschaft- 
licher Benützung. Es sind vorhanden Wiesen 1 291 600 ha, 
mit Klee bestellt 313 000 ha, mit Weizen 2 868 000 ha, mit 
Roggen 568 200 ha, mit Gerste 353 700 ha, mit Hafer 
497 600 ha, mit Kartoffel 355 300 ha, mit Rüben 76 900 ha, 
mit Hopfen 24 600 ha, mit Tabak 2400 ha und mit Wein 
24 400 ha. Der Wert der Getreideernte in Bayern wurde 
für das Jahr 1909 mit 536 Millionen berechnet. Nur der 
kleinste Teil des Ertrages gelangte früher zur Versicherung; 
im Jahre 1884 waren nur 12 600 versicherte Lekonomen 
vorhanden, da die Furcht vor hohen Prämien und Nach- 
schüssen abschreckte und die von den Privatgesellschaften 
geübte Vorsicht bei Auswahl der Risiken bewirkte, daß viele 
gefährdeten Bezirke der H. ganz entbehren mußten. Zu- 
dem manaelte es an einer geordneten Schadensstatistik.
	        
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