Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Handel (Wanderhandel; Geschäftsreisende) 
  
Baumwolle oder Leinen; der H. mit Dynamit 
oder andern Sprengstoffen, wozu jedoch 
Schießpulver nicht zu rechnen ist; mit Losen 
von Lotterien und Ausspielungen oder mit Be- 
zugs= und Anteilscheinen auf solche Lose; der 
Viehhandel; das Geschäft des Auktio- 
nators; der H. mit Drogen und che- 
mischen Präparaten, die zu Heilzwecken 
dienen, sofern die Handhabung des Gewerbe- 
betriebs Leben und Gesundheit von Menschen ge- 
fährdet; der Klein H. mit Bier, wenn der 
Händler wiederholt wegen Zuwiderhandlung 
gegen die Vorschriften des § 33 Gew O (s. oben 
Ziff. 1) bestraft ist. 
Personen, die eins dieser Gewerbe beginnen, 
haben bei Eröffnung des Betriebs neben der all- 
gemeinen Betriebsanzeige (s. § 3) noch eine be- 
sondere Anzeige an die zuständige Behörde — in 
Preußen die Ortspolizeibehörde des Betriebs- 
orts, in Bayern die Distriktsverwaltungsbehörde, 
in München die PolsDirektion, im Kgr. Sachsen 
die untere VerwBehörde, in Württemberg das 
Oberamt, in Baden das Bezirksamt — zu erstat- 
ten. Die Betriebsuntersagung erfolgt in Preußen 
auf Klage der Ortspolizeibehörde im Verw Streit- 
verfahren (Zust G ## 119), in Baden durch den 
Bezirksrat, in den anderen aufge führten Staaten 
durch die Behörde, an welche die besondere An- 
zeige zu richten ist. 
Auch der Betrieb der meisten der vorstehend 
(unter Ziff. 2) ausgeführten Gewerbe kann landes- 
rechtlich Beschränkungen unterworfen werden. 
Zuständig sind die Landeszentralbehörden, die 
hinsichtlich der Auktionatoren über den Umfang 
ihrer Befugnisse und Verpflichtungen, sowie über 
ihren Geschäftsbetrieb (GewO s 38 Abfs 1), hin- 
sichtlich der übrigen erwähnten Gewerbebetriebe 
— mit Ausnahme des Drogen= und Bierhandels — 
Vorschriften darüber erlassen können, in welcher 
Weise die Gewerbetreibenden ihre Bücher zu 
führen und welcher polizeilichen Kontrolle über 
den Umfang und die Art ihres Geschäftsbetriebs 
sie sich zu unterwerfen haben (das. Abs 4). In 
Preußen sind daraufhin Vorschriften erlassen für 
die Versteigerer am 10. 7. 02 (HMB 279), für 
die Versteigerer in Markthallen am 11. 7. 02 
(HMB 293) und für die Trödler am 30. 7. 01 
(HM4#), abgeändert am 26. 7. 02 (KOMB 299). 
Für den H. mit Sprengstoffen sind schließ- 
lich Vorschriften über Buchführung und polizei- 
liche Kontrolle in den in den Bundesstaaten 
übereinstimmend erlassenen Bestimmungen über 
den Verkehr mit Sprengstoffen getroffen. Vgl. 
für Preußen Min E v. 14. 11. 05 (KOMB 282). 
3. Für eine Reihe von Gewerben sieht die 
GewgO (5 36) die Möglichkeit einer öffent- 
lichen Anstellung und Beeidigung 
vor. Von H.Gewerben gehören hierher das Ge- 
werbe der Auktionatoren und verschiedene Hilfs- 
gewerbe des H., Bücherrevisoren, Gewerbe- 
treibende, die den Feingehalt edler Metalle oder 
die Beschaffenheit, Menge oder richtige Verpackung 
von Waren irgend einer Art feststellen, die Güter- 
bestätiger, Schaffer, Wäger, Messer, Bracker, 
Schauer, Stauer usw. Die öfsentliche Anstellung 
und Beceidigung erfolgt in Preußen, abgesehen 
von den Auktionatoren, durch die H. Kammern und 
die Vorstände der ihnen gleichgestellten kauf- 
männischen Körperschaften (OKch §## 42, 44). 
  
Die Polizei= und höheren VerwBehäörden, die 
ebenfalls rechtlich zuständig sind, sollen von dieser 
Befugnis insoweit keinen Gebrauch machen, als 
die H. Vertretungen zur Beeidigung und öffent- 
lichen Anstellung befugt sind. Die erwähnten Ge- 
werbe dürfen an sich frei betrieben werden; die 
öffentliche Anstellung und Beeidigung begründet 
daher keine ausschließliche Gewerbeberechtigung 
und ebensowenig die Eigenschaft eines Beamten. 
Ihre Bedeutung liegt einerseits darin, daß in 
Fällen, in denen die Gesetze den Eintritt bestimm- 
ter Rechtsfolgen von Feststellungen amtlich be- 
stellter Sachverständiger abhängig machen z. B. 
HGB 8 438, 88 608, 609, die öffentlich angestellten 
und beeidigten Gewerbetreibenden ohne weiteres 
als solche gelten, andererseits in ihrer vorzugs- 
weisen Heranziehung als Sachverständige im 
Zivil= und Strafprozeß (Z3PO 5 404 Abs 2, 
StPO 8 73 Abs 2), endlich in dem Ansehen, das 
ihnen die öffentliche Anstellung und Beeidigung 
in den Augen des Publikums gewährt. 
6#5. Beschränkungen im Betriebe des Handels 
außerhalb der Handelsniederlassung. 
1. Mit der Betriebsform des WanderH. (Be- 
griff oben # 2) sind erhebliche Gefahren verbunden 
teils in wirtschaftlicher Beziehung, indem der 
Hausierer dem Publikum nicht die gleiche Gewähr 
bietet wie der seßhafte, unmittelbarer Verant- 
wortlichkeit unterliegende H., teils vom Stand- 
punkte des Gemeinwohls aus, indem sich unter 
dem Deckmantel des Wanderp. leicht unmorali- 
sche und strafbare Handlungen verbergen können. 
Der Wander. ist deshalb sowohl rücksichtlich der 
persönlichen Zulassung dazu als hinsichtlich der 
Art seiner Ausübung weitgehenden Beschrän- 
kungen unterworfen. 
Nahe verwandt dem WanderH. ist der ört- 
liche Wanderhandel (l(ambulanter 
Wanderhandel), der sich von ihm wesent- 
lich nur dadurch unterscheidet, daß er von dem 
Händler am Orte seines Wohnsitzes oder seiner 
gewerblichen Niederlassung betrieben wird. Hier- 
durch erhält er und zwar auch wenn er ohne Be- 
gründung einer gewerblichen Niederlassung statt- 
findet, die Eigenschaft des stehenden Gewerbes. 
Als solches war er ursprünglich keinen Beschrän- 
kungen unterworfen; erst durch die Novelle zur 
GewO von 1883 erfuhr er eine eingehendere Re- 
gelung, die durch spätere Novellen weiter ver- 
schärft worden ist. Vgl. oben S. 241. 
2. Die Befugnis zum Betriebe eines stehenden 
H.Gewerbes schließt die Befugnis in sich, das 
Gewerbe nicht nur innerhalb des Gemeinde- 
bezirks der Niederlassung, vorbehaltlich der unter 
Ziff. 1 dargelegten Beschränkungen, sondern 
auch außerhalb dieses Bezirks auszuüben (GewO 
§ 42). Diese Befugnis findet jedoch dort ihre 
Grenze, wo das Wandergewerbe anfängt; von 
den für dieses geltenden Beschränkungen entbindet 
auch der Besitz einer gewerblichen Niederlassung 
nicht. Die Grenze zwischen Wandergewerbe und 
Ausübung des stehenden Gewerbes außerhalb 
des Orts der Niederlassung ist durch die Gesetz- 
gebung mehrfach verschoben worden. Die wesent- 
liche Unterscheidung bestand darin, daß der Wan- 
dergewerbetreibende seine Waren mit sich führte, 
während der Geschäftsreisende Warenbestel- 
lungen auf Grund von Mustern und Proben auf- 
suchte. Die Beobachtung, daß das Aufsuchen von
	        
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