Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gefängniswesen 
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über die Verhängung von Disziplinarstrafen wer- 
den, soweit nicht die Bestimmungen des 8 490 
St PO Platz greifen, von der Aufsichtsbehörde 
entschieden. Wird die Aufsicht unmittelbar von 
der obersten Aufsichtsbehörde geführt, so ist die 
Entscheidung endgültig. Andernfalls steht die 
Entscheidung über die von dem Gefangenen erho- 
bene weitere Beschwerde der obersten Aufsichts- 
behörde zu.“ 
In einigen größeren G der preußischen Justiz- 
verwaltung sind zur Mitwirkung bei der Verwal- 
tung Aufsichtskommissionen bestellt (GO #24), 
deren Zusammensetzung und Geschäftskreis im 
einzelnen Falle geregelt wird. 
4 8. Der Dienst in den Gefängnissen (Diszi- 
plin). Die Grundsätze enthalten in ##§# 8ff—16, 
34—36 grundlegende Bestimmungen über: 1) Auf- 
nahme der Gefangenen sowie Unterbringung und 
Trennung, 2) Ausführung der Einzelhaft und der 
Gemeinschaftshaft, 3) Disziplin. Die körper- 
liche Züchtigung ist nur gegen schulpflich- 
tige Jugendliche bedingt zulässig und den Zucht- 
haussträflingen gegenüber nur beschränkt an- 
wendbar (5 34 Abs 7, 8). In Bayern ist die 
körperliche Züchtigung in allen Strafanstalten 
unbedingt verboten (192 der Haus v. 20. 9. O7). 
Außer Verweis, Kostschmälerung, Arrest sind als 
Disziplinarstrafen zulässig: Beschränkung und Ein- 
ziehung des Guthabens aus dem Arbeitsverdienste, 
Entziehung des Spaziergangs bis zu einer Woche, 
der Lektüre und der Arbeit. 4) Die Vorschrift 
einer Hausordnung für jede Anstalt (§5 37). 5) Be- 
stimmungen über Beschäftigung, Bekleidung, La- 
gerung und Beköstigung (§§ 17—27), Besuche 
und Schriftverkehr (Is 32—33) und Bewegung 
im Freien (§5 31). Bei der Bekleidung ist 
die Frage von Bedeutung, ob den Gefangenen 
das Tragen eigener Wäsche und Kleidung zu ge- 
statten sei. Bezüglich der Anrede „Sic“ oder 
„Du“" wird es verschieden gehalten. Nach § 18 
GO sind die erwachsenen Gefangenen mit „Sie“ 
anzureden. Durch die Hausordnungen sind die 
Vorschriften der Grundsätze ausführlich ergänzt 
und erläutert. Dabei finden sich zahlreiche Ver- 
schiedenheiten, oft von sehr einschneidender Be- 
deutung. Solche Verschiedenheiten bestehen z. B. 
in Preußen zwischen den Bestimmungen der GO 
und der DO. Herrschend ist überall das Bestre- 
ben (z. B. Bayrische Haus O s 13), jeden Ge- 
fangenen nach seiner Eigenart zu behandeln. 
5 9. Verpflegung der Gefangenen. Die Wirk- 
samkeit der Strafe, die Kosten und die Gesundheit 
der Gefangenen erheischen Berücksichtigung, wel- 
che dadurch erschwert wird, daß diese Gesichts- 
punkte teilweise gegen einander stehen. Ein- 
gehende Erforschungen und Bceobachtungen wur- 
den in diesen Beziehungen angestellt, man ist bis 
zu periodischen Wägungen der Gefangenen ge- 
gangen. Es handelt sich darum, den Gefangenen 
im richtigen Verhältnisse vegetabilisches und ani- 
malisches Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate zuzu- 
führen, dabei durch Gewährung von Abwechselung 
den Appetit rege zu halten, das Maß aber auf das 
Notwendigste zu beschränken und, entsprechend 
dem Aufenthalt im Strasorte, jedes von der Ab- 
wechselung nicht gebotene Reizmittel fernzuhalten. 
So ist Alkohol regelmäßig verboten, der Tabak- 
genuß sehr beschränkt. Es werden für eine Anzahl 
von Tagen periodisch wechselnde Speisezettel an- 
  
  
gefertigt. Fleisch wird den Gefangenen zwei= oder 
dreimal in der Woche zusammen 200—240 Gramm 
verabreicht. Neben der regelmäßigen Kost für 
Gesunde wird ein Speisezettel für leicht Erkrankte 
und solche, welche die GKost nicht mehr aufneh- 
men können (Mittelkost), festgestellt und außerdem 
eine Krankenkost zugelassen. Auch für Mittel= und 
Krankenkost sind mit Rücksicht auf den GZweck 
Schranken gezogen. Vgl. Grundsätze §§ 23, 24 
und wegen der Bekleidung s 25, 26. Aus der 
Arbeitsbelohnung dürfen die Gefangenen sich 
„Zusatznahrungsmittel“ in beschränktem Maße 
ankaufen. Unter bestimmten Voraussetzungen 
können Selbstbeköstigung und eigene Kleider und 
Betten gewährt werden. Der Koörperpflege 
(Lüftung, Baden, Bewegung im Freien, Turnen), 
ist besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, damit 
die Schädlichkeiten der Haft ausgeglichen oder 
doch auf ein erträgliches Maß beschränkt werden. 
Bei Erkrankung eincs Gefangenen ist der 
GArzt und bei besonderer Dringlichkeit, falls 
dieser nicht erreichbar ist, ein anderer Arzt herbei- 
zurufen. Von bedenklichen Erkrankungen ist dem 
Vorsteher und, wenn es sich um einen Untersu- 
chungsgefangenen handelt, auch dem Richter 
Nachrickt zu geben. Von ansteckenden Krank- 
heiten ist nach Maßgabe der gesundheitspolizci- 
lichen Vorschriften der Polizeibehörde Anzeige zu 
machen. Untersuchungsgefangene können sich 
mit Genehmigung des Richters, Strafgefangene 
in der Regel mit Genehmigung des GVorstehers 
auf ihre Kosten der Hilfe eines anderen als des 
Güärztes bedienen. Kranke Gefangene sind mög- 
lichst in abgesonderten, vorzugsweise gesund ge- 
legenen Zellen oder in einer nur für erkrankte 
Gefangenc bestimmten Anstalt zu behandeln. Die 
ärztlichen Vorschriften sind streng zu beobachten; 
ihre Ausführung ist durch das Aufsichtspersonal zu 
überwachen. Die Arzneien, welche der Arzt ver- 
ordnet, sind in ein Arzneibuch einzutragen. 
Schwangere müssen in der Regel bei dem Heran- 
nahen der Niederkunft entweder in eine am Orte 
befindliche öffentliche Entbindungsanstalt geschafft 
oder einstweilen aus der Haft entlassen werden. 
Die lebensge fährliche Erkrankung oder der Tod 
eines Gefangenen ist ohne Verzug den Angehöri- 
gen bekannt zu machen. Mit der Benachrichtigung 
von dem Todesfalle ist die Aufforderung an die 
Angehörigen zu verbinden, sich binnen einer be- 
stimmten Frist zu erklären, ob sie die Beerdigung 
der Leiche übernehmen wollen. Der Leichnam 
ist ihnen auf Verlangen zu verabfolgen. Wird 
die Beerdigung innerhalb der Frist von den An- 
gehörigen nicht übernommen, so wird der Leich- 
nam der Ortspolizcibehörde überwiesen. Auch 
hat der G orsteher der Pol Behörde des Heimats- 
ortes drs Gefangenen, sowie der Strafvollstrek- 
kungsbehörde von dem Todcsfalle Kenntnis zu 
geben. Mit der Zuweisung von Leichen an die 
Anatomien wird verschieden verfahren. 
Vgl. Baer, Hygiene des GWesens, 1897; Lepp- 
mann, Der Gürzt, 1909. 
#§s# 10. Unterricht und Seelsorge. Ein großer 
Teil der GBevölkerung ist in der Erziehung ver- 
nachlässigt. Viel antisoziales Benehmen hat 
darin seinen Grund, daß der fehlhafte Mensch 
nur mangelhaft ausgerüstet wurde mit dem durch- 
schnittlichen Wissen seiner Zeit und daß er nicht 
genügend gestärkt wurde in der Unterordnung
	        
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