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Handel (Auslandshandel)
nicht ungünstiger behandelt zu werden als die
Einfuhr aus irgend einem andern Staate (Meist-
begünstigung). ç Z
Unter Umständen kann zur Erreichung dieses
Zustands die Anwendung von Zwangsmit-
teln geboten sein. Nach §# 10 des Zolltarif G
können durch Kaiserliche Verordnung unter Zu-
stimmung des Bundesrats zollpflichtige Waren,
die aus Ländern herstammen, in welchen deutsche
Schiffe oder deutsche Waren ungünstiger als die
anderer Länder behandelt werden, neben dem
tarifmäßigen Zollsatze einem Zollzuschlage bis
zum doppelten Betrage dieses Satzes oder bis
zur Höhe des vollen Werts unterworfen und tarif-
mäßig zollfreie Waren mit einem Zolle in Höhe
bis zur Hälfte des Werts belegt werden. Die Ver-
ordnung ist dem Reichstage mitzuteilen und wenn
er seine Zustimmung dazu nicht erteilt, außer Kraft
zu setzen. N Zolllj.
2. Für die am AuslandsH. beteiligten Kauf-
leute ist es von Bedeutung, sowohl über die wirt-
schaftlichen Vorgänge als über die Zoll= und
Handelsgesetzgebung des Auslands und die dazu
ergehenden Verw Bestimmungen fortdauernd un-
terrichtet zu werden. Dies geschieht in gewissem
Umfange durch die Tagespresse und technische und
volkswirtschaftliche Zeitschriften. Da indessen das
so erreichbare Material nicht immer genügend
zuverlässig und erschöpfend und im übrigen so
verstreut ist, daß eine sichere Orientierung oft nicht
möglich ist, hat sich die Reichsregierung die Auf-
gabe gestellt, die wirtschaftlichen und wirtschafts-
politischen Vorgänge des Auslands in umfassend-
ster Weise zur Kenntnis der beteiligten inländischen
Kreise zu bringen. Ihre natürliche Informations-
quelle besitzt sie in den deutschen Konsulatens]!]
im Auslande, deren berufsmäßige Aufgabe es
ist, die Entwicklung von H. und Gewerbe innerhalb
ihres Amtsbezirks fortdauernd zu beobachten und
darüber an das Auswärtige Amt zu berichten.
Neben den Konsuln sind neuerdings für diesen
Zweck in den wichtigeren Wirtschaftsgebieten noch
landwirtschaftliche und Handelssachver-
ständige bestellt. Das Ergebnis der Bericht-
erstattung wird im „deutschen H. Archiv“, das in
monatlichen Heften erscheint, veröffentlicht.
Es zerfällt in zwei Teile, deren erster die für den
H. wichtigen Gesetze, Verw Vorschriften, Zollent-
scheidungen usw. und statistische Nachrichten ent-
hält, während im zweiten Teile die konsularen
Berichte über die wirtschaftliche Lage in den
Konsulatsbezirken abgedruckt werden. So wert-
voll diese Berichte für eine allgemeine Orientie-
rung sind, bieten sie doch dem Ausfuhrgeschäft
nur selten unmittelbaren Vorteil, schon weil die
Veröffentlichung erst geraume Zeit nach Ablauf
der Berichtsperiode erfolgen kann. Um den be-
teiligten Kreisen Anregungen zu geben, die ge-
schäftlich verwertet werden können, ist das Reichs-
amt des Innern dazu übergegangen, aus den Be-
richten der Konsuln, der landwirtschaftlichen und
der Handelssachverständigen, sowie aus den
verschiedensten Veröffentlichungen des In= und
Auslands Nachrichten von möglichst aktueller Be-
deutung zusammenzustellen und unverzüglich be-
kanntzugeben. Diese „Nachrichten für H. und
Industrie“ erscheinen alle paar Tage und ent-
halten ein sehr reichhaltiges Material, namentlich
auch Mitteilungen über öffentliche Ausschrei-
bungen, an denen sich die deutsche Industrie be-
teiligen kann. Dieselbe Behörde hat ferner die
meisten Zolltarife des Auslands herausgegeben
und neuerdings damit begonnen, die zoll= und
handelsrechtlichen Bestimmungen des Auslands,
soweit sie für den H. Verkehr von Bedeutung sind,
staatenweise zu veröffentlichen.
Durch diese mannigfachen Veröffentlichungen
ist den an der Ausfuhr beteiligten Kreisen Deutsch-
lands ein so umfangreiches und zuverlässiges
Material zur Verfügung gestellt, daß sie sich ohne
große Schwierigkeiten über ausländische Zollver-
hältnisse und Absatzmöglichkeiten unterrichten
können. Daneben haben es das Reichsamt des
Innern wie die einzelstaatlichen H. Behörden stets
als ihre Aufgabe erachtet, auch im konkreten Falle
auf Anfrage Auskunft zu ertcilen. Einen solchen
die Ausfuhr erleichternden Auskunftsdienst haben
ferner auch verschiedene H. Kammern und wirt-
schaftliche Vereine eingerichtet. Darüber hinaus
wird die Errichtung einer für ganz Deutschland
bestimmten Zentralhandelsstelle angestrebt, die die
Verwertung der Berichte unserer amtlichen Aus-
landsvertretungen übernehmen und über Zoll-
und H. Verhältnisse des In= und Auslands Aus-
kunft erteilen soll. Diese Bestrebungen haben
bisher zu keinem Ergebnisse geführt. Abgesehen
davon, daß sie bei den größeren Exporthäusern na-
turgemäß starkem Widerspruch begegnen, erscheint
es auch keineswegs sicher, ob nicht die gegen-
wärtige dezentralisierte Auskunftserteilung, na-
mentlich wenn sic einen weiteren Ausbau erfährt,
den Vorzug vor einer den einzelnen Anfragenden
ferner stehenden Zentralstelle verdient.
Uebrigens darf nicht übersehen werden, daß
bei der außerordentlich verwickelten Gestaltung der
modernen Zolltarife der Auskunft über die in
Frage kommenden Zollsätze häufig ein Moment
der Unsicherheit innewohnt, das für die kaufmän-
nische Kalkulation recht unangenehme Folgen
haben kann. Für den Einfuhrhandel hat der
Bundesrat dadurch Abhilfe geschaffen, daß die
Zolldirektivbehörden beauftragt sind, auf Anfra-
gen für ihren Amtsbezirk verbindliche Auskunft
über die Zollsätze, die für bestimmt bezeich-
nete und durch Proben oder genaue Beschrei-
bungen bemusterte Waren anzuwenden sind, zu
erteilen. Nachdem diese Bestimmungen sich für
die Einfuhr nach Deutschland gut bewährt haben,
hat die Reichsregierung bei den neuesten H. Ver-
trägen den bei einer ganzen Reihe von Staaten
erfolgreichen Versuch gemacht, das Ausland zum
Erlasse gleichartiger Vorschriften zu bestimmen.
3. Die Reichsregierung tritt ferner dadurch für
die Interessen des Ausfuhrhandels ein, daß sie
Beschwerden über unrichtige Verzollung im Aus-
lande und sonstige unberechtigte Erschwernisse der
aus Deutschland stammenden Einfuhr im diplo-
matischen Wege bei der ausländischen Regierung
unterstützt. Zur Entscheidung von Streitigkeiten
über die Anwendung von Vertragszöllen ist in
den meisten neuen H. Verträgen die Berufung
eines Schiedsgerichts vorgesehen. Dieses Vor-
gehen ist aber so schwerfällig und kostspielig, daß
es nur für Fälle von besonderer grundsätzlicher
Bedeutung in Frage kommen kann und bisher nur
ganz vereinzelt praktische Anwendung gefunden
hat. Die Regel bildet nach wie vor der diploma-
tische Weg, der aber natürlich nur beschritten wer-