Handelskammern
II. Bestand (zu Ansang 1911): Preußen 90 und
zwar 83 Orn und 7 KK, Bayern 8, Sachsen 5, Württem-
berg 8, Baden 9, Hessen 7, Mecklenburg= Schwerin und
Strelitz zusammen 1, Großherzogtum Sachsen 1, Olden-
burg 1, Braunschweig 1, Meiningen 4, Altenburg 1, Ko-
burg. Gotha 2, Anhalt 1, Rudolstadt 1, Sondershausen 1,
Reuß ä. L. 1, Reuß j. L. 1, Detmold 1, Lübeck 1, Bremen 2,
Hamburg 2, Elsaß-Lothringen 4, zusammen 133.
Keine K für Schaumburg-Lippe und Waldeck.
Verzeichnis der On im Jahrbuch und im Januarheft des
deutschen Handelsarchivs 1).
## 2. Die Entstehung der deutschen Handels-
vertretungen ist nicht einheitlich auf französischen
Einfluß zurückzuführen.
a) Nachsolger von Gilden. Bedi cin-
zelnen On läßt sich ein geschlossener Zusammen-
hang mit alten kaufmännischen Gilden nachweisen.
Das gilt beispielsweise von den Badischen On,
die bis zur Einführung der Gewerbefreiheit im
Jahre 1862 cigentlich nur Vorstände von Junun-
gen oder Handelszünften mit dem Namen der HK
waren. In den Jahren 1862—1878 hatten die
badischen OHK den Charakter von kaufmännischen
freien Genossenschaften ähnlich den preußischen
K#. Ebenso ist für die HLK Magdeburg (früher wa)
der Zusammenhang mit Kaufmanneinnungen
(s. „Willkür" der „Kfl. Brüderschaft" von 15966
und 1678) nachgewiesen worden. Der gleiche Zu-
sammenhang ist aber auch bei den anderen preu-
ßischen KK als sicher anzunehmen.
5) Aus der Initiative des heran-
wachsenden Großkaufmannstan-
des. „Aus dem wirtschaftlichen Leben der Zeit
und dem Zwange kommerzieller Verhältnisse
heraus" bildete sich in Nürnberg schon um 1560
(also vor Marseille) eine Marktgemeinschaft, die
sich 1566 zur Aufsicht über Markt und Börse selbst
eine „Vorstandschaft“ gab. Der Handelsvorstand
und die „Marktadjunkten“ waren von Beginn an
eine Vertretung der Großkaufmannschaft; sie
waren aktive Förderer des Nachrichtenwesens,
der Güterbestatterei, des Bank= und Abrechnungs-
wesens und Leiter von kaufmännischen Schieds-
gerichten. Das Kollegium besteht — ohne Unter-
brechung — noch heute, wenn es auch teilweise
umgewandelt und in die bayrische H#Organisa-
tion mit einbezogen wurde (Dirr, Handelsvorstand
Nürnberg 1560—1910. 27, 88). Im Jahre 1574
gaben die Nürnberger Kaufleute die Veranlassung
zur Schaffung einer ähnlichen Einrichtung in
Frankfurt a. Main. Im 17. und 18. Jahrhundert
bildeten sich an einigen Handelsplätzen, nament-
lich an Meß-, Börsen= und Geldmarktplätzen, unter
der Autorität der Stadtverwaltung stehende Hand-
lungsvorstände; so in Düsseldorf. Für Frankfurt
a. M. ist eine derartige Einrichtung bis ectwa 1707
zurück nachweisbar; aus ihr entstand dic durch die
Landcsregierung (1808) unter französischem Ein-
1) In den Schutzgebieten bestanden 1910 private
HK (oben S. 261) in Südwestafrika und Kamerun; rechllich
bedeutsamer ist die On in niautschou, wo daneben eine
„Chinesische OK# von Tsingtau“ eingerichtet ist (Jn###utschou
48 II und Mohr, HB für Riautschou 1911, S. 3191. Einige
heimische HK haben Fachausschüsse für Koloninlangelegen.
heiten (Barmen, Berlin, Bremen, Chemnitz, Hamburg,
Wiesbaden). Allgemein: Das Kolonialwirtschaftliche Ko-
mitee E. B. (Berlin), ein Ausschuß der Deutschen Kolo-
nialgesellschaft. D. S.1
. —
(Geschichtliches) 343
fluß begründete HK. Achnlich war die Entwick-
lung in Kassel (Kommerz-Kollegium zur Schlich-
tung von Streitigkeiten während der Meßtzeit)
und in Emden (hier wurden die „Börsen-Alter-
leute“ während der Zeit der holländisch-französi-
schen Herrschaft 1810 zu einer HK organisiert).
c) Durch den Rat der Stadt ge-
gründet. Offensichtlich beeinflußt von dem
Wunsche der Franzosen, der mitten im Frieden
besetzten Stadt den Segen der neuen Herrschaft
vor Augen zu führen, wurde in Straßburg
i. Els. ein Corps des Marchands geschaffen. Diese
Körperschaft sollte dem Stadtregiment in Han-
delssachen zur Sceite stehen. Das Korps, das sich
übrigens nur durch Kooptation ergänzte, wurde
1808 in eine HK umgewandelt, die aber auch
ihrerseits bis in dic jüngste Zeit sehr aristokratisch
gestaltet war (s. Festschrift).
4) Durch landesherrliche Ent-
schließung entstanden die HKK zu Mann-
heim (als kurpfälzische Handlungsinnung gegrün-
det 1728, H#K seit 1731) und das Kommerzkolle-
gium (ietzt H##) zu Altona (dänisch, 1738). Das
Kollegium zu Altona sollte vierteljährlich auf dem
Rathause zusammentreten. Vorsitzender war der
Bürgermeister, zeitweise der Oberpräsident zu
Altona (bis 1869). Die beigezogenen Kaufleute
(1871 auf 7 erhöht) machten „bei Todesfällen“
selbst Vorschläge zur Besetzung freigewordener
Plätze. — Endlich sind hierher zu rechnen: das
Kommerzkollegium zu Lübeck, gegr. 1675, aber
nur mit Unterbrechungen tätig, die HK zu Ham-
burg (seit 1665 als Vereinigung von Börse und
Scehandel unter dem Namen „Ehrbarer Kauf-
mann“), die K zu Bremen, durch Staatsverfas-
sung von 1849 als Nachfolgerin des collegü senio-
rum ins Leben gerufen, und schlicßlich die
„kurfürstliche Kommerzienkommission“ mit dem
Amte der Handelevorsteher in Mainz (17417).
e) Die privilegierten Kaufmän-
nischen Korporationen. Völlig unab-
hängig von der Organisation der französischen HK
entstanden in Preußen K K, dic sich von Anbeginn
dadurch ihrem Wesen nach von allen HÖK unter-
schieden, daß sie dem Plenum der zwangsweise
vereinigten Gewerbetreibenden wichtige Funktio-
nen der Selbstverwaltung vorbehielten. Später
trat noch ein weiterer Gegensatz zwischen HK# und
K K dadurch zutage und gleich in den Vordergrund,
daß der Beitritt zu den K formell allen Kauf-
leuten freigestellt wurde. Die preußischen KK
erhielten endlich von vornherein, d. h. also viel
früher als die OK (erst 1897) durch ihr Kgl. Pri-
vileg die Rechte der juristischen Person, was ihnen
die Ansammlung von Vermögen und die Ueber-
nahme von finanziellen Verbindlichkeiten erlaubte.
Das sicherte ihnen Jahrzehnte hindurch eine füh-
rende Stellung unter den ihnen sonst namentlich
seit 1870 gesetzlich gleich geordneten Handels-
kammern.
So erhob Altona nie Steuern, hat aber die ihm
von der dänischen Regierung 1738 geschenkte
Summe von 10 000 Rthn. bis zur Umwandlung
in eine HK (1898) auf mehr als 500 000 Mk. an-
gestaut. Auch Magdoburg besitzt einen beträcht-
lichen „Korporationsfond“". Ueber reichste „Stif-
tungen“ verfügen daneben Königsberg i. Pr.,
Berlin und Magdeburg. Grundlage für Einrich-
tung und Verfassung der K K ist das Edikt v. 2. 11.