24 Gefängniswesen
des egoistischen Triebes unter die Gemeinschafts-
ordnung. Das Bersäumte soll die Strafbehand-
lung nachholen. Das E soll das Wissen ergänzen
und das Wollen zügeln. Freilich können sich die
Anforderungen und die Ergebnisse nur in mäßigen
Grenzen halten und sind durch die Strafdauer
bedingt. Der Gefangene soll am Straforte auch
des Toostes nicht entbehren, den ihm die Lehren
seiner Religion gewähren. In den zur Voll-
streckung längerer Freiheitsstrafen bestimmten
E sind Schulunterricht und Gottesdienst derartig
organisiert, daß jeder Gefangene in der Lage ist,
die Lücken der elementaren Schulbildung zu er-
gänzen und seinem religiösen Bedürfnisse zu ge-
nügen. Die GDisziplin ermöglicht in beiden
Richtungen bis zu einem gewissen Grade äußeren
Zwang. Es versteht sich aber, daß dieser, soweit
es sich um die religiösen Beziehungen handelt,
nicht bis zu einem Gewissenszwange gehen darf.
Meist ist Teilnahme am Gottesdienste vorge-
schrieben, während die Beteiligung an Beichte
und Abendmahl in das Belieben des Gefangenen
gestellt ist (Grundsätze §5# 28—30). Vielfach wird
den Gefangenen Gelegenheit geboten, über die
allgemeine Schulbildung hinaus, sich nützliche
Kenntnisse in Sprachen und Naturwissenschaften
zu erwerben. An solchem Unterricht nimmt auch
der gebildete Sträfling teil, um sein Wissen zu
erweitern. Daß andrerseits der Gebildete nicht
genötigt werden darf, an einem Unterrichte teil-
zunehmen, der für ihn wertlos, ist selbstverständ-
ich. Nicht Uebertreibung und Sentimentalität
ist es, wenn in den G eine Christbaumfeier abge-
halten und der Gesang gepflegt wird. Indem das
Gemüt des Gefangenen erweicht und erwärmt
wird, kann auch sein Wollen gefördert werden.
Bei vielen führt die Gewöhnung guten Wollens
nach und nach auch zum guten Tun. Das ist aber
das höchste Ziel des G, in den Gefangenen gute
Entschlüsse zu erwecken und die Kraft der Aus-
führung zu erziehen. Mehrfach werden beleh-
rende Vorträge gehalten und musikalische Auf-
führungen veranstaltet. Sehr bedeutsam sind die
Gefängnisbüchereien (Musterkatalog des
Vereins der deutschen Strafanstaltsbeamten).
Die geistige Anregung in allen Formen ist auch
ein unentbehrliches Gegengewicht gegen man-
cherlei schädliche Wirkungen langer Einzelhaft.
Zeitungen und Zeitschriften werden bei Einzel-
haft in geeigneten Fällen zugelassen. —
Vgl. Stade, Aus der Geeelsorge, 1901; Beh-
ringer, Die GSchule, 1901.
## 1l. Beschäftigung der Gefangenen. Die
## 15—19 des StGB enthalten einige Direktiven.
Vgl. auch den Vorentwurf §§ 14 f). Die Grund-
ätze bestimmen: „5 17. Den GSträflingen sowie
den Gefangenen, welche geschärfte Haftstrafe ver-
büßen, wird in der Regel Arbeit zugewiesen. Aus-
nahmsweise wird GSträflingen, sofern sie im
Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte sich befinden
und Zuchthausstrafe noch nicht verbüßt haben,
mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde gestattet,
sich selbst zu beschäftigen. Die Gestattung der
Selbstbeschäftigung kann von der Zahlung einer
Entschädigung abhängig gemacht werden. Die
Grundsätze über die Bemessung der Entschädi-
ing werden von der obersten Aufsichtsbehörde
Fente nellt. Die Selbstbeschäftigung unterliegt der
Beaufsichtigung des Vorstandes. #& 18. Bei der
Zuweisung von Arbeit an die Gefangenen wird
auf den Gesundheitszustand, die Fähigkeiten und
das künftige Fortkommen, bei GSträflingen auch
auf den Bildungsgrad und die Berufsverhältnisse
Rücksicht genommen. Bei jugendlichen Gefange-
nen wird außerdem besonderes Gewicht auf die
Erziehung gelegt. # 19. Den Festungsgefangenen
wird jede Beschäftigung gestattet, welche mit dem
Strafzwecke, der Sicherheit und der Ordnung
vereinbar ist. Das Gleiche gilt für Gefangene,
welche einfache Haftstrafe verbüßen. Diesen Ge-
sangenen wird, sofern sic damit einverstanden
ind, Arbeit zugewiesen. ## 20. Die tägliche Ar-
beitszeit beträgt in der Regel für Zuchthaussträf-
linge nicht mehr als 12 Stunden, für G= und
Haftsträflinge nicht mehr als 11 Stunden. 8 22.
Die Verwertung der Arbeitskraft der Gefange-
nen wird so geregelt, daß die Interessen des Pri-
vatgewerbes möglichste Schonung erfahren. Zu
diesem Zwecke wird auf die Befolgung überein-
stimmender Grundsätze bei der Beschäftigung der
Gefangenen Bedacht genommen, soweit nicht die
wirtschaftlichen Verhältnisse für einzelne Anstal-
ten Abweichungen notwendig machen. Insbe-
sondere wird darauf Bedacht genommen, die Ver-
dingung der Arbeitskraft der Gefangenen an Ar-
beitgeber tunlichst einzuschränken, den Arbeits-
betrieb auf zahlreiche Geschäftszweige zu vertei-
len und auf Lieferungen für die Staatsverwal-
tung zu erstrecken, unter allen Umständen aber
eine Unterbietung der freien Arbeit zu vermei-
den. In der Hauptsache sind aber die GRegle-
ments maßgebend. Schwierigkeiten ergeben sich
daraus, daß eine durchgängige Beschäftigung der
Gefangenen gemäß ihrer bisherigen Lebens-
weise nicht ausführbar ist. Der §& 70 der preuß.
GOz. B. schreibt vor: 1. in jedem G sind nützliche
Arbeiten einzuführen. 2. Einzelnen Gefangenen
kann gestattet werden, auch andere Arbeiten zu
betreiben. 3. Ungesunde oder die Ordnung stö-
rende Arbeiten sind unzulässig. 4. Alle für die
Anstalt erforderlichen Kleidungsstücke, Lagerungs-
gegenstände und Einrichtungsgegenstände, sowie
die hierzu erforderlichen Rohstoffe, müssen, wenn-
möglich, durch Gefangene verfertigt werden.
5. Die erforderlichen Hausarbeiten sind durch Ge-
fangene zu verrichten. 6. Im übrigen ist die
dauernde Beschäftigung der Gefangenen tunlichst
durch Arbeiten für Staatsbetriebe zu sichern. Die
Frage der Gürbeit ist nicht bloß für den Straf-
vollzug bedeutsam, sie berührt auch über das G
hinaus andere, namentlich gewerbliche Kreise.
Läßt sich auch nicht verkennen, daß durch eine gute
Organisation der GaArbeit Störungen und Be-
einträchtigungen der freien Arbeit vorkommen
können, so geht es doch nicht an, die Gefangenen
feiern zu lassen oder mit wertlosen Arbeiten zu
beschäftigen. Die Konkurrenz der Gürbeit für
das freie Gewerbe wird gemeiniglich überschätzt
(Vgl. die Denkschrift Nr. 89 für den Reichstag über
die Beschäftigung der Gefangenen v. 22. 2. 07
I. Session 1907, Nr. 857 1 und ferner: Die Denk-
schrift über die Verwendung von Gefangenen zur
Kultivierung von Moor-= und Heideland, 1908,
Beilage zur Statistik der inneren Verwaltung in
Preußen für 1906). Würden die Arbeitskräfte,
die das G verwendet, in der Freiheit nutzbar ge-
macht, so würde bei der geringeren Intensität der
Gürbeit die bereitete Konkurrenz noch größer