Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Handelsverträge (Großbritannien; Nordamerika) 
für die Dauer von 2 Jahren erneuert worden, 
zuletzt durch G v. 13. 12. 09 bis zum 31. 12. 11. 
Auf dieser Grundlage ist Großbritannien und Ir- 
land fortdauernd meistbegünstigt behandelt wor- 
den, ebenso die britischen Kolonien und auswärti- 
gen Besitzungen mit Ausnahme von Kanada und 
vorübergehend Barbados. Auf Kanada wurde 
mit Rücksicht auf die von dieser Kolonie dem Mut- 
terlande gewährten Vorzugszölle unser autonomer 
Zolltarif angewendet. Dies führte auf seiten 
Kanadas dazu, die Einfuhr Deutschlands mit Zu- 
schlagszöllen zu belegen. Diesem Zollkriege ist 
schließlich durch die Vereinbarung v. 5. 2. 10 ein 
Ende bereitet worden. Seitdem wendet Kanada 
auf die deutsche Einfuhr die Zollsätze seines Ge- 
neraltarifs ohne Zuschlagszölle an, während 
Deutschland Kanada für eine beschränkte Zahl von 
Waren den Vertragstarif gewährt und im übrigen 
den autonomen Tarif anwendet. 
II. Auch der Warenaustausch mit den Ver- 
einigten Staaten von Amerika er- 
folgt nicht auf vertragsmäßiger Grundlage. Die in 
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einigen 
deutschen Staaten, insbesondere von Preußen 
mit den Vereinigten Staaten geschlossenen 
Verträge (s. Uebersicht S. 362), in die das 
Reich als Rechtsnachfolger eingetreten war, ent- 
hielten über die wechselseitige Zollbehandlung der 
in die Vertragsstaaten aus dem andern Teile ein- 
gehenden Waren Bestimmungen, die Zweifel dar- 
über auftauchen ließen, ob die Zollbehandlung 
der Wareneinfuhr auf der Grundlage der reinen 
Meg oder der Reziprozität (& 1) zu erfolgen habe. 
Bis zum Erlasse des Mac Kinley-Tarif G v. 1. 10.90 
erlangten diese Zweifel keine praktische Bedeu- 
tung, da Deutschland und die Vereinigten Staa- 
ten sich tatsächlich gegenseitig auf dem Fuße der 
Meg behandelten. Sektion 3 dieses Gesetzes schuf 
für die Vereinigten Staaten die Möglichkeit, die 
deutsche Zuckereinfuhr unterschiedlich zu behan- 
deln, wofür wegen der Unzufriedenheit über das 
deutscherseits erlassene Verbot der Einfuhr ameri- 
kanischer Schweine Neigung vorhanden war. 
Die Schwierigkeiten wurden durch das Saratoga- 
Abkommen v. 22. 8. 91 gelöst, durch das Amerika 
sich verpflichtete, von der erwähnten Sektion 3 
keinen Gebrauch zu machen, Deutschland da- 
gegen — abgesehen von der Zulassung der ameri- 
kanischen Schweine — die MBeg für die landwirt- 
schaftlichen Artikel der Vereinigten Staaten in 
Aussicht stellte. Tatsächlich hat Deutschland auch 
die industrielle Einfuhr der Vereinigten Staaten 
auch weiterhin zu den Vertragssätzen zugelassen, 
da man damals noch den preußischen HV v. 
1. 5. 1828 als MBeg Vertrag ansah. Hieran än- 
derte sich auch nichts, als mit dem Inkrafttreten 
des Gorman-Wilson-Tarifs 1894 ein allgemeiner 
Zuckerzoll eingeführt wurde und die in Sektion 3 
des Mac Kinley--Tarifgesetzes erhaltene Ermäch- 
tigung und damit die Grundlage des Saratoga- 
Abkommens in Fortfall kam. 1897 trat wiederum 
ein neues Zolltarifgesetz, das Dingley-Tarifgesetz 
in den Vereinigten Staaten in Kraft. Sektion 3 
das. ermächtigt die Regierung, für einige bestimmt 
bezeichnete Waren vertragsmäßig Zollherab-= 
setzungen in ebenfalls gesetzlich bestimmtem Um- 
fange zu gewähren. 1898—1900 schlossen die 
Vereinigten Staaten mit Frankreich, Portugal 
und Italien derartige Abkommen und räumten 
  
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diesen Staaten die Zugeständnisse der Sektion 3 
ein; dagegen verweigerten sie Deutschland mangels 
eines gleichartigen Abkommens die Teilnahme an 
diesen Zugeständnissen, indem sie die alten Ver- 
träge nur als Reziprozitätsverträge, ohne Ver- 
pflichtung zur Gewährung unbedingter MVeg, 
gelten lassen wollten. Deutschland stellte sich nun- 
mehr auch in aller Form auf diesen Rechtsstand- 
punkt. Darauf wurde auf der Grundlage der 
Reziprozität ein Abkommen v. 4. 8. 00 geschlossen, 
worin Amerika uns die Zollermäßigungen der 
Sektion 3, wir Amerika den Fortgenuß der auf den 
von 1891—984 geschlossenen Verträgen beruhenden 
Vertragszölle gewährten. Volle MBeg war durch 
das deutsche Zugeständnis nicht eingeräumt: 
Amerika hatte weder auf die früher an Griechen- 
land gewährten Zugeständnisse noch auf etwaige 
Zugeständnisse in späteren H# Anspruch. Nach- 
dem hierdurch der Grundsatz der Reziprozität an- 
erkannt war, hat Deutschland auf die Zugeständ- 
nisse keinen Anspruch geltend gemacht, welche von 
den Vereinigten Staaten in dem kubanisch- 
amerikanischen Vt v. 11. 12. 02 bewilligt wor- 
den sind. 
Das Abkommen von 1900 wurde deutscherseits 
auf den 1. 3. 06, den Tag des Inkrafttretens des 
neuen Zolltarifs und der neuen HV gekündigt. Die 
darauf eingeleiteten Vertragsverhandlungen führ- 
ten zu dem HAbkommen v. 22. 4./2. 5. 07 (RGBl 
305). Amerika gewährte darin erneut die Zollermä- 
Pßhigungen der Sektion 3 des Dingley-Tarifgesetzes 
und außerdem wertvolle Erleichterungen auf dem 
Gebiete der Zollverwaltung, Deutschland ge- 
währte mit einer Anzahl von Ausnahmen die 
Vertragszollsätze, die sich auf die damals abge- 
schlossenen HV. gründeten. Dieses Abkommen ist 
von den Vereinigten Staaten zum 7. 2. 10 ge- 
kündigt worden, nachdem daselbst wiederum ein 
neues Zolltarifgesetz (Aldrichgesetz) am 6. 8. 09 
in Kraft getreten war, das keine der Sektion 3 
des Dingley-Tarifgesetzes entsprechende Bestim- 
mung enthält. Das neue Tarisgesetz bezeichnet 
die in dem vielfach umgestalteten Tarif enthaltenen 
Zollsätze als Minimaltarif und bestimmt, daß 
dessen um 25% des Warenwerts erhöhte Sätze 
den Maximaltarif bilden sollen. Der Minimal= 
tarif sollte allen Ländern gegenüber bis zum 
31. 3. 10 Anwendung finden. Am I1. 4. 10 sollte 
der Maximaltarif an seine Stelle treten, soweit 
nicht für ein einzelnes Land die Fortgewährung 
des Minimaltarifs von dem Präsidenten der Ver- 
einigten Staaten angeordnet wurde. Diese An- 
ordnung darf der Präsident nur für Staaten aus- 
sprechen, die amerikanische Erzeugnisse nicht durch 
Zoll= oder sonstige Bestimmungen unbillig be- 
handeln. Da bei den Kongreßverhandlungen eine 
so starke Abneigung gegen Handels= und nament- 
lich Taris Vt zutage getreten war, daß auf den Ab- 
schluß eines deutsch-amerikanischen Tarisvertrags 
nicht gerechnet werden konnte, blieb zur Vermei- 
dung eines Zollkonflikts nur übrig, daß beide Teile 
durch autonome Maßregeln sich eine zufrieden- 
stellende Zollbehandlung gewährten. In Deutsch- 
land wurde die Grundlage hierfür durch Gesetz 
betr. die HBeziehungen zu den Vereinigten Staa- 
ten von Amerika v. 5. 2. 10 (Röl 387) ge- 
schaffen, durch das der Bundesrat ermächtigt 
wird, die Anwendung der in den geltenden HV 
zugestandenen Zollsätze auf die amerikanische Ein-
	        
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