Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Handelsverträge — Handwerk 
  
fuhr in angemessenem Umfange zuzulassen. Die 
Ermächtigung soll für so lange gelten als Deutsch- 
land in Amerika keinen höheren als-den Minimal- 
sätzen des neuen amerikanischen Tarifs unterwor- 
feen wird. Auf Grund dieser Ermächtigung hat 
der Bundesrat am 7. 2. 10 (RGBl 388) be chlos- 
sen, daß auf die amerikanische Einfuhr bis auf wei- 
teres die in den geltenden HB zugestandenen Zoll- 
sätze anzuwenden sind. Auf der andern Seite hat 
der Präsident der Vereinigten Staaten die Fort- 
gewährung des Minimaltarifs an Deutschland 
über den 1. 4. 10 heraus öffentlich bekannt gegeben. 
Die Folge dieser autonomen Maßnahmen ist, daß 
die Vereinigten Staaten in Deutschland völlig 
gleiche Behandlung mit den Vertragsstaaten ge- 
nießen und ebenso Deutschland in den Vereinigten 
Staaten nicht ungünstiger behandelt wird als ir- 
gend ein dritter Staat mit alleiniger Ausnahme 
Kubas, dessen Zollbevorzugung mit seiner eigen- 
tümlichen, einer Kolonie ähnlichen Stellung zu 
den Vereinigten Staaten begründet wird. Dieser 
Zustand ist aber mangels einer vertragsmäßigen 
Grundlage der ständigen Möglichkeit der Aende- 
rung ausgesetzt und tatsächlich haben die Ver- 
einigten Staaten bereits ein gegenseitiges Tarif- 
abkommen mit Kanada geschlossen, das für den 
Fall seiner Annahme die Frage der Gestaltung der 
deutsch-amerikanischen HBeziehungen von neuem 
ins Rollen bringen kann. 
  
Duellen und Literatur: Die H V des Reichs 
werden außer im N#l auch im Deutschen (früher Preu- 
bischen) HArchiv abgedruckt. Die Hauptauelle für die Aus- 
legung bilden die in den Drucksachen des Reichstags veröffent- 
lichten Begründungen und Denkschriften, die den dem 
Reichstage zur Genehmigung zugehenden HB beigegeben 
werden. Eine Zusammenstellung der geltenden HB ist 
1906 vom Reichsamt des Innern unter dem Titel: „Die 
HOandelsverträge des Deutschen Reichs“ herausgegeben 
worden. Material in den Veröffentlichungen des Mittel- 
europäischen Wirtschaftsvereins (seit 1904) und des Handels- 
vertragsvereins. A. Beer, Geschichte des WeltHhH 1860 
bis 1884; A. Buimmermann, Geschichte der preußisch- 
dentschen 9 Politik (aktenmäßig) 1892; Die HPolitik des 
Deutschen Reiches vom Frankfurter Frieden bis zur Gegen- 
wart? 1901; Bose (Schilder), Zollallianzen und 
Zollunionen 1907; Glier, Die Mheeßlausel 1905; 
Borchardt, Entwicklungsgeschichte der M#e#g im 5#. 
System 1906. Lusensky. 
Handlungsreisende 
Gewerbepolizei S242, Handel S 334/35 
Handwerk 
## 1. Begrisf. 1 2. Geschichte. # 3. Handwerksmeister. 
4 4. Handwerksgeselle und Handwerkslehrling. 
  
— — — — 
doch kann auch der Handwerker als Kaufmann in 
Betracht kommen, insoweit er Waren anschafft, 
und nach Be- oder Verarbeitung weiter veräußert, 
er ist dann als Minderkaufmann zu erachten, weil 
sein Unternehmen nach Art und Umfang einen in 
kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäfts- 
betrieb nicht erfordert (§2 HG). Aber nicht jedes 
Be= und Verarbeitungsgewerbe stellt ein Handwerk 
dar; auch die Fabriken sind auf die gleiche gewerb- 
liche Tätigkeit gerichtet. Von einer begrifflichen 
Unterscheidung der beiden Betriebsformen hat 
der Gesetzgeber in Rücksicht auf die Vielgestaltig- 
keit des gewerblichen Lebens Abstand genommen 
und es der Praxis überlassen, die unterscheidenden 
Merkmale für Fabrik und H. aufzustellen. Als 
solche Merkmale erscheinen die Art der Arbeits- 
beteiligung des Unternehmers, die Art der Ar- 
beitsteilung unter den Gehilfen, die Art und Weise 
sowie die Hilfsmittel der Produktion, die Zahl der 
in dem Betriebe beschäftigten Arbeiter, die Größe 
und Beschaffenheit der Betriebsräume und Be- 
triebseinrichtungen, der Umfang und die Art des 
Absatzes der Arbeitsprodukte, endlich auch in ge- 
wissem Sinne die Anfertigung der Erzeugnisse auf 
Vorrat oder auf Bestellung [Fabrikl. Wie 
Dienstleistungsgewerbe auch dann, wenn sie mit 
Be= oder Verarbeitung von Gegenständen ver- 
bunden sind, niemals zu den Fabriken zu zählen 
sind, so werden sie dann, wenn ihnen jene Voraus- 
setzung fehlt, nicht zum Handwerke gezählt wer- 
den können. Erscheint sonach der Barbier und 
Friseur als Handwerker, und wird in neuerer 
Zeit im Gegensatze zur historischen Entwickelung 
auch das Gewerbe des Kochs nicht mit Unrecht als 
H. in Anspruch genommen, so kann das Dienst- 
leistungsgewerbe des Fechtlehrers, des Dienst- 
manns, des Fuhrmanns und ähnl. nicht als H. 
anerkannt werden. Dagegen wird eine auf Be- 
oder Verarbeitung gerichtete Tätigkeit auch dann 
zum H. zu zählen sein, wenn die künstleri- 
sche Ausführung den Hauptbestandteil des Er- 
zeugnisses darstellt, wie dies z. B. binsichtlich des 
Photographen, des Optikers der Fall ist. Eine 
Werkstätte bildet nicht die notwendige Vor- 
aussetzung eines H. Betriebs; auch wenn sie nicht 
vorhanden ist, kann ein H.Betrieb vorliegen, wic 
umgekehrt ihr Vorhandensein nicht ohne weiteres 
auf ein H. schließen läßt. Immerhin ist die Werk- 
stätte regelmäßig für das H. kennzeichnend, wobei 
nicht immer an einen umschlossenen oder bedeck- 
ten Raum gedacht zu werden braucht. 
#. Geschichte. Das 06. ist die älteste gewerbliche Pro- 
  
duktionsform. Es hat sich in Fortentwickelung der ursprüng- 
lichen Familienwirtschaft und der Fronhofswirtschaft aus 
einer selbständigen Berufstätigkeit herausgebildet, die von 
Unfreien auf den Höfen der Herren wie jede andere Knechts- 
arbeit geübt wurde. Mit der Verseinerung der Kultur und 
der Ausbildung der Technik ging dann die Notwendigkeit 
der Arbeitsteilung unter den handwerkenden Knechten 
Hand in Hand, und führte schließlich zu Fachverbänden, die 
wohl als Innungen (X) bezeichnet werden können, in diesem 
Stadium aber lediglich als fronherrschaftliche Zwangsver- 
bände erscheinen. 
5 1. Der Begriff des H. setzt eine Be= oder Ver- 
arbeitung von Gegenständen voraus, die auch da, 
und zwar in gewerbsmäßiger Weise vorliegen 
muß, wo, wie beim Gewerbe des Barbiers, der 
Charakter der Dienstleistung überwiegt. Insofern 
unterscheidet sich das H. vom Handelsgewerbe; 
Eine weitere Entwickelung erfuhren diese Verhältnisse 
mit der Ausbildung des Städtewesens, mit welcher 
eine größere Selbständigkeit und Unabhängigkeit der hand- 
werkernden Hörigen parallel lies. Da den alten Innungen 
in zunehmendem Maße freie Handwerker beitraten, so streif- 
ten sie mit der Zeit ihren fronherrschaftlichen Charakter ab
	        
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