Herrenlose Sachen
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die Bezeichnung „Fiskusrecht“ üblich ist, in erster
Linie um ein staatliches Ordnungsbedürfnis,
dessen Wahrnehmung erst in zweiter Linie ge-
legentliche Staatseinnahmen liefert. Man könnte
hieraus, ähnlich wie bezüglich der Geldstrafen, einige
Verwandtschaft mit den Gebühren insofern ab-
leiten, als man die Gesamtheit der aus Zueignung
herrenloser Sachen dem Staat erwachsenden Ein-
nahmen als eine intermittierend zum Anfall kom-
mende Art von Gegenleistung für die auf dem
Schutz der Sachen, des Eigentums und des Besitzes
verwendeten Staatsleistungen betrachtet.
Geschichtlich ist der heute in der Haupt-
sache aus staatlichem Ordnungsbedürfnis zu recht-
fertigende Anspruch des Staates auf gewisse her-
renlose Sachen innig mit der Ausbildung der
Regalität verwachsen, durch welche die Vorrechte
des Fiskus über die Besitznahme herrenloser Sa-
chen als Regal besonderer Art erklärt worden ½).
Mit dem durch die moderne Staatsentwickelung
eingetretenen Verfall der Regalität, welcher heut-
zutage die Streichung der Regalien als einer be-
sonderen Gattung der Staatseinnahmen recht-
fertigt, ist auch diese Staatseinnahme als Regal-
einnahme aus den deutschen Staatsbudgets fast
ganz verschwunden.
1I. Die einzelnen Arten der Staats-
einnahmen aus herrenlosen Sachen. Finanziell
wie grundsätzlich am bedeutungsvollsten sind die
Einnahmen aus Erbschaften, die dem Fiskus als
gesetzlichem Erben zufallen (§ 2). Als Staatsein-
nahmen sind von geringerer Bedeutung die aus
herrenlosen Grundstücken (§3) und aus herrenlosen
beweglichen Sachen, insbesondere aus gefunde-
nem Schatz und sonstigem Fund (NI erfließenden
Einnahmen. Bei diesen letzteren Arten greift
häufiger als bei den erblosen Verlassenschaften
nach den maßgebenden Rechtsvorschriften die
Bestimmung Platz, daß die herrenlosen Gegen-
stände oder der Erlös daraus in der Hauptsache
an Private, im übrigen aber nicht an die Staats-
kasse, sondern an andere öffentliche Kassen, ins-
besondere Gemeindekassen, Armenkassen, Unter-
stützungskassen usw. fallen.
Da die vorbezeichneten fiskalischen Sonder-
rechte durch das geltende bürgerliche Recht be-
stimmt sind, so werden sie gegenwärtig durch das
Be und seine Nebengesetze umgrenzt.
Es sei noch darauf hingewiesen, daß hier über-
haupt nur von solchen — dem Betrage nach nicht
erheblichen — Staatseinnahmen aus herrenlosen
Sachen die Rede sein soll, die unter gewöhnlichen
Verhältnissen als zufällige Einnahme sich ergeben.
Die außerordentlichen, dem Betrage nach weit
erheblicheren, Einnahmen, die unter besonderen
Verhältnissen, namentlich im Kriegsfall aus dem
Beuterecht, sich ergeben, sollen hier überhaupt
nicht erörtert werden.
#2. Erblose Berlassenschaften. Die erblosen
Verlassenschaften fielen gemeinrechtlich, wie nach
1) Bal. hierzu Eckstein, Das Schatz= und Fundregal und
seine Entwicklung im Teutschen Rechte (Mitteil. des In-
stituts für österreich. Geschich:'ssorschung Bd. 31, 1910). Eine
Besonderheit: Martin Wolff, Das Erbrecht des Fiskus und
das Urheberrecht (Zherings Jahrbücher Bd. 44, 1902, S. 331).
In den Schupygebieten lebt diese Regalität wieder auf,
zugunsten des Fiskus des einzelnen Schungebietes. Ueber her-
renlose Grundstucke 7 Landfrage (Schutzebiete). (D. H.]
den meisten Partikularrechten dem Fiskus zu.
Dies beruhte auf der dem älteren römischen Recht
eigenen Rechtsanschauung, daß der Nachlaß,
wenn sich weder Testaments- noch Intestatserben
fanden, herrenlos und der freien Okkupation eines
jeden anheim gegeben sei. Nach BGB F 1936
wird der Fiskus in Ermangelung von Verwandten
oder einem überlebenden Ehegatten des Erb-
lassers schlechthin als dessen gesetzlicher Erbe be-
handelt. Damit ist die Vorstellung eines erblosen
Nachlasses völlig aufgegeben. Auch gesetzlicher
Vorerbe wird der Fiskus beim Fehlen gesetzlicher
Erben, wenn der Eoblasser seine testamentarischen.
Erben ohne weitere Verfügung unter einem An-
fangstermin oder einer aufschiebenden Bedingung
ernannt hat (§5 2105). Das gesetzliche Erbrecht des
Fiskus setzt nach § 1936 voraus, daß der Erblasser
ein Deutscher war. Es ist ein notwendiges gesetz-
liches Erbrecht, denn der Fiskus kann die Erb-
schaft, selbst wenn sie überschuldet ist, nicht aus-
schlagen (5 1942 Abs 2). Die einzelnen Regeln
des BGB über die Erbenstellung des Fiskus ge-
hören nicht hierher.
1) Erbberechtigt ist der Fiskus des Heimatsstaates.
Nach a 138 Ec BGB kann aber statt seiner das
Landesrecht eine Körperschaft, Stiftung oder
Anstalt des öffentlichen Rechts als gesetzliche Erbin
bezeichnen. Solche Gerechtsame haben in Deutsch-
land nach altem Herkommen zahlreiche Korpo-
rationen, insbesondere solche, die früher die Ge-
richtsbarkeit hatten (Stobbe, Deutsches Priv.N.
5, 162; Dernburg, Bürg. R. 5, 57 5 22). In
Preußen erkennt sie der durch AG BGB a 89
nicht berührte § 20 ALKR II 16 an, indem er das
Erbrecht des Staates auf erledigte Verlassenschaf-
ten moralischen oder anderen Personen insofern
zugesteht, als sie nachweisen können, es vom Staat
auf eine rechtsgültige Weise erlangt zu haben.
Auf Grund der Constitutio Joachimica v. 27. 12.
1508 war vom Kurfürst Joachim I. den Städten
Berlin und Kölln das Recht auf erblose Verlassen-
schaften als Ausfluß der Gerichtsbarkeit zuge-
standen worden. Dies Erbrecht der Stadt Ber-
lin ist später durch den vom König genehmigten
Vertrag zwischen dem Fiskus und der Stadt
Berlin v. 10. und 16. 12. 1846 in seinem bisherigen
Umfange als selbständige Gerechtsame aufrecht
erhalten. Es besteht also nach dem Vorbehalt
des ES Be## noch fort (Heydemann, Elemente
der Joachimica 250; Holtze, Exkurs über das
Okkupationsrecht der Stadt Berlin, Schr. des
Vereins f. d. Geschichte Berlins 1892, auch
Holtze bei Gruchot 37, 323). (Heydemann hat
ähnliche Urkunden zugunsten anderer märkischer
Städte z. B. Frankfurt a. O. abgedruckt.)
Die Ausführungsgesetze zum BE haben von
dem Vorbehalt nur teilweise Gebrauch gemacht.
Preußen, Bayern, Sachsen, Würt-
temberg, Baden, Hessen haben eine
Sonder regelung in ihren Ausführungegesetzen
zum BGB nicht eintreten lassen. Elsaß-
Lothringen dagegen hat durch AG BGn
§s# 166 ein Erbrecht des Pflegehauses gegenüber
. Anstaltsmündeln begründet (s. Kisch, Elf.-Lothr.
Landesprivatrecht
Schwerin gesteht (F 252) das Recht der ge-
setzlichen Erbfolge Rostock und Wismar zu, sofern
& 189). Mecklenburg-
der Erblasser der städtischen Gerichtsbarkeit un-
terstand, Sachsen -Weimar (7 731) der