Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Innungswesen 
427 
  
I frische Kraft einzuflößen. Sie wurden durch die 
Nov. v. 26.7.97 (Röl 663) — sog. Hwr Novelle — 
wieder beseitigt, nachdem der sog. Berlepsche 
Entwurf, der die Lösung der Hwr Frage radikal 
auf der Grundlage der ZwJ anstrebte, bei dem 
heftigen Widerspruch dagegen fallen gelassen war. 
Diese Novelle bildet jetzt die einzige Grundlage für 
das JIWesen. Sie hat hinsichtlich ihrer Organi- 
sation und öffentlichen Befugnisse neues Recht 
geschaffen und an das G v. 1881 nur insofern 
angeknüpft, als sie die über den Kreis der einzel- 
nen J hinausgehende Organisation der JAus- 
schüsse und JIVerbände (unten # 8) in der Haupt- 
sache unverändert beibehalten hat. 
82. Freie und Zwangsinnungen (vgl. S 426). 
I. Die Innung ist eine genossen- 
schaftliche Verbindung von Ge- 
werbetreibenden zugleich des öf- 
fentlichen als auch des Privat- 
rechts zur Förderung der gemein- 
samen gewerblichen Interessen. 
Die J ist eine juristische Person. 
Die J ist eine gemischte, wenn sie sich 
aus Gewerbetreibenden verschiedenartiger Be- 
rufsarten zusammensetzt, eine Fach J, wenn die 
Mitglieder den gleichen oder verwandten Gew an- 
gehören müssen. (Nur in letzterer Form ist eine 
ZwI möglich.] 
II. Das Gesetz unterscheidet zwischen freien 
und Zwangsinnungen. 
1. Eine freie Innung entsteht, wenn 
diejenigen, die ein Hw oder sonstiges Gew selb- 
ständig betreiben, freiwillig zur Wahrnehmung 
ihrer gemeinsamen gewerblichen Interessen zu 
einer J zusammentreten. 
2. [Eeine Zwangsinnung kann nur für 
Hwr gleicher oder technisch, verwandter Art ge- 
bildet werden; die Hwr können ihre Errich- 
tung nur bei der höheren VerwBehörde bean- 
tragen. Der Antrag kann auch auf Beschl der 
IVersf von einer FJ gestellt werden. Die Behörde 
kann den Antrag ohne weiteres ablehnen, wenn 
die Antragsteller einen verhältnismäßig nur kleinen 
Bruchteil der beteiligten Hwr bilden oder wenn 
ein gleicher Antrag bei einer innerhalb der letzten 
3 Jahre stattgefundenen Abstimmung von der 
Mehrheit der Beteiligten abgelehnt worden ist 
oder wenn durch andere Einrichtungen, z. B. einen 
Hwr Verein für die Wahrnehmung der gemein- 
samen gewerblichen Interessen der beteiligten 
Hwr I/J Gewerbeverein!] ausreichende Fürsorge 
getroffen ist (100 Abs 4), aber auch dann, wenn 
nach den Verkehrsverhältnissen des JBezirks 
die Teilnahme am Genossenschaftsleben nur 
mit unverhältnismäßiger Schwierigkeit ermög- 
licht wird. Sonst und bei ausreichender Zahl der 
beteiligten Hwr zur Bildung einer leistungsfähigen 
Jhat die Behörde zu ermitteln, ob die Mehrheit 
der Beteiligten der Einführung des Beitritts- 
zwangs zustimmt. 
Stimmt dem Antrag mehr als die Hälfte der 
Abstimmenden zu, so hat die Behörde 
Anordnung wegen Errichtung der 
ZwJ zu erlassen und in dem amtlichen Publi- 
kationsorgane bekannt zu geben (100 Abs 1, 
100 b Abs 2). Der Antrag und die darauf ergehen- 
de Anordnung kann aber auch lediglich darauf ge- 
richtet werden, daß die Zw J nur für solche Hor 
errichtet werde, die wenigstens, zu bestimmten 
  
Perioden Gesellen oder Lehrlinge halten (100 
Abs 2). Die Anordnung muß den Beginn ihrer 
Wirksamkeit bezeichnen und Namen, Sitz, Ab- 
grenzung des Bezirks der J sowie die Bezeichnung 
derjenigen Gew enthalten, für die sie errichtet wird. 
Folge der Anordnung ist die Schließung der 
sämtlichen im JBezirke bestehenden entsprechenden 
JFJ, wofern diese nicht noch andere Gewgweige 
umfassen, in welchem Falle nur diejenigen Mit- 
glieder, die der Zw'I anzugehören haben, kraft 
Gesetzes ausscheiden (100 b Abs 4 und 5). Gegen 
die Anordnung oder ihre Versagung steht den 
beteiligten Gewerbetreibenden binnen 4 Wo- 
chen Beschwerde an die Landes-Zentralbe- 
hörde zu. 
Ist eine Bestandsänderung der ZwßI nö- 
tig, so bedarf es dazu einer neuen Anordnung. 
Diese kann nur dann von Amts wegen erfolgen, 
wenn die Ausscheidung eines Teils des Bezirks der 
C0 oder eines in sie einbezogenen Gew- 
weigs zum Zwecke der Zuweisung des Aus- 
scheidenden zu einer anderen ZwJI erfolgt. Wenn 
es sich um die Ausscheidung eines Gew- 
Zweigs oder Bezirksteils handelt, kann ein An- 
trag auch von der Mehrheit der auszuscheiden- 
den Mitglieder gestellt werden. Sonst werden 
Anträge nur von der JVers gestellt, und für eine 
Ausdehnung der Zw3 bedarf es noch der 
Zustimmung der Mehrheit der einzubeziehenden 
Gewerbetreibenden (100 U). 
Für die Bildung der ZwJ bedarf es außer der 
Anordnung wegen Errichtung ebenso wie bei der 
FJ eines JStatuts. 
3. Das Statut der J darf keine Bestimmung 
enthalten, die mit den gesetzlichen Aufgaben der 
J nicht in Verbindung steht (83 Abs 3), oder die 
sich mit Gegenständen befaßt, deren Regelung 
nicht im Statut erfolgen darf (83 Abs 4). Außer- 
dem muß es über nachstehende Gegenstände Be- 
stimmung treffen: 
1. Name der J, verschieden von dem aller anderen 
an demselben Ort oder in derselben Gemeinde befindlichen 
J. (82 Abs 3); 2. Sitz und Bezirk der J. Wenn 
dieser über den Bezirk der höheren Verw Behörde, in wel- 
chem sie ihren Sitz nimmt, hinausgehen soll, so bedarf es 
der Genehmigung der Landeszentralbehörde (82 Abs 1u. 2); 
3. die Gewerbszweige; 4. die Ausgaben sowie 
die dauernden Einrichtungen zu ihrer Erfüllung; 5. die 
Rechte und Pflichten der Mitaglieder: 
6. Bildung und Befugnisse des Vorstandes und die 
Formen seiner Geschäftoführung; 7. die Zusammensetzung 
und Berufung der Innungsversammlung, das 
Stimmrecht, die Art der Beschlußfassung, die Zahl und 
Wahl der Vertreter, wenn sie aus Vertretern besteht; 
8. Beurkundung der Beschlüsse des Vorstands und der 
IBers; 9. Aufstellung und Prüfung der Jahresrech- 
nung; 10. Ordnung des Gesellenausschusses: 
11. Ueberwachung der für Beschäftigung der Gesellen und 
Lehrlinge, den Besuch der Fortbildungs- und Fachschulen 
sowie das Lehrlingswesen erlassenen Bestimmungen; 
12. Bildung des Organs und das Verfahren zur Entschei- 
dung von Streitigkeiten zwischen Mitgliedern 
und Lehrlingen; 13. Ordnungsstrafen; 14. Statuten- 
änderungen, die nur von der IVersf im Beisein eines 
Mitglieds der Aufsichtsbehörde beschlossen werden können 
und der Genehmigung bedürfen, für ZwJ aber auch von 
der höheren VerwBehörde angeordnet werden können] (93 
Abfs2, 96 Abs 6, 84 Abs 4 u. 100 d Abs 3); 15. Errichtung der 
Nebenstatuten für die besonderen Einrichtungen;
	        
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