Internationales Privatrecht
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nicht (um von anderen Bedenken abzusehen), ob
bei einem Rechtsverhältnis der persönlichen oder
der räumlichen, wie auch welcher von mehreren
persönlichen oder räumlichen Anknüpfungen der
Vorrang zukommt.
Ebensowenig kann das JU1f den Teil eines be-
sonderen, den Staaten gemeinsamen „int Rechts“
bilden. Zwar verdankt die Disziplin dieser Lehre
ihren Namen: Das „int Recht“ soll (nach Foelix)
in die Unterabteilungen des int öffentlichen Rechts
und des I#ll zerfallen, das erste die Beziehungen
der Staaten zueinander behandelnd, was dann
dem Völkerrecht gleichgesetzt wird, das zweite die
Beziehungen der Privatpersonen. Die beiden
Unterbegriffe sind in solcher Abgrenzung unhalt-
bar, und für ein int Recht, das verschieden wäre
von staatlichem und von Völkerrecht, bleibt im
positiven Recht der Gegenwart kein Raum.
Bedeutet das IU½l! nun aber einzelstaatliches
Recht, so bilden seine Vorschriften einen Sonder-
zweig des öffentlichen Rechts. Zwar einer
Darstellung dieser Lehren in Verbindung mit dem
Zivilrecht, Prozeßrecht usw. steht nichts entgegen.
Aber — das muß zunächst für das int Zivilrecht
betont werden — ihrer Art nach sind diese Vor-
schriften öffentliches Recht, sie begrenzen die
Staatsgewalt, gelten nicht dem Gesetzesinhalt,
sondern dem Gesetzesbefehl. Und Rechtssätze, die
bestimmen, ob die oder jene Gesetzgebung zur
Anwendung kommen soll, also von dem Geltungs-
bereich eines gegebenen Privatrechtssatzes über-
haupt abstrahieren, können von vornherein nicht
dem Privatrecht angehören. Int Zivilrecht, Pro-
zeßrecht, Strafrecht, VerwzRecht unter sich zur
einheitlichen Disziplin zusammenzufassen, emp-
fiehlt sich aus methodischen Gründen.
Als staatliches Recht muß auch das JUU positive
Quellen haben. Eine solche fließt in geringem
Umfang im Gesetzesrecht, insbesondere auch her-
vorgerufen durch Staatsverträge. In dessen Er-
mangelung aber gilt ungesetztes Recht, das aus
zwei Elementen erkannt wird. Das Dölkerrecht
verpflichtet die Staaten, sich in ihrer Wirksamkeit
wechselseitig anzuerkennen, und nötigt damit unter
Verzicht auf eine Alleinberechtigung zu einer Auf-
teilung der Zuständigkeiten. Die eigene Zust der
Staaten aber wird bezeichnet durch die Sonderart
der einzelnen Rechtsverhältnisse. Der konkrete Tat-
bestand mag örtliche Beziehungen zu vielerleiRechts-
gebieten haben, der Ort des Vertragsschlusses, der
Ort, an dem die Ware lagert, den sie beim Trans-
port berührt, an dem sie zu übergeben ist,
Wohnsitz und Staatsangehörigkeit der beiden
Parteien mögen verschiedenen Staaten ange-
hören: es ist nicht möglich, die Herrschaft aller
der Staaten anzuerkennen, zu denen der Fall ört-
liche Beziehungen aufweist. Man sindet den „Sitz
des Rechtsverhältnisses“ (Saviany) durch
einen Reduktionsprozeß, der unter bewußter Aus-
schaltung minder wichtiger Beziehungen derjeni-
gen „Anknüpfung“ folgt, die nach der Beschaffenheit
des fraglichen Rechtsverhältnisses als die wichtigste
erscheint. Für das Zivilrecht muß diese An-
knüpfung grundsätzlich eine einzige sein; denn die
Alternative lautet hier: entweder die eine oder die
andere Rechtsordnung. Für die öffentlichrecht-
lichen Disziplinen bedarf es zwar gleichfalls einer
Ausscheidung minder wichtiger örtlicher Bezie-
hungen, doch können mehrere Anknüpfungen dabei
als gleichwertig festgehalten werden; denn die
Alternative lautet insoweit: eigene Tätigkeit oder
Untätigkeit.
Die so gefundene Zust bezeichnet den zur Rege-
lung berufenen Staat. Esistirreführend, die
erste Frage im JIP¼l auf das „maßgebende Recht“
zu richten; man kann dem Bestand eines int Zivil-
prozeßrechts oder Verwrechtsnichtentgegenhalten,
daß die Behörde ihr eigenes Prozeßrecht oder Verw-
Recht anwende. — Die Zust des berufenen Staats
äußert sich einerseits in der Bereitstellung von Be-
hörden, ein Interesse wahrzunehmen, andererseits
in der Darbietung von materiellem Recht, es zu
ordnen. Von dieser Zust aber, materiellrechtliche
Ordnung zu gewähren, mag der Staat durch Auf-
stellung abstrakter Rechtssätze, aber auch durch be-
hördlichen Eingriff in das konkrete Rechtsverhältnis
Gebrauch machen, er kann die Volljährigkeit durch
Rechtssatz, durch Urteilsfällung, durch Großjährig-
keitserklärung festlegen.— Kommt fremde Ordnung
im Inland zur Geltung, so werden fremde Rechts-
sätze angewendet, behördliche Sonderakte
des Auslands anerkannt. Dabei wird Ge-
setzesvorschriften des Auslands die Eigenschaft,
Recht zu sein, ohne weiteres zugesprochen, und auch
die Sachlage, die auf behördlichen Sondereingriffen
des zuständigen Landes beruht (Entmündigung,
Naturalisation), wird mit einer wichtigen Aus-
nahme als rechtlich begründet vorbehaltslos hin-
genommen. Urteile fremder Zivilgerichte hin-
gegen, auch wenn sie im zuständigen Staat ge-
sprochen sind, werden in Deutschland nicht ohne
weiteres als Rechtsquelle anerkannt, sondern nur,
wenn sie den Voraussetzungen des # 328 BSBO
entsprechen.
Ob bei einem der Regelung bedürftigen Rechts-
verhältnis fremde Ordnung zum Zug kommen soll,
bestimmt das Inland souverän. Beruht alles IP
auf dem Gedanken der Zust Verteilung, so kann
doch in concreto nicht berücksichtigt werden, ob der
fremde Staat seinerseits die Regelung übernehmen
will. Es kann sein, daß zwei fremde Staaten zu-
mal das Rechtsverhältnis beherrschen wollen, es
kann sein, daß sich jeder für unzuständig erklärt;
und doch vermag das Inland nicht darauf zu ver-
zichten, in Ermangelung eigener Zust fremde
Ordnung zur Anwendung zu bringen. Noch we-
niger kann es auf die gebotene Anwendung frem-
den Rechts Einfluß nehmen, wenn der für zu-
ständig erklärte Auslandsstaat den gleichen Fall
seinerseits nach unserem Recht beurteilen würde
(„Rückverweisung")y oder das Recht eines drit-
ten Staats für maßgebend hält(„Weiterverwei-
sung“"). Eine solche Lage kann durch Verschiedenheit
der Kollisionsnormen, aber auch durch abweichende
„Qualifikation“ des zu beurteilenden materiell-
rechtlichen Verhältnisses geschaffen werden. Eine
Zulassung der Rückverweisung würde nicht nur zu
sinnlosen Ergebnissen führen: verweist der für
zuständig erklärte Auslandsstaat seinerseits auf die
Ordnung im Inland, so diese zum zweitenmal auf
das fremde Recht und dies wieder zurück in
endlosem Mechsel — sie ist innerlich falsch: man
kann der angezogenen materiellen Vorschrift des
fremden Rechts allenfalls entnehmen, daß sie selbst
für den betreffenden Fall nicht gelten wolle, aber
nicht, was in Ermangelung eigener Geltung nun-
mehr mit dem Sachverhalt geschehen soll. Eine