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Internationales Privatrecht (Verwaltungsrecht)
sind hier auch dann von unmittelbarer
Durchsetzung ausgeschlossen. In öffentlichrecht-
liche Beziehungen des Inlands kann das fremde
Urteil von vornherein nicht eingreifen, und es ist
zur Ergänzung von strafrechtlicher Seite her das
Lätchnwasten achverfahren des §J 37 StEB vor-
esehen.
Anders als der Zivilprozeß bedeutet der Straf-
prozeß für den Staat keine selbständige Wohl-
santteemriheun im Dienst der Allgemeinheit,
ondern ein Hilfsverfahren zur Feststellung der
staatlichen Strafansprüche. Die Zust des Staats,
einen Strafprozeß durchzuführen, muß deshalb
immer, kann aber auch nur dann gegeben sein,
wenn Strafansprüche dieses Staats festzustellen
sind; so auch der Rechtszustand in Reich und Bun-
desstaaten. Neben der Zust, den Prozeß durch-
zuführen, bedarf es alsdann der Zust, die einzelne
Prozeßhandlung vorzunehmen; es sind darüber
die Ausführungen für den Zivilprozeß zu verglei-
chen (oben § 4). Rechtswirkungen können im Inland
auch an ein Strafverfahren des Auslands geknüpft
sein. Insbesondere werden die urteilsmäßigen Fest-
stellungen des zuständigen Staats vielfach aner-
kannt (Beispiel St GB 5 190). Den Strafprozessen
des Auslands wird ferner in Gestalt der Rechts-
hilfe (1 und der dem materiellen Strafrecht und
dem Prozeßrecht gleichmäßig zugehörigen Auslie-
ferung (] Rechnung getragen.
v. Bar, Lehrbuch (oben 12); v. Bar, Gesetz und Schuld
im Strafrecht 1, 19068; Mendelssohn Bartholdy
in Vergleichende Darstellung d. deutschen u. ausländ.
Strafrechts, Allgemeiner Teil VI, 1908; Meili, Lehrbuch
des int Strafrechts und Strafprozeßrechts, 1910; Neu-
meyer, 3StrW 23, 436 und 27, 1; Fiore, Traité de
drolt pénal int., tradult et annoté par Autoine, 2 Bde.,
1879/80. — Binding, OB des Strafrechts 1, 1885; v.
Kries, Lehrb. d. d. Strafprozeßrechts, 1892. — Ueber
den Vorentwurf zu einem deutschen Strasgesetzbuch Neu-
meyer, Blätter für Rechtsanwendung, 76 S 81, 100.
5 6. Internationales Verwaltungsrecht. Man
spricht von int Verwzecht häufig als dem Recht,
das für die gemeinsame Verwaltung einer Staa-
tenmehrheit besteht. Parallel den anderen Rechts-
zweigen werden hier unter int Verwecht die
Rechtssätze verstanden, welche die Verwaltung
einer autonomen Gemeinschaft gegenüber anderen
Gemeinschaften gleicher Art abgrenzen und die
Förderung fremder Verwaltung in ihrem Bereich
vorsehen. Das Problem ist gleichartig dem des
int Strafrechts und Zivilprozeßrechts. Während
aber dort jeweils nur eine einzelne staatliche Auf-
gabe Abgrenzung verlangt, erneuert sich die Frage
hier für jeden der zahlreichen Gegenstände öffent-
licher Verwaltung. Die systematische Untersuchung
ist bisher nur für einen Teil des Rechts der inneren
Verwaltung durchgeführt. Dabei ergibt sich in
seltenen Fällen, wo ein innerer Zusammenhang
mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit besteht,
personale Begrenzung (mißbräuchliche Verwer-
tung des „Personalstatuts“ begegnet freilich häu-
fig !). Die regelmäßige territoriale Wirksamkeit
einer VerwéEinrichtung aber hängt ab von der
manchmal schwer festzustellenden Anknüpfung,
welche einen Tatbestand der Hoheit des Inlands
unterwirft. So wird (in Ermangelung abweichen-
den positiven Rechts) die Vereinspolizei des In-
lands wirksam für Vereine mit Sitz im Inland, bei
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Vereinen mit Sitz im Ausland, die ihr Vereins-
leben in das Inland erstrecken, für diesen inländi-
schen Teil, für Einzelpersonen inländischen Aufent-
halts, insoweit ihnen die Mitgliedschaft in fremden
Vereinen versagt werden kann. Die Schulpflicht
ergreift die Familien, die im Inland den Wohn-
sitz oder längeren Aufenthalt haben, wobei die Be-
ziehungen des Kinds, nicht die des Erziehungsbe-
rechtigten entscheiden. Zwangsnormen über den
Austritt aus der Kirche können für die Personen
inländischen Wohnsitzes, möglicherweise aber auch
für länger verweilende und für Personen, die im
Inland kirchensteuerpflichtig sind, gelten. — Dazu-
jeweils das Erfordernis, daß das Mittel, welches
der Förderung eines Verw Zwecks dienen soll, int
statthaft sei: keine organisierte Geheimpolizei im
Ausland, keine Wirkung einer Sakularisation in
Vermögen auf fremdem Gebiet. Und der Ord-
nung des zuständigen Auslands wird auch hier
mannigfach Rechnung getragen: der fremde Adell7)
wird zur Führung im Inland zugelassen, der ent-
laufene Zwangszögling zurückgeliefert. —
Das Verw Verfahren ist gleich dem Strafprozeß
eine Hilfseinrichtung im Dienst der inländischen
Verwaltung, in seiner Zust deshalb von der ma-
teriellen Staatsaufgabe abhängig, auf die das
Verfahren Bezug hat.
Neumeyer, Int BerwRecht. Innere Berw 1, 1910;
Derselbe, Grundlinien des int Berwhechts, 1911.
Anders als in den übrigen Gebieten der Ver-
waltung wird das Verhältnis zu Ausland und Aus-
ländern für den Bereich der Finanzverwal-
tung unter dem Druck der Praxis seit Jahrhunder-
ten erörtert. Die Fragen, die sich hier ergeben, sind
gleichartig denen, die im Vorausgehenden erörtert
sind. Ihren Mittelpunkt bildet die Abgrenzung
der Steuergewalt.
v. Bar, Theorie und Praxis 1 und Revue de droit.
int. 32, 435. Ausgangspunkt für die neuere deutsche Finanz-
wissenschaft Schanz, FinanzArch 9 II, 1. Garelli,
D druitto int. tributario 1, 1899. Lippert, Das int.
Finanzrecht, 1912.
#7. Internationales Staatsrecht. Die Aner-
kennung fremder Staaten kann dazu führen, daß
auf Angelegenheiten eines Auslandsstaats aus-
wärtiges Staatsrecht im Inland zur Anwendung
gebracht wird; es kann von Belang sein, ob ein
Landstrich dem fremden Gebiet angehört, eine
Person die dortige Staatsangehörigkeit besitzt.
Und vom Standpunkt eines konkreten Rechtsver-
hältnisses aus mag, wie bei den anderen Rechts-
gebieten, auch hier die Frage auftauchen: ist der
oder jener Staat mit seiner Ordnung beteiligt?
Ist die Zulässigkeit, ein preußisches Gesetz auf seine
Rechtsverbindlichkeit nachzuprüfen, in Bayern
nach preußischem oder bayerischem Recht zu be-
messen? Nach Seiten der Zust aber käme als
Gegenstück des internationalen Prozeßrechts,
Strafrechts, Verwechts für ein internationales
Staatsrecht die Selbstsetzung der Staatsgewalt
im Raum in Betracht, die Begrenzung von Ge-
biet und Volk, Behördenverfassung und Rechts-
wille. Dies alles ist indessen schon Gegenstand
des materiellen Staatsrechts, das die Aufgabe
hat, den individuellen Staat zu beschreiben, und
so bleibt für ein den anderen Disziplinen gleich-
wertiges internationales Staatsrecht kein Raum.
Neumeyer.