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Invaliden- und Hinterbliebenen-Versicherung — Irrenwesen
voll zu zahlen, bis die Unfallrente gewährt wird;
von da an in der sie etwa übersteigenden Höhe.
Ist sie für eine Zeit voll gezahlt, für die der Emp-
fänger einen Anspruch auf Unfallrente hat, so
kann die Vnst, soweit ihre Rente nicht höher ist,
Ersatz aus der Unfallrente beanspruchen, wofür
jedoch zugunsten des Versicherten gewisse Schran-
ken gesetzt sind (1522). Ueber das Ruhen der In-
validen-, Alters-- oder Hinterbliebenenrenten, wenn
sie, abgesehen von diesem Sonderfall, mit Unfall-
renten zusammentreffen, vgl. schon oben # 17
Nr. 4. Das in beiden Fällen begründete Interesse
der Vlnst an Feststellung der Unfallrente findet
in §1523 Anerkennung. Besondere Bestimmungen
behufs Entlastung der VAnst sind dann noch für
den Fall der Gewährung eines Heilverfahrens
seitens derselben bei einer durch Unfall verursach-
ten Krankheit gegeben (1524/25).
3. Armenpflege. Auch die gesetlichen
Pflichten der Gemeinden und Armenverbände
zur Unterstützung Hilfsbedürftiger bleiben recht-
lich unverändert (1527). Doch kann die unter-
stützende Gemeinde, wenn für die Zeit der Unter-
stützung ein Anspruch auf Rente bestand, diese
mit entsprechenden Beschränkungen, wie sie für
die VAnst beim Zugriff auf die Unfallrente be-
stehen, in Anspruch nehmen. Zu diesem Zwecke
kann sie die Feststellung der Rente sogar in dem
Falle betreiben, wenn der Hilfsbedürftige vor
Stellung des Antrags verstorben ist (1531, 1536
bis 1541).
4. Sonderanstalten. Schon nach den
bisherigen Gesetzen wurde die JuA# nicht bloß
durch die allgemeinen Vlnst, sondern für be-
stimmte Kreise der versicherungspflichtigen und
versicherungsberechtigten Bevölkerung durch sog.
zugelassene oder besondere Kasseneinrichtungen.
durchgeführt. So bestanden gemäß §6 8—10
Inv VG5 Pensionskassen für verschiedene Staats-
eisenbahnbetriebe und 4 dem Gebiete des berg-
rechtlichen Knappschaftswesens (Mangehörige Son-
derkassen. Eine besondere Stellung nahm die mit
dem 1. 1. 07 ins Leben getretene Invaliden-,
Witwen= und Waisenversicherungskasse der See-
Berufsgenossenschaft ein, welche nach den Be-
dingungen des § 11 Inv VW ihren Versicherten
zugleich eine Hinterbliebenenversorgung zu ge-
währen hatte.
Auch die RVO §& 1360—1374 kennt solche
„Sonderanstalten“. Der Bundesrat bestimmt auf
Antrag der zuständigen Stelle, welche Anstalten.
des Reichs, eines Bundesstaats oder eines Ge-
meindeverbands als solche zugelassen werden; er
kann auch andere Sonderanstalten auf Antrag
zulassen. Das Gesetz bestimmt die Voraussetzungen
der Zulassung, wobei namentlich die Interessen
der Versicherten hinsichtlich der Gleichwertigkeit
der Leistungen, und zwar jetzt allgemein auch auf
dem Gebiete der Hinterbliebenen Vers, der Btr-
Höhe, der Verwaltung, des Verfahrens zur Fest-
stellung der Leistungen, der Freizügigkeit zwischen
den Vers= und Sonderanstalten gewahrt werden.
Die zugelassenen Sonderanstalten werden in wei-
testem Umfange in den Organismus der JuH V
eingereiht und dem für die VlAnst geltenden.
Rechte, soweit ihre Besonderheit dies gestattet,
unterstellt. Die Garantie für die Sonderanstalten
haben Reich, Staat oder Gemeindeverband zu
übernehmen. Besondere Bestimmungen werden
dann ## 1375—1380 für eine Sonderanstalt der
See-Berufsgenossenschaft getroffen (Bek des RV
v. 1. 1. 12). Die bisher zugelassenen besonderen
Kasseneinrichtungen gelten bis zum 31.3. 12 ohne
neue Zulassung als Sonderanstalten (a 81, 83 EG).
5. Anrechnung der reichsgesett-
lichen Bezüge bei anderen Kassen.
Um Doppel Versf zu vermeiden, ermächtigte schon
das bisherige Recht (I52, 53 Inv VWG) bestehende
Fabrik-, Knappschafts-, Seemanns= und dgl.
Kassen zur Fürsorge für Alter oder Erwerbsun-
fähigkeit, ihren reichsgesetzlich versicherten Mit-
gliedern die dieser Vers entsprechenden Bezüge
auf die eigenen Unterstützungen ganz oder teil-
weise anzurechnen, sofern (in der Regel) gleich-
zeitig die Btr wenigstens der Versicherten ent-
sprechend herabgesetzt wurden. Unter Umständen
konnte auf Betreiben der beteiligten Arbeitgeber
oder Kassenmitglieder diese Veränderung auch
zwangsweise durchgeführt werden. Die RVO
behält diese Bestimmungen bei und dehnt sie,
abgesehen von den Knappschaftskassen, auch auf
die neu eingeführten Hinterbliebenenbezüge aus.
Für die Knappschaftskassen schreibt sie dagegen,
mit Rücksicht auf ihren gesetzlichen Zwangscharak-
ter und die voraussichtliche Schwierigkeit frei-
williger Durchführung der Maßregel, Anrechnung
der Hinterbliebenenbezüge und BtrHerabsetzung
unmittelbar kraft Gesetzes vor, sofern nicht die
Satzung anderes bestimmt. Doch ist der Anrech-
nung ein besonderes Maß gesetzt, indem sie den
halben Wert der reichsgesetzlichen Bezüge nicht
übersteigen darf und den Mitgliedern im ganzen
wenigstens eine Summe belassen muß, welche die
unermäßigten Kassenleistungen um den Reichs-
zuschuß übersteigt.
Liüteratur: Im ganzen wird für das bisherige
Recht in seiner Bedeutung auch für das neue auf
Rosin, Recht der Arbeiter Vers, Bd. 2: Invaliden-
und Alters Vers (1905) verwiesen. Umfassendere Arbeiten
zur •NBO lagen bei Abfassung des uArt. noch nicht
vor; inzwischen sind größere Kommentare zum 4. Buch
teils erschienen, teils im Erscheinen begrifsen, so besonders
von Düttmann und Seelmann, Hanow und
Lehmann, Weymann. Dazu Kaskel und Sitz-
ler, Grundriß des sozialen Versicherungsrechts (1912). Zur
Sonderanstalt der See-Berufsgenossenschaft (120 Nr. 4) die
Erläuterungen zu den Satzungen von Hanow, 19007.
Statistik für das Jahr 1910 in Amtl. Nachr. 1912
S. 166 ff. Rofin.
Irrenwesen
5 1. Allgemeines. 1 2. Irrenanstalten (Einrichtung, Be-
trieb, Beaussichtigung). ## 3, 4. Aufnahme und Entlassung
der Geisteskranken. 1 5. Geisteskranke in Familienpflege.
# 6. Jrrenrecht.
IIW = Frrenwesen; J. — Irre; GKr — Geisteskranker.]
8 1. Begriff des Irrenwesens. Allgemeines.
Das JW umfaßt alle heilbaren und unheilbaren
Gär einschließlich der Idioten und Epileptiker.