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Geistliche — Geistliche Gesellschaften
Fall vorliegt, daß Demeritenanstalten zugleich als
Emeritenhäuser dienen, unterliegen sie
insoweit der Staatsaufsicht nur hinsichtlich ihrer
Vermögensverwaltung (für Preußen 6 v.
7. 6. und V v. 29. 9. 76). #
11.Staalliche Bereidigung. Eine Vereidi-=
gung der evangelischen und katholischen G. auf
die Verfassung und die Staatsgesetze wird bei der
Anstellung in Bayern, Baden und Hes-
sen erfordert, in Württemberg nur von
den evangelischen, (die katholischen leisten allein
dem König einen Eid der Treue und des Gehor-
sams, welcher zugleich das Gelöbnis umfaßt, bei
der Ausübung der mit dem Amt verbundenen
staatlichen Funktionen die Staatsgesetze zu beob-
achten). In Preußen haben nur die evange-
lischen G. (einschließlich der Superintendenten)
einen Eid auf Treue und Gehorsam gegenüber
dem Landesherrn und auf gewissenhafte Amts-
erfüllung zu leisten, während von den katholischen
G. selbst ein derartiger Eid nicht mehr verlangt
wird. Auch in Elsaß--Lothringen ist von
der Forderung der Ableistung des für die katholi-
schen und evangelischen G. vorgeschriebenen Treu-
und Gehorsamseides schon unter dem zweiten
Kaiserreich Abstand genommen worden. S. die
Quellennachweise bei Friedberg 361 f.
k 3 12. Staatsrechtliche Stellung. Die G. der
privilegierten christlichen Kirche sind, da diese
letzteren in den deutschen Staaten die rechtliche
Stellung von öffentlichen Anstalten oder Kor-
porationen haben, öffentliche Beamte,
nicht aber Staats beamte in denjenigen
Ländern, in denen das alte Staatskirchentum
aufgegeben und der Kirche die selbständige Ver-
waltung ihrer Angelegenheiten überlassen worden
ist, also nicht in Pre ußen, Württemberg,
Baden und Hessen. Eine Ausnahme ma-
chen natürlich die vom Staate angestellten Mili-
tär- und Anstaltsgeistlichen, weil der Staat deren
Tätigkeiten, wenngleich ihr Inhalt ein rein kirch-
licher ist, in die von ihm zu vollziehenden Auf-
gaben einbezogen hat und sie zu ihm in ein be-
sonderes Treuverhältnis treten. Unangesehen
diese Verschiedenheit haben aber nach allgemein
staatsrechtlichen Grundsätzen katholische und evan-
gelische Geistliche die Stellung von Staatsbeam-
ten insoweit, als sie mit staatlichen Funktionen
im Gebiete der Vermögensverwaltung, der Ar-
men= oder Schulpflege betraut sind. Dasselbe
gilt für das Anwendungsgebiet des Beamten-
begriffs in § 359 StEG B.
Sowohl nach Reichsrecht, wie nach Landesrecht
genießen die G. einzelne Privilegien.
Reichsgesetzlich: I. hinsichtlich des Straf-
antrags bei Beleidigungen und Körperverletzun-
gen (StEB 196, 232); 2. gewisse Bevorzu-
gungen bei Erfüllung der Militärpflicht (RMil G
v. 2. 5. 74 88 14, 20, 22, 65, 66, R v. 6. 6. 80
à 1 32, a 2 und R v. 8. 2.90); 3. Freiheit vom
Geschworenen-, 4. vom Schöffenamt (GVG 88 34
Nr. 7 u. § 85), 5. vom Amt des Standesbeamten
(Persest.G v. 6. 2. 75 & 3), 6. Exekutionsbeschrän-
kung hinsichtlich ihres Mobiliars und ihres Dienst-
einkommens (ZP0 d8## 811 Nr. 7, 8 und 850 Nr. 8).
Landesgecsestzlich für die Regel: 1. die
Befreiung von Gemeindeämtern und gewissen
Gemeindelasten, 2. von der Grund= und Ge-
bäudesteuer für Diensthäuser und Dienstgrund-
— — —— — —
stücke, 3. ein gewisser, sie einer bestimmten Klasse
von Staatsbeamten gleichstellender Rang. Doch
besteht hierin große partikularrechtliche Verschie-
denheit. Die landcesrechtlichen Befreiungen von
der Vormundschaft sind aufsgehoben. Vielmehr
bestimmt & 1784 B nur, daß „Religionsdiener“
(s. o. § 1), die nach Landesrecht besonderer Er-
laubnis zur Uebernahme bedürfen, nicht ohne
diese Erlaubnis zum Vormund bestellt werden
sollen. Nach den meisten Ausführungsgesetzen ist
solche Erlaubnis erforderlich; so auch in Preu-
tHen, Sachsen, Württeenberg, Ba-
den, Hessen.
Duellen: Stean 1130, R# betr. die Verhinderung
der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern, v. 4. 5. 74.
Preußen: ALR II 11 # 11, 66, 96. G, betr. die Vor-
bildung und Anstellung der G., v. 11. 5. 73. G üfb. d. kirch.
liche Disziplinargewalt v. 12. 5. 73, G wegen Deklarat.
d. G v. 11. 6. 74a, v. 21. ö. 74; G, betr. Abänderungen der
kirchenpolitischen G v. 14. 7. 80, v. 31. 5. 82, v. 11. 7. 83,
v. 21. 5. 86 u. v. 29. 4. 87. — Bayern: Konkordat v.
1817, a 11; Allerh. Entschließ. v. 8. 4. 52 und Erl v. 20.
11. 73. — Sachsen: 6, d. Ausübung d. Oberaufsichts-
rechts über d. katholische Kirche betr., v. 23. 8. 76. — Würt-
temberg: 0, betr. d. Berh. d. Staatsgewalt z. katholi.
schen Kirche, v. 30. 1. 62. — Baden: C, die rechtl. Stel.
lung d. Kirchen u. kirchl. Bereine betr., v. 9. 10. 60; Ab-
änderungs G v. 19. 2. 74, 5. 7. 88 u. 2. 9. 08. — Hessen:
G, die Vorbildung u. Anstellung der G. betr., v. 5. 7. 85.
Liüteratur: Hinschius, Kommentare zu dem
G von 1873 (1873); zu den G von 1874 u. 1875 (1875); zu
dem v. 14. 7. 80 (1881); zu dem v. 21. 5. 86, 1886 und zu
dem v. 29. 4. 87 (1887); ferner 8 f. Kirchenrecht 18, 166 u.
im Arch f. Gesetzgebung, Rechtsprechung (preuß. Arch), 1
(1884), 44 (Erläuterung der G v. 21. 5. 82 u. v. 11. 7. 83);
v. Kleinsorgen, Ddie kirchenpolitischen Gesetze Preu-
ßens und des Deutschen Reichs in ihrer gegenwärtigen
Gestaltung usw., 1887: B. Pfaffs, Zusammenstellung
kirchlicher und staatlicher Verordnungen für die Geistlichkeit
des Bistums Rottenburg 1 (1908), 169 ff. — Katho-
lische Kirche: Hinschinss, 503; 3 S 183, 194, 848;
4 S20, 556 und die Nachträge dazu am Schluß des Bandes;
Friedberg“ Lehrbuch des KR. 1909 S 174°, 328,
358 ff. — Evangelische Kirche: E. Friedberg,
Das geltende Versassungsrecht d. evangel. Landeskirchen
in Deutschland und Oesterreich, 1888, S 83, 86; P. Schoen,
Das evangelische Kirchenrecht in Preußen 2 (1910), 47 ff.
— Zu 1 11: Friedberg a. bez. O. 256 ff, auch 149 ff.
Hinschius--Kahl.
Geistliche Gesellschaften
Gesellschaften sind Verbindungen mehrerer
Mitglieder des Staates zu einem gemeinschaft-
lichen Endzweck (ALR 11 6 #K61). Besteht dieser
Zweck in „Religionsübungen“ oder in der Abhal-
tung gemeinschaftlichen Gottesdienstes, so spricht
man von Religions= oder auch Kirchengesellschaf-
ten (ALR II 11 #911, bayer. II. Verf Beil. § 3,
24 ff). Diejenigen örtlichen Gemeinschaften,
welche zu ganz besonderen Religions-
übungen (Klostergebet, Chorgebet, Bruder-
schaftsübungen) vereinigt sind, führen (AL II
11 §12) den Namen G.G. Andere Rechte sprechen
von geistlichen Genossenschaften, Kommunitäten,
Korporationen, Anstalten. Dabei fassen sie den