Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

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Kaiser 
  
Reichsgewalt in Betracht kommt, handelt er im 
Namen der verbündeten Regierungen. Der K. ist 
ebensowenig Präsident in dem Sinne, wie dieses 
Wort in demokratischen Staaten genommen wird, 
d. h. Beamter des Reichs; er wird nicht von dem 
Souverän des Reichs ernannt (gewählt); er ist 
nicht absetzbar; er ist nicht verantwortlich; er ist 
niemandes Untertan; er hat die Präsidialrechte 
kraft eigenen Rechts. 
Charakteristisch für das deutsche Kaisertum ist, 
daß es aus zwei Elementen kombiniert ist; der K. 
ist zunächst als König von Preußen Mitglied 
des Reichs und sodann Organ des Reichs. Das 
Recht auf das Bundespräsidium ist ein Sonderrecht 
des Königs von Preußen, nur daß es sich nicht 
auf die Kompetenz des Reichs gegenüber den Ein- 
zelstaaten bezieht, sondern auf den Anteil an der 
Willenstätigkeit des Reichs selbst. Nur dadurch, 
daß man die Präsidialbefugnisse in untrennbaren 
Zusammenhang bringt mit den der Krone Preußen 
zustehenden Mitgliedschaftsrechten, ia daß man 
das Recht auf die Ausübung dieser Präsidialbe- 
fugnisse als ein zu diesen Mitgliedschaftsrechten 
akzessorisches Vorrecht Preußens auffaßt, gewinnt 
man den staatsrechtlichen Begriff des K. Die wich-, 
tige Konsequenz dieser Auffassung ist der Satz, 
daß die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte Preu- 
ßens und die Handhabung der kaiserlichen Präsi- 
dialbefugnisse unter keinen Umständen und in 
keinem Falle getrennt und an verschiedene Sub- 
jekte verteilt sein können. 
Man muß ferner unterscheiden zwischen dem 
Rechte auf die kaiserliche Stellung und dem In- 
halt der letzteren selbst. Ihrem Inhalte nach sind 
die Rechte des K. nicht Rechte Preußens, sondern 
des Reichs; der K. übt als ein Organ des Reichs 
die dem letzteren zustehenden Souveränitätsrechte 
aus, soweit die Verfassung und die Gesetze des 
Reiches ihn dazu berufen. Und zwar ist der K. der 
einzige Bundesfürst, welcher individuell einen 
Anteil an der Regierung des Reichs hat. Alle 
übrigen Bundesfürsten haben als einzelne keiner- 
lei Funktionen an der Lebenstätigkeit des Reichs 
auszuüben, sondern nur als Gesamtheit durch das 
Instrument des Bundesrats. Der K. ist das ein- 
zige Bundesmitglied, welches zugleich Organ der 
Reichsgewalt ist. 
#§s 2. Der Träger der kaiserlichen Rechte. Da 
das Kaisertum untrennbar mit dem preußischen 
Königtum verbunden ist, hat das Reichsrecht gar 
keine selbständigen Vorschriften über den Erwerb 
der K.Würde. Die gesamte Ordnung des Rechts 
auf die Krone ist dem preußischen Staatsrecht über- 
lassen; das Reich hat sich auf die Sanktion des 
Rechtssatzes beschränkt, daß die K.Würde ipso 
jure der preußischen Königeskrone folgt (RBa 1l1). 
  
— — 
Hieraus ergibt sich, daß, wenn nach den Grund= 
Vorstand einer juristischen Person überhaupt 
sätzen der preußischen Verfassung (a 56—58) der 
König durch einen Regenten vertreten werden, 
muß, der Vertreter auch die Präsidialstellung im 
Reiche einzunehmen und das der Krone Preußens 
zustehende Präsidium des Bundes auszuüben hat. 
Was die Normierung des preußischen 
Thronfolgerechts anlangt, so steht die- 
selbe im Einklang mit den gemeinrechtlichen Grund- 
sätzen, welche in allen deutschen Fürstenhäusern 
zur Anwendung kommen. „Die Krone ist den 
Kgl Hausgesetzen gemäß erblich in dem Mannes- 
stamme des Agl Hauses nach dem Rechte der 
Erstgeburt und nach der agnatischen Linealfolge“ 
(preuß. VU a 63). 
Ueber den Regierungsantritt des K. 
enthält die Reichsverfassung keine Vorschrift; der- 
selbe ist demnach an keinerlei Formalität rechtlich 
gebunden. 
Der Titel „Deutscher Kaiser“ bezieht sich 
nicht, wie die sonst üblichen, aus früherer Zeit 
herstammenden Titel der Landesherren 
auf ein Gebiet, sondern lediglich auf die staats- 
rechtliche Stellung seines Trägers. Die Führung 
desselben ist daher streng genommen beschränkt 
auf die Angelegenheiten des Reichs, auf die Aus- 
Übung der Präsidialbefugnisse; indes wird dies 
nicht durchweg beobachtet. Die Natur des kaiser- 
lichen Titels zeigt sich aber darin, daß neben dem- 
selben der Titel des Königs von Preußen nicht 
außer Anwendung gekommen ist, wie dies sonst 
regelmäßig der Fall ist, wenn ein höherer Titel 
zu einem gleichartigen niedrigeren hinzutritt. Der 
Titel „Deutscher Kaiser“ deckt den Titel „König 
von Preußen“" nicht; er ist ihm überhaupt nicht 
homogen. Deshalb wird in offiziellen Akten- 
stücken dem Titel „Deutscher Kaiser“ der Titel 
„König von Preußen“ hinzugefügt, selbst wenn 
es sich um Reichsangelegenheiten handelt, wäh- 
rend andererseits in Angelegenheiten des preu- 
ßischen Staates der Titel „König von Preußen“ 
selbständig geführt wird. Die Erblichkeit der 
K. Würde findet einen Ausdruck teils in der For- 
mel „von Gottes Gnaden“, teils darin, daß der 
Kronprinz von Preußen den Titel „Kronprinz 
des Deutschen Reichs und von Preußen“ und das 
Prädikat „Kaiserl. und Kgl Hoheit“ führt. Mit 
dem kaiserlichen Titel ist die K. Krone, die Füh- 
rung des kaiserlichen Wappens und der kaiser- 
lichen Standarte verbunden. 
Eine sog. Civillistell ist mit der K. Würde 
nicht verbunden; durch das Etatsgesetz wird aber 
dem K. alljährlich ein „Dispositionsfonds“ aus 
Reichsmitteln zur Verfügung gestellt. 
#s 3. Der Inhalt der kaiserlichen Rechte. Die 
einzelnen Befugnisse, welche die Reichsverfassung 
und die Reichsgesetze dem K. auf den verschiedenen 
Gebieten der Staatstätigkeit beilegen, lassen sich 
nicht aufzählen, da sie mit der materiellen Rege- 
lung der einzelnen Verw Zweige im engsten Zu- 
sammenhange stehen; die Reg Rechte des K. lassen 
sich nur im allgemeinen nach ihrer juristischen Be- 
deutung charakterisieren. Da das Reich eine Kor- 
poration des öffentlichen Rechts, ein „Verein“ der 
Bundesstaaten, ist, so kehren in der Reichsverfas- 
sung die allgemeinen Grundzüge der Korpora- 
tionsverfassung wieder, und die Organe des Reichs 
haben ihr Analogon in den Organen der Privat- 
korporation. Dem K. stehen im wesentlichen die- 
jenigen Rechte und Pflichten zu, welche der 
hat, nämlich: 
1. Der K. ist der alleinige, ausschließliche Ver- 
treter des Reichs Dritten gegenüber. Dies ist 
im a 11 Abs1 der R für die völkerrechtlichen Be- 
ziehungen ausdrücklich anerkannt; allein es ist un- 
richtig, die Vertretungsbefugnis des K. auf die 
internationalen Beziehungen zu beschränken. Der 
K. ist auch in allen übrigen rechtlichen Verhältnissen 
staatsrechtlichen und privatrechtlichen (fiskalischen), 
der Vertreter des Reichs, wenngleich er sich hier- 
bei der Reichsbeamten als seiner Gehilfen nach
	        
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