Kanäle (C. Suez-Kanal) — Kaperei
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durch das Verhalten Englands bestimmt. Den wirt-
schaftlichen Einfluß auf die Verwaltung des K.
gewann England durch Erwerb des Restes von
176602 Aktien von dem verschuldeten Khediven
Ismail für 4 Mill. Pfund im Jahre 1875. Den An-
spruch auf 15% vom Reingewinn (§1 10) hat der
Khedive an den crédit foncier in Paris abgetreten
(21. 3.80); Aegypten ist seitdem also an der Suez-
K. Gesellschaft finanziell nicht beteiligt. Die poli-
tische Gewalt sicherte sich England durch die Okku-
pation Aegyptens (1882). Jetzt hatte England das
weitere Interesse, die Fahrstraße zu verbessern
(Londoner Programm 1883), aber auch interna-
tional zu sichern. Darin begegneten sich, wenn-
gleich aus verschiedenen Gründen, die Interessen
der seefahrenden Nationen.
g 2. Rechtelage.
I. An ausreichenden anerkannten Normen für
„internationale Kanäle" sehlt es. Eine Neutrali-
tätsklausel in den Pariser Frieden 1856 zu bringen
(Lesseps), verhinderte England. 1863 wollte die
Türkei die Fortsetzung des Baus nur gegen Garan-
tien für die Neutralisierung gestatten. 1873 er-
suchte die Türkei bei ihrem Streit mit der Suez-
K. Gesellschaft (Tarif, Auslegung des Firmane) die
Mächte um Mitwirkung (Dekl. v. G. 12.73). In dem
russisch-türkischen Kriege erhob England Einspruch
gegen eine russische Blockade des K. Vei der fast aus-
schließlich außer nationalen Benutzung des Suezk.
forderte die Theorie Entnationalisierung oder we-
nigstens Neutralisierung der unentbehrlichen Was-
serstraße (Institut de droit international 1878).
Nach Englands Anregung und auf Betreiben
Frankreichs kam es 1885 in Paris zu einer Kon-
ferenz, auf der die Großmächte, Spanien, die
Niederlande, die Türkei und Aegypten vertreten
waren. Der Vertragsentwurf dieser Konferenz
wurde jedoch erst, auf Drängen Frankreichs, als
Vertrag zu Konstantinopel am 29.
10. 88 unterzeichnet (Abdruck bei Fleischmann
220.) Beigetreten sind: Dänemark, Schweden,
Norwegen, Griechenland, Portugal, Javan, China.
Der Vertrag gilt unabhängig von
der Dauer der Konzession der Sucz-
K.Gesellschaft (oben & 1 1). England hat sich aus-
drücklich vorbehalten, daß die Vertragsbestim-
mungen nur insoweit zur Anwendung kommen
dürften, als sie nicht seine Handlungsfreiheit wäh-
rend der Okkupation Acgyptens behinderten.
Der Vertrag soll „die freie Benutzung des mari-
timen SuezK. zu jeder Zeit und für alle Mächte
sicher stellen“. Die wesentlichen Bestimmungen
sind: Der Suez K. wird in Kriegs= wic in Friedens-
zeiten Handels= oder Kriegoschiffen ohne Unter-
schied der Flagge offenstehen und niemals einer
Blockade ausgesetzt sein (a 1). Der Vertrag hin-
dert in keinem Falle die ottomanische Regierung
an Maßnahmen zur Sicherung der öffentlichen
Ordnung, zur Verteidigung Acgyptens oder ihrer
sonstigen an der Ostküste des Roten Meeres ge-
legenen Besitzungen (a 10). Doch dürfen diese
Maßnahmen nicht die freie Benutzung des K.
hindern (la 11), und es ist untersagt, permanente
Befestigungen zu errichten. Die Mächte dürfen
in den Gewässern des K. keine Kriegsschiffe halten,
außer 2 in den Einfahrtshäfen Port Said und Suez;
und auch dies nicht, wofern sic Krieg führen (à7).
Im Suez . und in den Einfahrtshäfen sowie im
Umkreise von 3 Seemeilen von diesen Häfen darf
kein Akt der Feindseligkeit oder zur Behinderung
der freien Schiffahrt ausgeübt werden, selbst nicht,
wenn die Türkei eine der kriegführenden Mächte
wäre. Die Durchfahrt der Kriegsschiffe der Krieg-
fohrenden muß in kürzester Zeit erfolgen. ihr
ufenthalt in den Eingangshäfen darf 24 Stunden
nicht übersteigen (a 4). Die Kriegführenden dürfen
weder Truppen noch Kriegsmaterial einschiffen
oder ausschiffen (a 5).
Ueber die Ausführung des Vertrags sollten,
nach dem Vorbilde der Donaukommission 7, die
in Aegypten bestellten Agenten (nur) der Signa-
tarmächte wachen und zu diesem Zwecke jedenfalls
einmal im Jahre unter dem Vorsitze eines türki-
schen Spezialkommissars zusammentreten (a 8).
Diese von England bekämpften Bestimmungen
haben in ihrer Verklausulierung nur geringen
praktischen Wert und sind in dem Abkommen
zwischen England und Frankreich v. 8. 4. 04 a 6
(Fleischmann, 346) als suspendiert bezeichnet;
dies würde die andern Vertragsteile nicht binden.
II. Das Röglement de navigation dans le
canal maritime der S##G (Lptens 1912) enthält
die näheren Bestimmungen für dic Durchfahrt
(Schiffe höchstens 8,53 m Tiefgang). Ueber die
Schiffsvermessung für den Suez K. trifft die Bek
des BR v. 7. 5. 06 (RäB#l 564) besondere Vor-
schriften. Wegen des sanitären Verhaltens bei der
Durchfahrt vgl. a 48 f, namentlich 56 f der Sani-
tätskonvention v. 3. 12. O3 (J Krankheiten 8 5):
Aerzte in Suez, Gesundheitsaufseher im K., Be-
sonderes für Kriegsschiffe a 77.
Literatur: F. d. Lesseps, Lettres, journal et de-
cuments pour servir à Thistoire du canal de Suez (18541/67)
5 Bände 1875—1881; Caratheodory in Holtzendorff
BR 2, 1887 1 82; Ch. Rourx I'Isthme et le canal de Sucz,
1901 (serner Revne hlstorlque 91, 1006); Rheinstrom.
Die Kanäle von Suez und Panama. TDiss. Würzburg 1900
(hier die frühere Literatur; M. Boß, Der SEuczfl. und
seine Stellung im Weltverkehr 19041: Brodnif, UArt.
Suez K. im OWSt W'7, 1043. „Die Geschichte des Suczn.
nach bieher unverössentlichten Dokumenten“, Prag 1912,
rückt den Anteil von Lesseps und die Rechtsgrundlagen der
Sucz K. Gesellschaft in ein wenig günstiges Licht; Stellung-
nahme bleibt bis nach gehöriger Bekanntgabe der Urkunden
vorbehalten. — „Le Canal marltime de Sucz“ (vorgelegt
von der Suczkl. Gesellschaft für die französich-britische Aus-
stellung in London) 1908, wonach oben einzelne ungenane
Angaben der Literatur berichligt sind; Jahrbuch des Nordd.
Lloyd 1911/12, S 217—228.
Die Suezk. Gesellschaft gibt (seit 1872) heraus: Le
Canal de Suez, bulletin décadalre. Kurze statistische Mit-
teilungen bringt u. a. das Deutsche Kolonialblatt.
Fleischmann.
Kaperei
* 1. Begriff. 1 2. Geschichtliche Entwicklung. # 3. Ab-
schafsung. 1 4. Verstärkung der offiziellen Seestreitkräfte.
Umwandlung von Handelsschiffen in Kriegsschiffe.
# 1. Begriff der Kaperei. Unter den Kriegs-
mitteln des Scekriegs ist das wichtigste die Kriegs-
flotte, die heute einen organischen Bestandteil
der militärischen Machtmittel des Staats bildet.