498
Katholische Kirche (Interkonfessionelle Normen)
handhabt die Kirche ihr Verfassungsrecht verhält-
nismäßig frei. Wir haben auch in Deutschland
Missionsgebiete (oben Bd. 1 S 489). Andernteils
aber sind gemäß der päpstlichen Constitutio de
Romana curia v. 29. 6. O8 keine terrae missionis
mehr: England, Schottland, Irland, Holland,
Luxemburg, Kanada und die Vereinigten Staa-
ten von Amerika.
II. Nach den deutschen Staatsgesetzen
# 3. Die interkonfessionellen Normen. Der
westfälische Friede hat nach grausamem Religions-
kriege die killcinhere h u der k. K. beseitigt und
den Grundsatz der Parität begründet. Die k. K.
hat sich mit dieser Tatsache nicht abzufinden ver-
mocht. In der Bulle Zelo domus Dei v. 20. 11.
1648 heißt es bezüglich dieser Friedensinstrumente:
„Ipso iure nulla, irrita, imvalida, iniqua, imiusta,
damnata, reprobata, inania viribusque et effectu
vana omnino fuisse et perpetuo fore. decer-
nimus, declaramus“. Auch der Syllabus von
1864 Nr. 18 und 77 verficht noch die Alleinbe-
rechtigung der k. K. Für den Staat aber liegt
die Sache anders. Da der Anspruch auf cein Allein-
recht eine permanente Kriegserklärung an die
Andersgläubigen ist, die der Staat zu schützen hat,
so muß er das katholisch-theokratische System zu-
rückweisen und Parität wahren; das verlangt die
Selbsterhaltung. Für den Staat ist hier die ka-
tholische wie die protestantische Kirche Partei.
I. Nach dem Grundsatze der in allen Staaten
gewährleisteten Glaubensfreiheit ist dem
Katholiken der Glaube an die Alleinrichtigkeit seiner
Lehren unbenommen. Der Staat weist im Inter-
esse des Friedens, den er zu schützen hat, nur die
praktischen Konsequenzen dieses Dogmas für das
Staatsleben ab. Das ist sein Recht und seine
Pflicht. Die noch vom Syllabus von 18664 so nach-
drücklich bekämpfte moderne Staatsidee hat in
der Hauptsache in den partikularen Staats-
kirchenrechten ihren gesetzgeberischen Niederschlag
gefunden. Daraus sei folgendes hervorgehoben:
1. Jeder Mensch hat volle Glaubens= und Ge-
wifsensfreiheit (Tl. Der Begriff der Ketzerei ist dem
Staate fremd; der Konfessionswechsel
hat keine staatlichen Nachteile im Gefolge. Der
Austritt steht frei und kann auch ohne Uebertritt
erfolgen. Durch den Religionswechsel gehen alle
kirchlichen Gesellschaftsrechte und Pflichten gegen-
über der verlassenen Kirche verloren. Staatliche
Gesetze und Verordnungen regeln die Austritts-
formalitäten, treffen Bestimmungen über das
Unterscheidungsalter, über die Rechtsfolgen im
einzelnen usw.
2. Das Prinzip der Gewissensfreiheit duldet
auch keinen Zwang zur Taufe. Das R v.
6. 2. 75 hat die staatliche Führung von Geburts-,
und überhaupt von Zivilstandsregistern ange-
ordnet. Die Nupturienten sind auch nicht zur
kirchlichen Eheschließung gezwungen; des-
halb hat das zitierte Gesetz, wie jetzt auch das
Be, unabhängig von konfessionellen Gesichts-
punkten die Cheschließungsform geregelt. Die Ehe-
hindernisse und Ehescheidungsgründe bestimmen
sich gleichfalls nach staatlichem Recht, aber die
kirchlichen Verpflichtungen in Beziehung auf Taufe
und Tranung werden durch das neue bürgerliche
Recht nicht berührt. Auch das ist nur die Kon-
sequenz der Glaubensfreiheit (x Personenstand!.
Die Staaten haben sodann Fürsorge getroffen,
daß auch die Möglichkeit eines Begräbnisses
unabhängig von der Konfession gewährt wird
IJ Beerdigungswesenl. Dagegen besteht noch der
Eideszwang, über dessen Berechtigung man streitet.
Es besteht im ganzen Deutschen Reich Gleichbe-
rechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und
staatsbürgerlicher Beziehung (G v. 3. 7. 69),
doch fehlt vielfach, so auch in Bayern, noch die
Kultusfreiheit oder das Recht freier
Kirchengesellschaftsbildung.
3. Die Jurisdiktion der k. K. erstreckt sich
nicht auf alle Getauften, sondern wie bei jeder
anderen Kirche nur auf ihre Mitglieder. Mitglied
ist aber nur derjenige, welcher seine Mitgliedschaft
selbst oder durch seine gesetzlichen Vertreter kund-
gegeben und auch nicht aufgegeben hat.
4. Der Anspruch der k. K. auf die Kinder-
erziehung bei gemischten Ehen
wurde, da die übrigen Kirchen gleichberechtigt sind,
zurückgewiesen und die Rechtsverhältnisse so ge-
ordnet, daß mangels entgegenstehender Verträge
oder auch nur beim Fehlen des Einverständnisses
entweder alle Kinder oder doch die Knaben der
Religion des Vaters solgen. Die aus Anlaß des
a 134 des EG zum B# ergangenen Aus-
führungsgesetze im Archiv f. k. KR 1901 S 113 ff,
303 ff (Religiöse Kindererziehungl.
II. Die k. K. gehört übrigens mit der protestan-
tischen Kirche zu den privilegierten
öffentlichen Kirchengesellschaften oder sie hat die
Rechte der öffentlichen Korporationen. (Für
Mecklenburg-Schwerin vgl. jetzt die V v. 5. 1. 03
(3 f. KR 13, 157), für Braunschweig das G v.
29. 9. 02 (Z 13, 283 ff).] Sie hat darnach vor
allem das Recht des öffentlichen Gottesdienstes.
Beim Heere, bei staatlichen und kommunalen An-
stalten (Straf-, Armenanstalten usw.ist katholischer
Gottesdienst eingerichtet. Der Unterricht in der ka-
tholischen Religion ist für Katholiken obligatorischer
Unterrichtsgegenstand. An den Universitäten (M
sind auf Staatskosten katholisch = theologische
Fakultäten organisiert. Die katholische Religion
und katholischen Einrichtungen haben besonderen
strafrechtlichen Schutz (StG B f#& 166 ff, 196).
Der Feier der kirchlichen Festtage wird, soweit
sie vom Staate anerkannt sind, auf straf= und
verwaltungsrechtlichem Wege Nachdruck verschafft
[J Sonntagsfeierl. Den Katholiken steht es in
der Diaspora frei, eigene Gemeinden zu bilden,
wenn sie nur das erforderliche Vermögen auf-
zubringen imstande sind. Die k. K. hat eine
besondere Vertretung in den parlamentari-
schen Körperschaften: in Bayern, Württemberg,
Baden, Hessen, Elsaß-Lothr.; in Preußen pflegt der
König den einen oder anderen Bischof zum Mit-
glied des Staatsrats oder Herrenhauses zu er-
nennen. Die Durchführung kirchlicher Verfügun-
gen, insbesondere von Disziplinarmaßregeln, so-
wie die Eintreibung kirchlicher Abgaben (# er-
solgt durch den Arm des Staates. Die kirch-
lichen Gebäude (J|] haben den Schutz der öffent-
lichen Gebäude. Die k. K. ist vielfach aus Staats-
mitteln dotiert, ihren schlecht bezahlten Dienern
werden staatliche Zulagen gewährt (/Pfründel.
Die k. K. ist in ihren einzelnen Instituten
und Körperschaften als juristische Person an-
erkannt. Diese können daher nach den Staats-