Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Kiautschou 
  
streit Chinesen und Europäer als Parteien be= führt ist (V v. 31. 12. 03). 4. Der Käufer erwirbt 
teiligt sind; in diesem Falle unterliegen auch die 
Chinesen dem Europäcr-Recht. 1. Organe der 
Rechtspflege: Bezirksamtmänner, Richter und 
(seit Errichtung des Obergerichts) Oberrichter 
(außerdem hat der Polizeichef nach § 5 V des 
Gouverneurs v. 14. 6. 00, eine beschränkte Straf- 
befugnis bei geringfügigen Delikten). 2. Straf- 
recht. Als Strafen sind vorgesehen: Prügel- 
strafe bis zu 100 Schlägen (nur gegen Männer), 
Geldstrafc bis 5000 Dollar, Freihceitsstrafe (lebens- 
länglich oder bis 15 Jahre), Todesstrafe, als Ne- 
benstrafe: Ausweisung. Der Bezirksamtmann 
kann erkennen auf Prügel, Freiheitsstrafe bis 3 
Monaten und Geldstrasc bis 500 Dollar; andern- 
falls ist der Richter zuständig. Todesurteile be- 
dürfen der Bestätigung durch den Gouverneur. 
Berufung (an den Oberrichter) nur zulässig, wenn. 
ein Bezirksamtmann auf mehr als 6 Wochen oder 
250 Dollar erkannt hat. 3. Zivilrccht. Be- 
zirksamtmann zuständig bei Streitwert bis 250 
Dollar, sonst Richter; Berufung, wenn Streit- 
wert über 150 Dollar. Unwahre Angaben des 
Klägers sowie Ungehorsam des Beklagten gegen 
das Urteil können bestraft werden. (Die Revision 
der V v. 15. 4. 99 mit der Tendenz einer größeren 
  
Annäherung des Verfahrens an das Curopäcr- 
Verfahren und erweiterter Zulassung von Rechts- 
mitteln ist in die Wege geleitet.) 
§8. Besonderheiten der Verwaltung. 
I. Rechtsverhältnisse an Grundstücken. 
a) Die K. Verwaltung verfolgt eine eigen- 
artige, durch die politischen, wirtschaftlichen 
und geographischen Verhältnisse des K.G be- 
dingte Bodenpolitik (vgl. über diese insbeson- 
dere die Denkschriften von 1898 S5, 1903 S8, 1905 
8 und dic am Schlusse erwähnten Schriften von 
Schrameier). Sie berührt sich teilweise mit den 
Gedanken der Bodenreformer und hat die Ten- 
denz, den Uebergang von Grundbesitz, dessen Um- 
fang ohnehin so beschränkt ist, daß er nicht als 
Produktionsmittel, sondern lediglich als Pro- 
duktionsstätte in Betracht kommt, an politisch und 
wirtschaftlich (Trusts!) unerwünschte Elemente 
zu verhindern, durch Erschwerung ungesun- 
der Bodenspekulation auf die Grundstücks= und 
Mietpreise mäßigend zu wirken und dem Fiskus 
einen angemessenen Anteil an der hauptsächlich 
durch Maßnahmen der Verwaltung mit ösffent- 
lichen Mitteln vewirkten Wertsteigerung zu ver- 
schaffen. Dieser Politik dienen folgende, in den 
Verordnungen des Gouverneurs v. 2. 9. 98, 1. 
30. 3. und 31. 12. 03 sowie 5. 5. 04 niedergelegte 
Bestimmungen: 1. Das Gonvernement hat ge- 
genüber den ursprünglichen chinesischen Grund- 
eigentümern ein formloses Enteignungsrecht ge- 
gen Zahlung des Wertes, den der Boden vor der 
deutschen Besetzung hatte; 2. auf Grund dieses 
Rechts erwirbt das Gouvernement das für öffent- 
liche oder private Zwecke erforderliche Land und 
bringt es zur öffentlichen Versteigerung auf Grund 
eines festgesetzten Mindestgebots und eines allge- 
meinen Benutzungsplanes; 3. Nichtinnehaltung 
dieses Planes innerhalb der gesetzten Frist oder 
Abweichungen davon ohne Genehmigung des 
Gouvernements hat cine progressive Steigerung 
der 6 Prozent betragenden Grundsteuer bis auf 
24 Prozent zur Folge; der normale Satz tritt 
  
  
das (in das Grundbuch einzutragende) Land zu 
Eigentum, jedoch belastet mit einem Vorkaufs- 
recht des Gouvernements und der Verpflichtung, 
von dem bei der Weiterveräußerung sich ergeben- 
den Reingewinn (— Differenz zwischen dem von 
ihm gezahlten und dem ihm gebotenen Preise; 
Aufwendungen sind abzugsfähig) cin Drittel an 
den Fiskus auszukehren. Grundstücke, die inner- 
halb 25 Jahren nicht veräußert sind, unterliegen 
einer einmaligen Wertzuwachs-Abgabe von höch- 
stens ein Dritteil der Wertsteigerung. 
b) Grundbuchwesen. Die Kaiserl. V 
betr. die Rechte an Grundstücken in den deutschen 
Sch G v. 21. 11. 02 sieht für K. verschiedene Be- 
sonderheiten vor: 1. die &# 8, 9 Abs 1, 55 10—16 
der Kaiserl. V werden ersetzt durch die Vorschrift 
des &17; 2. die Vorschriften der §& 18—23 über 
solche Grundstücke, für die ein Grundbuchblatt 
noch nicht angelegt ist (insbesondere die Bestim- 
mungen über das sogen. Landregister) finden 
keine Anwendung (524; für die in den Händen 
der ursprünglichen chinesischen Eigentümer be- 
findlichen Grundstücke gilt chinesisches Liegen- 
schaftsrecht; die Veräußerung ist nur mit Geneh- 
migung des Gouvernements und nur an Chinesen 
des Sch G und der benachbarten chinesischen Kreise 
zulässig; § 3 der V v. ö. 4. O4). Die Ausführungs V 
des Gouverneurs v. 30. 3. 03 ordnet (5 10) generell 
die Anlegung des Grundbuches für das gesamte 
SchG an und modifiziert (§#§ 14—15) einzelne 
Bestimmungen des Reichsgesetzes über Zwangs- 
versteigerung und Zwangsverwaltung (letztere 
findet nicht statt). 
c) Bergrecht. Durch V des RK v. 16. 5. 03 
(K. VBl XVIII) ist im K.G das Bergregal ein- 
geführt. Die in § 1 des preußischen Berg G v. 
24. 6. 64 bezeichneten Mineralien sind von der 
Verfügung des Grundeigentümers ausgeschlossen: 
das Recht, sic aufzusuchen und auszubeuten, steht 
ausschließlich dem Fiskus des Sch zu, ebenso 
das Recht, Salz aus Seewasser zu gewinnen (V 
des Gouverneurs v. 12. 3. 10). 
4) Jagdrecht und Wildschutz. Nach 
§ 1 der Jagd V des Gouverneurs v. 17. 7. 07 ist 
die Ausübung der Jagd grundsätzlich frei, aber 
von Loösung eines Jagdscheins abhängig. Tat- 
sächlich ist die Jagd Regal des Fiskus, denn nach 
z 2 kann das Gounvernement Jagdbezirke abgren- 
zen und die Jagd darauf (auch für die im Privat- 
eigentum stehenden Grundstücke) verpachten. — 
Zum Schutze des Wildes und der Singvögel sind 
besondere Verordnungen (v. 9. 11. 05 und 28. 
9. 10) erlassen. 
11. Anfänge der LEelbstverwaltung. Zur 
Bildung von Kommunalverbänden ist es bis- 
her im K.G nicht gekommen und die Beteili- 
gung der Bevölkerung beschränkt sich auf be- 
ratende Tätigkeit. Der bereits auf Grund der V 
des Gouverneurs v. 19. 3. 99 gebildete Gou- 
vernementsrat ist durch V v. 14. 3. O7 re- 
organisiert und bestcht unter dem Gouverneur als 
Vorsitzendem aus 5 amtlichen Mitgliedern (Chefdes 
Admiralstabes, Zivilkommissar, Gouvernements- 
intendant, Gouvernementsarzt und Baudirektor 
— die Stelle des Chinesenkommissars ist inzwischen 
zur Einziehung gelangt) — und 4 Bürgerschaftsver- 
tretern. Diese werden auf 2 Jahre berufen, und 
wieder ein, sobald der Benutzungsplan durchge= zwar wird einer vom Gouverneur ernannt und je 
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